„...da hatte ich Tränen in den Augen“

Traditionelle Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit in Münchehof / Zeitzeugen berichteten

Die Gedenkfeier zum „Tag der Deutschen Einheit“ in Münchehof war wieder einmal gut besucht.

Münchehof. Nach coronabedingter Pause hatten sich gestern wieder viele Bürgerinnen und Bürger aus Münchehof und der näheren Umgebung an der Gedenkstätte „Hinter der Forstschule“/„Vor den Söhlen“ eingefunden, um gemeinsam den 31. Jahrestag der Deutschen Einheit zu feiern. Eingeladen hatte abermals der Heimatverein Münchehof, dessen Vorstand und Mitglieder im Jahr 2000 an dieser Stelle eine Eiche pflanzten. Diese „Eiche der Deutschen Einheit“ hat sich nicht nur zur Freude des Vereins inzwischen prächtig entfaltet. Seit zwölf Jahren kündet hier außerdem ein Gedenksteinvon diesem welthistorisch einmaligen Ereignis.

Besonders begrüßen konnte der Vorsitzende des Heimatvereins, Dieter Pöppe, die Ortsbürgermeisterin Dorothea Uthe-Meier, Mitglieder des Ortsrates sowie das Musikduo Emil und Klaus Beermann, das einmal mehr die Feierstunde musikalisch umrahmte. Herzliche Grüße gingen auch an den Ehrenvorsitzenden Joachim Pedroß und an Ehrenmitglied Ilse Bauerdorf, die beide aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein konnten. Pöppe freute sich, auch diesmal wieder zwei Zeitzeugen willkommen heißen zu können, die über ihre ganz eigenen Erlebnisse mit „Eisernem Vorhang“ und Grenzöffnung berichteten. Zum einen war dafür die ehemalige Münchehöfer Seelsorgerin und jetzt in Goslar lebende Pfarrerin i. R. Elke Motzkus an ihre einstige Wirkungsstätte zurückgekehrt, zum anderen war der bekannte Harzfotograf und Buchautor Hansjörg Hörseljau aus Clausthal-Zellerfeld zu Gast.

„Alle Jahre wieder sollten wir uns an das Leben in einer Diktatur, an Kalten Krieg, Stacheldraht und Schießbefehl erinnern. Das hat vielen Menschen das Leben gekostet und es gilt, einer Wiederholung auf deutschem Boden vorzubeugen“, sagte Dieter Pöppe in seiner kurzen Ansprache. Anhand eines Banners erinnerte er zudem an das „Paneuropäische Picknick“ vom 19. August 1989; eine Friedensdemonstration ohne Blutvergießen an der österreichisch-ungarischen Grenze nahe der Stadt Sopron.

An ihre Reisen in die „Ostzone“ Ende der 40er/Anfang der 50er Jahre kann sich Elke Motzkus noch lebhaft erinnern. Jedes Jahr in den Sommerferien ging es zur Oma, die zwischen Chemnitz und Dresden lebte und ein Haus mit Garten, Kaninchen, Hühnern und Ziege hatte. „Den Geschwistern meiner Mutter, die dort lebten, ging es eigentlich sogar besser als uns in Goslar“, erinnert sie sich. Bei einem solchen Besuch habe sie, Elke Motzkus, einmal davon gesprochen, „was bei uns in Deutschland“ so im Radio gespielt wird. Die „Ostzone“ konnte schließlich nicht Deutschland sein, weil man ja über eine Grenze gefahren war. Ferner erinnerte sich Elke Motzkus an eine Leibesvisitation, die an der eigenen Mutter vorgenommen wurde, aber auch an viele schöne Besuche bei den Verwandten in der ehemaligen DDR. Als sie Ende 1989 wieder einmal die Grenze passierte, habe ihr der Grenzposten freundlich eine gute Weiterfahrt gewünscht. „Da zeigte sich Menschlichkeit, und da hatte ich Tränen in den Augen“, sagte die Goslarerin.

Mit Hansjörg Hörseljau kam im Anschluss ein weiterer Zeitzeuge zu Wort. Als Jugendlicher kam er auf dem Schulweg von St. Andreasberg nach Clausthal-Zellerfeld täglich zweimal am Brocken vorbei. „Der Gipfel lag oft zum Greifen nah, war für uns alle aber unerreichbar“, erzählte er. Als selbständiger Fotojournalist habe er – wie so oft – auch die Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 im Fotolabor beim Entwickeln verbracht und per Radio von den Ereignissen in der DDR gehört. Er machte sich auf den Weg nach Duderstadt, um dort die anrollenden Trabbis zu fotografieren. Hier gab es zunächst keine Staus, aber schon einen Tag später herrschte in der Stadt wegen der Auszahlung des Begrüßungsgeldes ein Riesenandrang bei der dortigen Sparkasse und ein Einkaufsmarkt war fast komplett leergekauft worden. Hörseljau erinnerte ferner an den Demonstrationsfußmarsch am 3. Dezember 1989 rauf zum immer noch abgeriegelten Brocken, wo Soldaten Würstchen für eine Mark und Tee verkauften. Nach langen Verhandlungen wurde das Brockentor zunächst „nur für Kleingruppen“ freigegeben. Was daraus wurde, ist bekannt. Mit vielen Bildern verbinde er eine persönliche Geschichte. „Heute macht es mich nachdenklich, ärgerlich und traurig, wenn ich sehe, wie sich antidemokratische Kräfte besonders in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gebildet haben“, so Hansjörg Hörseljau. Man dürfe nicht aufhören, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, auch wenn es schwierig und aussichtslos erscheine, gab er den Anwesenden mit auf den Weg.

Nach diesen mit viel Applaus bedachten Berichten sangen die vielen Teilnehmenden der Feierstunde unter musikalischer Begleitung die Nationalhymne und bekräftigten so den Wunsch nach Einigkeit und Recht und Freiheit. Zum Abschluss lud dann der Heimatverein zu einem kleinen Umtrunk ein, von dem an diesem besonderen Gedenktag bei wohltemperiertem, aber stürmischem Herbstwetter gern Gebrauch gemacht wurde.kno