Das Ende einer Ära

31 Jahre lang leitete Walter Kien das Kulturforum, jetzt ist Schluss / Nicht nur Kien gab sein Amt ab

Walter Kien, Gründervater und bis Montag 1. Vorsitzender des Kulturforums, brachte unter anderem dieses Plakat vom Zehnjährigen mit, gestaltet von Joachim Frassl, der ebenfalls verabschiedet wurde.

Seesen. Der 4. Juni 2018 wird in die Seesener Geschichtsbücher eingehen, als der Tag, an dem beim Kulturforum eine Ära zu Ende gegangen ist. Denn nach 31 Jahren zog sich Walter Kien, der Gründervater und bis zu jenem Datum der 1. Vorsitzende des Vereins, zurück. Neben ihm gaben weitere prägende Persönlichkeiten des Kulturforums – nämlich Gabi Kien, Dr. Joachim Frassl und die 2. Vorsitzende Cornelia Wienecke – ihren Abschied bekannt. Besondere Anerkennung für die Verdienste, eine große Portion Respekt und ein klein bisschen Wehmut prägten diese denkwürdige Jahreshauptversammlung.

Unvergessen sind die Plakatentwürfe von Joachim Frassl. Walter Kien hatte in seinem Keller gekramt und drei Beispiele mitgebracht, von 1989/90, vom Zehnjährigen (1997) und von den Wilhelm-Busch-Tagen, als besonderes Erinnerungsstück nahmen sich einige Mitglieder ein Plakat vom Zehnjährigen, von denen es noch einige Exemplare gibt, mit. Unvergessen sich auch Frassls feuilletonistische Rezensionen, die er 31 Jahre lang für den „Beobachter” schrieb, die erste am 6. Dezember 1987.

Verdienste als 2. Vorsitzende, im Kartenvorverkauf und bei der Künstlerbetreuung hat sich Cornelia Wienecke in den vielen Jahren erworben. Auch ihr wurde herzlichst dafür gedankt.

„Das Kulturforum war in den 31 Jahren zwar ein Kulturdienstleister, aber doch auch ein Wohlfühlareal, ein Forum, auf dem nicht nur die Performance, sondern auch die Pausen Qualität haben”, resümierte Dr. Joachim Frassl. Unvergessen bleibt das große Engagement von Walter und Gabi Kien. Unzählige Kleinkunstbühnen und Theater besuchten sie, immer auf der Suche nach spannenden Künstlern für ihr „Baby” Kulturforum. Backstage wurden Kontakte geknüpft, ihr Kind lernt auf eigenen Beinen zu stehen und hat sich über drei Jahrzehnte einen Namen gemacht. Klinken putzen brauchen die Organisatoren nicht. Im Gegenteil. Ruft das Kulturforum bei den Agenturen an, sind sofort die Türen offen. Walter Kien ist es zu verdanken, dass Kabarettgrößen wie Dieter Hildebrandt, Hagen Rether und Alfons wissen, wo Seesen liegt. Mit seinem Mut, seinem Elan und seiner Eloquenz machte er das Kulturforum zu dem, was es heute ist. Götz Alsmann, der bereits neunmal in der Aula ein Gastspiel gab, schrieb den Seesenern eine tolle Würdigung ins Gästebuch: „Ein Konzert in Seesen, besser als Arbeit!”

Wie heißt es doch so schön: Ein starker Mann braucht eine starke Frau an seiner Seite, und genau das war und ist Gabi Kien für ihren Walter. Sie hat in Sachen Kulturforum immer unterstützt und das ging – bei beiden – weit über das normale ehrenamtliche Engagement hinaus. Beispiele gibt es viele, vor allem wird sie den Mitgliedern mit ihrer rührseligen Art in Sachen Kartenwunscherfüllung ein Stück weit fehlen. „Aber beim nächsten Mal bitte die selben Plätze”, oder „Ja nicht unten, oben mittig, sieht man viel besser”, jedem Wunsch kam sie nach, erstellte für die Veranstaltungen – bis heute sind es 344 – sogar separate Sitzpläne.

Der Kapitän und Erschaffer ist von Bord, doch das Boot Kulturforum Seesen nimmt weiter Fahrt in der Kulturlandschaft auf, mit einem neuen Steuermann an der Spitze – ab sofort ist Thomas Reichardt 1. Vorsitzender, ihm zur Seite stehen als 2. Vorsitzender Rene Kretschmer, als Kassierer Thorsten Scheerer und fürs Marketing samt Öffentlichkeitsarbeit Heike Hammer-Geries.

Je weiter die Sitzung voranschritt, umso mehr über die Verdienste von Walter Kien gesprochen wurde, desto mehr musste Thomas Reichardt schlucken. Und sich ein Stück weit auch fragen: Meine Güte, was habe ich da übernommen? „Jetzt habe ich Marathonstiefel am Hacken”, konstatierte er nach der Wahl. Er stellt sich mit seinen Mitstreitern dem kulturellen Erbe, das der Stadt Profil verleiht, zu verdanken dem Ehepaar Kien. Und Thomas Reichardt wartete gleich mit einer Neuerung auf, nämlich die Ernennung von Gabi und Walter Kien zu Ehrenmitgliedern des Seesener Kulturforums – in der 31-jährigen Vereinshistorie eine bisher einmalige Sache. Überschwängliche Zustimmung bei den Mitgliedern zu diesem Vorschlag. Auch deshalb wird jener 4. Juni in die Geschichtsbücher eingehen.syg