Der Tag nach der Wahl: Zeit für eine Analyse und Bewertung

Ein denkbar knappes Bürgermeister-Wahlergebnis, das es wert ist, einmal näher betrachtet zu werden

Hochspannung bis zum Schluss. Erst gegen 20.20 Uhr am Sonntag stand fest, dass Erik Homann Bürgermeister bleibt. Erleichterung bei allen Beteiligten, als das Ergebnis bekannt war.

Die Bürgermeisterwahl 2019 in Seesen ist Geschichte. Nach einem langen, für alle Beteiligten anstrengenden, ja gar nervenzehrenden Wahlkampf, der mitunter turbulente Begleiterscheinungen mit sich brachte, eine Burger-King-Standort-Debatte in sich trug und kurz vor dem Ende noch eine Kita-Affäre aushalten musste, bleibt Erik Homann auch weiterhin Bürgermeister der Stadt Seesen. Gegenüber seiner Herausforderin Andrea Melone hatte Homann am Ende gerade einmal 217 Stimmen Vorsprung – ein Klacks, wenn man bedenkt, dass Homann noch vor acht Jahren gegen die damalige SPD-Herausforderin Hanna Kopischke überdeutlich mit 63 Prozent und in allen Wahllokalen obsiegt hatte. Das war diesmal alles anders. Woran hat es gelegen?

Seesen. Schon bei der Kandidatensuche hatte die SPD diesmal mit Andrea Melone eine sehr gute Wahl getroffen, die beste mögliche Bewerberin hatte den Hut in den Ring geworfen. Aus Stauffenburg bei Münchehof stammend ist Andrea Melone ein Kind der Stadt, wusste dieses Pfund auch immer wieder in den Wahlkampf einzubringen.

Als Außenseiterin in den Wahlkampf gestartet, nahm das Team Melone zwischenzeitlich richtig Fahrt auf, konnte beispielsweise Jungwähler auf seine Seite ziehen mit gelungenen Wahlkampfveranastaltungen. „Nach und nach habe ich gemerkt, dass ich es packen kann”, so Melone gestern gegenüber dem „Beobachter”.

In der Tat: Nimmermüde war es die SPD, die den Amtsinhaber Erik Homann fast schon vor sich hertrieb, ein Event nach dem anderen organisierte, sich in den Ortsteilen zeigte.

Ein Thema aber war dabei stets präsent. Die Frage, ob und wo ein Burger-King-Restaurant nach Seesen kommen soll oder nicht. Obwohl sowohl Homann als auch Melone sich in dieser Frage eigentlich fast gleichermaßen positioniert hatten, war es offensichtlich der Bürgermeister, dem die Debatte bei den Gegnern des Bebauungsplanes für das Gebiet an der Masch reichlich Stimmen gekostet haben dürfte. Der Amtsinhaber-Bonus war diesmal wohl kein Vorteil, sondern eher eine Last, bedeutete es doch in diesem Fall die Quadratur des Kreises. Allen gerecht zu werden, das ging in der BK-Frage nicht.

Dass wenige Wochen vor der Wahl noch ein alternativer Standort halbwegs präsentiert werden konnte, milderte den Gegenwind dabei nur wenig ab. Wieviele von den 1.200 Unterschriftengebern letztlich zur Wahl gegangen sind und wieviele wiederum für Andrea Melone gestimmt haben – diese Fragen sind Kaffeesatzleserei. Sicher scheint, dass die BurgerKing-Diskusssion der Kandidatin Andrea Melone Wählerstimmen gebracht haben dürfte.

Und die Kita-Affäre in Münchehof? Die kam in der vergangenen Woche mehr als überraschend und löste eine Diskussion aus, die Seesen in der Art und Weise für einen sachlichen Wahlkampf ganz bestimmt nicht gebraucht hatte. Aber manchmal gibt es Ereignisse, die vom Zeitpunkt her kaum unpassender kommen können, aber eben nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfen.

