Aufnahmestopp bei der Tafel Seesen

Für die Ehrenamtlichen wird der enorme Zulauf immer mehr zur Belastungsprobe

Auf den Aufnahmestopp werden die Kunden hingewiesen. Im Zeitraum von März bis September hat sich die Zahl der regelmäßigen Tafel-Kunden mehr als verdoppelt.

Seesen. In Zeiten der Corona-Pandemie, des Krieges in der Ukraine und steigender Lebensmittel- und Energiepreise helfen die ehrenamtlichen Helfer der Tafel Seesen vielen Menschen in akuten Notsituationen, unabhängig von Herkunft, Alter, Religion, Geschlecht, Nationalität, sexueller Orientierung und Sprache mit Lebensmittelspenden. Für die Tafel-Aktiven zählt allein die Bedürftigkeit. Doch mittlerweile hat sich die Lage verschärft, sodass die Verantwortlichen um einen Aufnahmestopp nicht mehr herumkommen.

Seit Monaten verzeichnen die Seesener immer mehr Kunden und weniger Lebensmittel, die von den Märkten gespendet werden. Aktuell unterstützen sie monatlich zwischen 650 und 700 Bedürftige aus Seesen und der Umgebung mit Warenspenden. Trotz der vielen zusätzlichen Herausforderungen schafften sie es bislang immer wieder durch einige Umstellungen des Ausgabesystems, die enorme Nachfrage am Angebot der Tafel Seesen zu bewältigen. Die Nachfrage reißt jedoch nicht ab und wird für die Ehrenamtlichen immer mehr zur Belastungsprobe. „Viele Ehrenamtliche sind im Dauereinsatz und gehen weit über die Grenzen ihrer Belastbarkeit, um unseren Tafel-Kunden zu helfen. Es melden sich aber immer mehr Menschen bei uns, die das erste Mal Hilfe benötigen und deren Geld zum Leben nicht mehr ausreicht. Seit Beginn der Preissteigerungen und des Krieges in der Ukraine geraten immer mehr Menschen in Not“, berichtet Marion Deerberg, verantwortlich für die Tafel und ihren Trägerverein. Und sie erzählt weiter: „Wir sind seit Monaten am Improvisieren, um denjenigen zu helfen, die zu uns kommen. Zuletzt mussten wir die Abholung für unsere Tafel-Kunden aufgrund der geringen Warenspenden von wöchentlich auf vierzehntägig einschränken. Um überhaupt etwas geben zu können, müssen wir die Lebensmittel zuteilen und immer mehr Aufwand betreiben, damit niemand leer ausgeht. Aufgrund der sehr schwierigen Situation sind wir jetzt an einem Punkt angekommen, wo wir erst einmal vorerst keine neuen Kunden mehr aufnehmen können.“
Der vorübergehende Aufnahmestopp, so schmerzlich er auch ist, ist leider notwendig. Organisatorisch, mental und körperlich schaffen die Ehrenamtlichen derzeit nicht mehr Kunden. „Wir gehen bereits heute weit über die Grenzen unserer Belastbarkeit hinaus“, unterstreicht Marion Deerberg. Man darf nicht vergessen, dass sie nur zusätzlich helfen und niemand versorgen können. Es sind vor allem Ältere, die sich in unserer Tafel engagieren. Unsere Helfer geben ihr Bestes, um helfen zu können. Ohne die Freiwilligen wäre diese Arbeit nicht möglich. „Für uns ist es überhaupt nicht einfach, wenn wir jemand zurückweisen müssen, aber unsere Ehrenamtlichen sind bereits heute im Dauereinsatz, um die Lebensmittelausgabe aufrechtzuerhalten. Ohne den Zukauf von Lebensmitteln und der großartigen Unterstützung aus der Bevölkerung hätten wir es nicht geschafft, die Tafel offen zu halten und den Andrang von März bis September diesen Jahres zu bewältigen“, schildert sie in diesem Zusammenhang noch einmal.

Im Zeitraum von März bis September hat sich die Zahl der regelmäßigen Tafel-Kunden mehr als verdoppelt. Anfang Oktober verzeichneten sie beispielsweise einen Zuwachs von 40 Prozent. „Wir unterstützen monatlich jetzt so viele Bedürftige regelmäßig mit Waren, die wir eigentlich im ganzen Jahr hatten“, ordnet Marion Deerberg ein. Mehr schaffen sie im Moment nicht. Deswegen der vorübergehende Aufnahmestopp. Sobald sich die Lage etwas entspannt hat, prüfen die Verantwortlichen, was möglich ist. Wenn vereinzelt was möglich sein sollte, versuchen sie früher zu helfen und jemanden vorzuziehen.

Nach Informationen der Tafel und ihres Trägers werden aktuell bis zu 700 Menschen regelmäßig mit Lebensmitteln aus der Tafel unterstützt, die von Einkommensarmut betroffen oder unmittelbar bedroht sind. Zu den bisherigen Tafel-Kunden sind seit März 2022 bis zu 150 geflüchtete Ukrainer dazugekommen, die in Seesen oder einem Seesener Ortsteil leben. Zuletzt mussten immer wieder Umstellungen am Verteilersystem vorgenommen werden, um den enormen Zulauf unter den aktuellen Extrembedingungen bewältigen zu können, heißt es dazu abschließend.red