Busch gefolgt und Kurioses gefunden

Gerhard Henschel und Gerhard Kromschröder stellten im Jacobson-Haus Wandertagebuch „Laubengänge“ vor

Da haben sich zwei gefunden: Gerhard Henschel (links) und Gerhard Kromschröder stellten ihr Buch vor.

Seesen. Mit Superlativen gilt es bekanntlich immer sparsam umzugehen. Mit Blick auf den Schriftsteller Gerhard Henschel und den Fotojournalisten Gerhard Kromschröder von einem kongenialen Duo zu sprechen, ist allerdings mehr als angemessen. Jeder für sich allein genommen besticht schon durch Courage und Schaffenskraft und hat bis dato ein beeindruckendes Werk vorzuweisen; seit jüngster Zeit arbeiten sie nun zusammen, und das bevorzugt im zügigen Wandertempo.

Im großen Saal des Jacobson-Hauses stellten die beiden Gerhards am Freitagabend ihr neues Buch „Laubengänge – Auf den Spuren von Wilhelm Busch durchs Weserbergland zum Harz“ vor. Nach dem 2016 erschienenen Werk „Landvermessung“, für das sie den Spuren Arno Schmidts und Walter Kempowskis folgten und das ihnen den Ben-Witter-Preis 2017 bescherte, ist das ihr zweites gemeinsames Wandertagebuch.

Schon von Anfang an wurde deutlich, dass sich hier zwei wenn auch nicht unbedingt gesucht, so aber doch gefunden haben: temperamentvoll, mit durchdringender Stimme und forsch zu Werke gehend der 77-jährige Kromschröder – von seinem Wegbegleiter kurz „Kromo“ genannt –, eher ruhig und sachlich-ironisch analysierend der 56-jährige Henschel. Dass es an diesem Abend viel zum Schmunzeln und einiges zum Lachen gab, lag denn auch nicht nur am Inhalt, sondern vor allem an der erfrischenden dialogischen Art der Präsentation.

300 Kilometer in 14 Tagen haben Henschel und Kromschröder unter die Füße genommen. Die Tour führte zu all jenen Orten, die für den großen Zeichner, Dichter und Maler Wilhelm Busch von besonderer Bedeutung waren. Und gleich zu Beginn gibt es eine Erklärung dafür, warum das Buch „Laubengänge“ heißt. Es bezieht sich auf den menschenscheuen Wilhelm Busch, der die Öffentlichkeit mied und eher den Abstand zum Getriebe der großen Welt und die Ruhe suchte, „um in den Laubengängen des intimeren Gehirns zu lustwandeln, wo’s bekanntlich schön schattig ist“, wie er selbst einmal schrieb.

Selbstverständlich folgen die Autoren Wilhelm Busch „von der Wiege bis zur Bahre“, stehen in seinem Geburtszimmer, bestaunen in Lüthorst sein Zigaretten-Mundstück und den letzten Federkiel, den er benutzt hat, besuchen in Ebergötzen die berühmte Mühle und treffen just zum Gartenfest rund um das Wilhelm-Busch-Haus in Mechtshausen ein, wo sie Sterbezimmer und Grabstätte besichtigen. Das allein macht aber noch lange nicht den besonderen Reiz des Buches aus.

Den erhält es erst durch die Beschreibung der vielen Nebenschauplätze und Kuriositäten rechts und links des Weges in Wort und Bild; wenn beispielsweise vom selbst ernannten „Zollstock-Aktivisten“ Günter Uhlig vom Zollstockmuseum in Wiedensahl die Rede ist, wenn die einst von Busch gemalte „Brücke über die Ils“ mit ihrem heutigen Zustand verglichen wird, wenn architektonisch komplett misslungene Volksbank-Filialen in den Blick rücken, sogenannte „Arschbacken-Gardinen“ den Weg kreuzen oder vom tristen Brunnenplatz in Kathrinhagen und dem Wesen der deutschen Pension an und für sich berichtet wird. Außerdem erfahren die Wanderer, dass man sich ruckzuck verdächtig macht, wenn man in Deutschland Grundstücke fotografiert und lassen sich darüber aufklären, dass der Verlust der dörflichen Kneipenkultur oft darin begründet liegt, dass sich die Besitzerin einfach aufknüpft und anstelle der Gaststätte ein Hunde­asyl tritt.

Schilderungen wie diese sind zuweilen urkomisch, regen an anderer Stelle aber auch zum Nachdenken an. Mit welchen Problemen haben die Menschen in den durchwanderten strukturschwachen Regionen zu tun? Wie konnte der ehemalige Hamelner Bürgermeister Emil Busching vor dem Hintergrund seiner Nazi-Vergangenheit mit dem Bundesverdienstkreuz dekoriert werden? Und warum gibt es wieder nur Schnaps, Pardon: Raps natürlich, bis zum Horizont?
In einer kleinen Erfrischungspause standen Gerhard Henschel und Gerhard Kromschröder den Besuchern der Lesung gerne für Fragen zur Verfügung und signierten am Stand der „Bücherwelt Seesen“ ihr neuestes Buch. Was beide bei dieser Gelegenheit schon einmal verrieten: Wandertagebuch Nummer drei ist bereits in Vorbereitung. Als nächstes wird auf den Spuren der Gebrüder Grimm gewandelt.

Fazit: Wer diese Lesung – organisiert in Kooperation der Stadt Seesen mit dem Förderkreis Wilhelm-Busch-Haus Mechtshausen – versäumt hat, der hat mehr als nur eine gewöhnliche Lesung versäumt. Aber zum Glück gibt’s ja alles zum Nachlesen im Wandertagebuch...kno