Dass die SPD die Berichterstattung im „Beobachter” am Freitag zum Anlass nahm, den Bürgermeister mit ein paar scharf formulierten Fragen in Bedrängnis zu bringen, werteten nicht wenige Beobachter der Geschehnisse als nicht gerade stilvolles Vorgehen. Die Anfrage hätte sicherlich auch bis nach der Wahl Zeit gehabt.

Aber diesen Angriff wusste Homann mit einer prompten und sachlich sehr klaren Stellungnahme gekonnt abzuwehren. Ob die Ereignisse rund um das Rathaus mitsamt dem „Maulwurf-Gate” und den Ermittlungen gegen eine DRK-Kindergartenleiterin überhaupt noch eine große Rolle spielten bei der Frage, wem die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme geben, darf am Ende sogar stark bezweifelt werden. Das Thema hatte im Wahlkampf eigentlich so rein gar nichts verloren. Aber es war dabei.

Vor acht Jahren hatte die SPD auf der Zielgeraden Erik Homann „Wählertäuschung” vorgeworfen, diesmal ging sie ihn in einer Affäre scharf an, mit der er grundsätzlich nur sehr wenig bis gar nichts zu tun hatte. Aber wer das politische Seesen kennt, der weiß, dass derartige Vorkommnisse schon mal ein Nachspiel haben können, das manch neutraler Beobachter mit dem in solchen Fällen oft gebrauchten Adjektiv „schmutzig” bezeichnen könnte. Homann kommentierte das am Sonntagabend in seiner sehr emotionalen Dankesrede mit den Worten: „Wem es in der Küche zu heiß wird, der soll nicht Koch werden”.  Will heißen: Er hat dem Druck standgehalten.

Bis dato war der Wahlkampf hingegen relativ fair geblieben. Ein bisschen Stichelei bei der Verkehrswacht-Versammlung und die Frage, wer den Bürgermeister denn offiziell vertritt, ansonsten aber konzentrierten sich beide Kandidaen die meiste Zeit auf sich selbst. Die Herausforderin selbst punktete mit der richtigen Einstellung, in Seesen etwas bewegen zu wollen, Erik Homann wucherte mit dem Pfund, in Seesen bereits viel bewegt zu haben.

Was sonst wohl noch entscheidend war für den knappen Wahlausgang? Moniert wurde in der jüngeren Vergangenheit, dass Homann keine gute Kommunikation zu den Ortsbürgermeistern  pflege und die Ortsteile generell abgehängt würden. Mit dieser Einschätzung kokettierten die Sozialdemokraten gern und häufig.

Und natürlich spielte auch das Thema Hochwasserschutz sicherlich bei vielen Wählerinnen und Wählern eine Rolle, ob pro oder kontra den bisherigen Amtsinhaber lässt sich wiederum schwer beurteilen.

Am Ende war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, nur wenige Stimmen haben den Ausschlag für Homann gegeben. Dieser hatte am Vorabend in einer Videobotschaft noch einmal dazu aufgerufen, dass man gemeinsam für Seesen die besten Lösungen und Ideen herausarbeiten sollte. Dabei zähle für ihn immer nur das bessere Argument, ganz unabhängig von Parteibuch und Person. In den vergangenen acht Jahren habe er stets nach dieser Maxime gehandelt und werde dieses in den nächsten sieben Jahren als Bürgerneister auch tun. Er hat die Wahl gewonnen, knapp zwar, aber er hat sie gewonnen und wird weiter Seesens Bürgermeister bleiben.

Die knapp unterlegene Andrea Melone war übrigens gemeinsam mit ihrem Ehemann Mario sowie dem Ratsherrn Patrick Kriener und dem stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzenden Markus Franke am späten Sonntagabend vom Roccos ins Herzgut gekommen, um dem Bürgermeister ganz persönlich zum Erfolg zu gratulieren. Das wiederum hatte Niveau und wurde positiv aufgenommen.

Beide Kandidaten dankten in ihren Lagern natürlich für die Unterstützung, die sie in den letzten Wochen erfahren durften. Der Wahlkampf ist nun vorbei, die Wahl gelaufen, Zeit für Regeneration. Zeit, um herunterzukommen.uk