„Auf Kosten anderer zu leben, führt unweigerlich ins Chaos!“

„Kirche in unserer Zeit“: Prof. Klaus Töpfer hielt Festrede beim Stifterfest

Nach einer gemeinsamen Andacht in der St.-Andreas-Kirche versammelten sich die Stifterfest-Gäste im benachbarten Kirchenzentrum.

Seesen. Am Freitag fand im Seesener Kirchenzentrum das Stifterfest statt. Eingeladen dazu hatte das Kuratorium der Stiftung „Kirche in unserer Zeit“. Zu Beginn zog Pfarrer Thomas Weißer in seiner Andacht feine Fäden zum Thema des Abends, ohne aber schon etwaige Ergebnisse vorwegzunehmen. Nach der Fürbitte durch Kuratoriums-Mitglied Frank Preuß lud Helmut Schwabe im Namen des Kuratoriums die Gäste ins benachbarte Kirchenzentrum ein.

Hier hatte der Mitarbeiterinnen-Stab unter Federführung von Propstei-Sekretärin Diana Hoppe, Pfarramtssekretärin Cordula Kandel, Küsterin Maren Cornehl, Anja Loske, Elke Vaupel und Klara Nußbaum sowie mit der kulinarischen Routine von Petra Rothfuchs bereits für eine leckere Suppe gesorgt, die den ersten Hunger der Festgäste gekonnt abfederte. Harald Dörschel begrüßte die Stiftergemeinde noch einmal herzlich und gab dem Festredner das Wort. Die mit Spannung erwartete Festrede von Professor Dr. Klaus Töpfer trug den verheißungsvollen Titel „Der Herr setzte den Menschen in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.“ Mit diesem Zitat aus dem ersten Buch des Alten Testaments war der Rahmen bereits gesteckt, in dem Töpfer sich dann während seines sehr anschaulichen und hoch interessanten Vortrags bewegte. Die ökologische Verantwortung des Menschen ist am ehesten als Bewahrung der Schöpfung zutreffend erfasst. Damit rückt der Maßstab für das Bebauen und Bewahren der uns umgebenden Welt aus der Verfügungsgewalt des rastlosen Global Players, der seine Umwelt nur noch als Baukasten eigener Bedürfnisse gebraucht, heraus.

Professor Töpfer, der 1938 in Schlesien geboren wurde, schöpfte bei seinen weiteren Ausführungen als ehemaliger Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit aus seiner aktiven Zeit in der bundespolitischen Verantwortung aus dem Vollen. Auf der einen Seite war er den Anforderungen einer stetig wachsenden, europäischen Wirtschaftskraft in Europa und ihren einflussreichen Lobbyisten politisch verpflichtet, auf der anderen Seite waren seine Entscheidungen stets auch bestimmt von seinen tiefen, abendländisch geprägten Überzeugungen.

Nach einigen interessanten Zahlenspielen, die vor allem die Bevölkerungsentwicklung und die begleitende Wirtschaftskraft in unterschiedlichen Regionen in der Welt beleuchteten, zog er eine erste Quintessenz: „Wir stehen vor einem krassen Ungleichgewicht. Und die erkennbaren Folgen holen uns zwingend ein“, so Töpfer. Er erwarte schon seit längerer Zeit, was jetzt nach und nach traurige Gewissheit werde. Die Ärmsten der Armen holen sich ihren Anteil am Wohlstand und gleichzeitig nimmt die Ideologisierung und Radikalisierung politischer Systeme merklich zu.

Weiter führte der Festredner aus, dass die Menschheit den ersten Teil des alttestamentlichen Auftrags, sich zu mehren, sehr nachhaltig umgesetzt habe. Nunmehr gelte es, sich dem zweiten Teil - der ethischen Verpflichtung zuzuwenden. Gerade aber dieser zweite Teil des Bewahrens stelle die Menschheit vor eine sehr schwierige Aufgabe. Denn hier, so Töpfer, sei der Spielraum sehr viel enger. Durch den rasant gestiegenen Energiebedarf müsse es weltweit zu einem konsequenten Umdenken kommen. Der maßlose Einsatz fossiler Brennstoffe führe geradewegs in eine fatale Sackgasse. Dadurch aber sei der Spielraum für flexible Entscheidungen durch die Macht des Faktischen so stark eingeengt, dass sogar die Demokratie kein geeignetes Mittel mehr für das neue Handeln darstellt. Mit anderen Worten: Die ökologische Frage ist durch klar definierte Parameter bestimmt, bei der Politik allenfalls noch begleitend eingreifen könne.

Damit war Professor Töpfer dann auch beim Ziel seiner Ausführungen angekommen: Gerade weil staatlicherseits die Steuerungsmechanismen auf starke Sachzwänge eingeengt seien, käme der individuellen Entscheidung des Einzelnen nunmehr absolute Priorität zu. Wer sein privates Handeln in der ökologischen Frage allein von staatlichen Entscheidungen abhängig mache, verspiele die große Freiheit, die der Einzelne im Alltag habe. Oder anders gewendet: Seinen Wohlstand auf Kosten anderer aufzubauen, hat leider viele Jahrzehnte funktioniert. Jetzt sei es an der Zeit, in persönlicher Freiheit verantwortbare Akzente zu setzen.JK