Beredte Steine – ein lebendiger Spaziergang durch die Zeit

Die Geschichte vom Alumnat zum Jacobson-Haus

Dr. Joachim Frassl und Dirk Stroschein führten durch die Geschichte vom Alumnat zum Jacobson-Haus.

Seesen. Dr. Joachim Frassl und Dirk Stroschein – doppelt geballtes Wissen in Sachen Seesener Jacobson-Geschichte – sitzen auf der Bühnenkante und fragen sich, wer denn wohl an diesem Abend den Hauptdarsteller gibt. Es ist weder der eine noch der andere. Hauptdarsteller ist eindeutig das Haus, in dem die beiden Referenten hier vor einem sehr zahlreich erschienenen, wissbegierigen Publikum sitzen.

Bei der Einweihung des Alumnats im Jahr 1889 ist Israel Jacobson schon seit 61 Jahren tot. Das Jacobson'sche Erziehungsinstitut beginnt 1801 mit zehn armen Judenknaben noch in anderen Räumlichkeiten. Erst nach dem Anwachsen der Schülerzahlen auf 155 im Jahr 1871 und dem Erhalt der Berechtigung, zum Schulabschluss nach der 10. Klasse das „Einjährig-Freiwilligen-Zertifikat“ zu erteilen, steigt die Schülerzahl auf 203 und ein Neubau muss her.
Das Kuratorium der Jacobson-Schule beschließt im Sommer 1887 die Errichtung eines für 160 Heimzöglinge angelegten neuen Gebäudes und beauftragt mit der Planung den Königlich Preussischen Regierungsbaumeister Max Friedeberg, einen jüdischen Architekten aus Berlin. Das Alumnat und heutige Jacobson-Haus entsteht.

Unterlegt mit zahlreichen Bilddokumenten erzählen Dr. Joachim Frassl und Dirk Stroschein abwechselnd oder auch miteinander im historisch belegten Dialog verbunden, äußerst lebendig die wechselvolle Geschichte des Hauses. Durch die dialogische Vortragsweise in Verbindung mit beeindruckenden, historischen Bildern wird streckenweise der Eindruck eines szenischen Spaziergangs erzeugt, auf dem das Auditorium, von der Atmosphäre an historischer Stätte inspiriert, gebannt dem Zeitgeschehen folgt. Große Erleichterung war im Nachhinein noch im Saal greifbar, als von der Ratssitzung Ende 1974 die Rede ist, auf der mit 18 zu 15 Stimmen der Erhalt des Gebäudes beschlossen wurde und der drohende Abriss vom Tisch war. Dem Torbogen war zum Glück nachfolgend ein gleiches Schicksal beschieden.

Die letzten 42 Jahre des „Bürgerhauses“ sind jedoch laut Dirk Stroschein im Vergleich zur frühen Geschichte wenig erforscht und dokumentiert. Vermutlich, weil es uns, die wir diese Jahre erlebt und mitgestaltet haben, noch zu lebendig und gegenwärtig erscheint, als dass wir es im Ordner der Geschichte ablegen wollen.

So ergeht an dieser Stelle der Aufruf an alle Seesener Bürgerinnen und Bürger, ihre lebendigen Erinnerungen an das Seesener Bürgerhaus beizutragen. Dirk Stroschein nimmt diese im Städtischen Museum Seesen sehr gern für die lebendige Fortschreibung der Geschichte entgegen.

Seit Mitte diesen Jahres geht es nun offiziell weiter im „Jacobson-Haus“. Dr. Joachim Frassl: „Damit dieses Haus eine Zukunft hat, sollte auch immer wieder auf Israel Jacobson zurückgeschaut werden. Auf seine Geschichte voll Toleranz, Emanzipation und Akzeptanz. Dieses Haus ist nicht Jacobsons Haus. Aber wir sollten sein Erbe und die Herausforderungen unserer Zeit annehmen und es zu seinem Haus machen!“ - Heike Hammer-Geriesred