„Die Leidtragenden sind am Ende die Patienten“

Physiotherapeutin Kerstin Rethemeier sprach bei der Kundgebung über die geplante Ausgliederung

Gespannt lauschten die Kollegen den Worten von Kerstin Rethemeier. Sie lassen sich nicht spalten. Gemeinsam kämpfen sie weiter.

Seesen. Schon bei der jüngsten Betriebsversammlung beeindruckte Physiotherapeutin Kerstin Rethemeier ihre Kollegen. Seit 32 Jahren arbeitet sie im Seesener Krankenhaus in der Neurologischen Rehabilitation für Erwachsene. Als sie vom Betriebsratsvorsitzenden Oliver Kmiec gefragt wurde, ob sie auch bei der Kundgebung sprechen würde, musste sie nicht lange überlegen: „Natürlich“. Vorm Seesener Rathaus fand sie deutliche Worte. Auch mit Blick auf die angekündigte Ausgliederung des Therapiebereichs in eine Therapiegesellschaft.

Seit über drei Jahrzehnten ist sie Teil des interdisziplinären Teams, das die Neurologische Frühreha auszeichnet. Weit über Seesens Stadtgrenze hinaus genießt dieses Team einen hervorragenden Ruf. Hier stellte sie Vergleiche zur Fußballbundesliga an. Beide spielen in der höchsten Spielklasse. Wie einige Mannschaften in der Fußballbundesliga sind auch diese Mitarbeiter überregional aktiv. Das Team zeichnet sich durch Klasse, hohe Einsatzbereitschaft und Teamgeist aus. Zertifizierungen unter anderem für die Stroke Unit folgten. „Doch die Geschäftsführung hat Spieler aus dem Team genommen und sie nicht ersetzt“, so die Physiotherapeutin. Durch das hohe Engagement der Kollegen gehen die Verbleibenden bis an die Belastungsgrenze. Und auch darüber hinaus. Das wirkt sich laut der Physiotherapeutin aus – krankheitsbedingte Ausfälle folgen. „Die Pflege in allen Bereichen ist schlechter geworden“, betonte Rethemeier. „Die Leidtragenden sind am Ende die Patienten“, stellte sie klar.  Wenn immer weniger Personal die Arbeit wie zuvor machen muss, leidet die Qualität, für die Pflegekräfte ein Unding.

Doch nun die angekündigte Ausgliederung des Therapiebereichs in eine Therapiegesellschaft. Für Kerstin Rethemeier der nächste Schock: „Das ist so, als würde man die Stürmer an andere Vereine verleihen, sie dort trainieren lassen und am Spieltag sollen sie für die frühere Mannschaft auflaufen“. Wie soll da das Zusammenspiel klappen? Dabei liegt es den Mitarbeitern am Herzen, dass die Patienten vom ersten Tag in der Akutabteilung bis zum letzten Tag in der Reha optimal versorgt werden. So wie es vorher war und es diese Abteilung ausgezeichnet hat. Das Herzstück der Abteilung ist das interdisziplinäre Team, so soll es auch weiterhin sein. Deshalb kann sie, wie so viele, die Pläne nicht nachvollziehen.

Großer Applaus von den über 200 Teilnehmern der Kundgebung. Oliver Kmiec, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der Streikleitung, sagte vor Kurzem: „Die Therapeuten, genauso wie die Pflege, Ärzte und andere Beschäftigte, sehen sich als das Herz der Klinik. Von ihrem patientennahen, engagierten Einsatz lebt die Klinik. Durch die Ausgliederungsandrohung fühlen sich die KollegInnen jetzt vor den Kopf gestoßen.“ Eines ist klar, spalten lassen werden sie sich nicht. „Wir sind es wert“, betonte Kerstin Rethemeier. Auch zahlreiche Seesener waren bei der Kundgebung dabei. Auch sie wollen damit ein Zeichen setzen.syg