Die Liebe zu den Bäumen zum besonderen Beruf gemacht

Kai Junghans ist einer von vier Baumkontrolleuren der Straßenmeisterei Seesen / Allein 7.000 Einzelbäume überprüfen sie

Seit 2006 kümmert sich Straßenmeistereileiter Kai Junghans um die Baumkontrolle im Zuständigkeitsgebiet. Dafür verwendet er auch den Sondierstab, um Fäule im Wurzelbereich zu erkennen.

Seesen. Ein kühler Wind weht, Vorsicht ist geboten in 20 Meter Höhe. Stück für Stück arbeitet sich Rene Probst, Mitarbeiter der Straßenmeisterei Seesen, mit seiner Astsäge vor. „Von unten sah es besser aus, doch letztendlich war ganz viel Totholz nur in dieser Esche“, beschreibt er. 60 Alleebäume müssen in dieser Woche vom Team der Straßenmeisterei Seesen an der Allee, genauer der K 58 zwischen den Abzweigen Bornhausen und Mechtshausen, beseitigt werden. Dafür ist am heutigen Freitag noch einmal die Kreisstraße von 8 bis 15 Uhr dicht. Sie gehen davon aus, dass am Ende acht Kubikmeter Totholz zusammenkommen werden. Die gleiche Menge entfernte das Team vergangene Woche auf der B 248 von Könneckenrode bis nach Lutter. Dabei waren es hier nur 25 Bäume. Grund für die Arbeitseinsätze sind die Baumkontrollen der Straßenmeisterei Seesen.

So hoch hinaus wie sein Meistereikollege muss Kai Junghans nicht. Wenn er sich die Krone oder die Astgabelung detaillierter ansehen will, greift er in seinem Rucksack und holt das Fernglas heraus. Kai Junghans ist zertifizierter Baumkontrolleur und einer von vier Mitarbeitern der Straßenmeisterei Seesen, die dieser besonderen Aufgabe nachgehen. Das riesige Meistereigebiet, das von Rhüden bis Clausthal-Zellerfeld sowie von Goslar bis vor die Tore Bad Gandersheims und Osterode reicht, umfasst 240 Kilometer Strecke. 7.000 Einzelbäume stehen hier. Hinzu kommen unter anderem noch jene in den Böschungen, so dass es unter dem Strich 50.000 sind. Alles ab zehn Zentimeter Stammumfang ist quasi Baum, ab einem Alter von 15 Jahren treten laut Kai Junghans die ersten Alterserscheinungen ein. Das erfordert Kontrollen. Deshalb werden unter anderem alle 7.000 Einzelbäume einmal im Jahr unter die Lupe genommen, davon allein 3.500 durch Kai Junghans. „Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht“, beschreibt Straßenmeistereileiter Frank Rüffer seinen Mitarbeiter.


Viel Erfahrung, Wissen und vor allem die Liebe zu Flora und Fauna braucht es. „Ich bin quasi im Wald groß geworden“, berichtet Kai Junghans und lächelt dabei. Seit 2006 widmet er sich dieser Aufgabe. Die Ausbildung zum zertifizierten Baumkontrolleur absolvierte Junghans an der Waldarbeiterschule in Münchehof. Sein Prüfungsobjekt war die Linde unweit der Herrhäuser Kirche. Doch er wollte noch mehr auf dem Gebiet wissen. So besuchte Kai Junghans, seiner Meinung nach die beste Schule in dem Bereich, das Hamburger Institut für Baumpflege, ermöglicht durch den Arbeitgeber. „Vor allem das Thema Artenschutz veranlasste uns dazu“, blickt Meistereileiter Frank Rüffer im Gespräch zurück. In Reinbek bei Hamburg absolvierte sein Mitarbeiter drei Profischulungen. Schließlich dienen die sogenannten Habitatbäume als Lebensräume für Tiere.  Aber auch die Schädlingskunde gehörten zum Seminarinhalt. Insgesamt eine spannende und lehrreiche Zeit, die der Baumkontrolleur nicht missen will.

Das oberste Credo lautet: Sicherheit vor dem Baumerhalt. Das steht der Richtlinie der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau entgegen, doch letztendlich agiert er nicht in einem Stadtpark sondern es geht um die Sicherheit auf den Straßen der Region. „Ich will nicht verantwortlich dafür sein, wenn ein Ast auf ein Fahrzeug fällt, indem beispielsweise ein Familie sitzt, und alle dabei sterben“, unterstreicht Kai Junghans die Bedeutung seiner Aufgabe. Lieber investiert er deshalb ein paar Minuten mehr für die Baumkontrollen. Überraschungen hat er selbst erlebt, dass sich der Zustand eines Straßenbaums innerhalb eines Jahres so verschlechtert hat, dass dieser am Ende gefällt werden musste. „Es war nur ein schmaler Ring übrig“, beschreibt Kai Junghans. Bei der letzten Kontrolle gab es dafür keinerlei Anzeichen.

Seit 2006 verfügt die Straßenmeisterei Seesen über ein Baumkataster. Daher die kleinen Marken mit Nummern beispielsweise an den Alleebäumen entlang der K 58 zwischen Bilderlahe und Rhüden. Das Kataster wird immer wieder mit Daten gefüttert. Vergleichbar ein Stück weit mit der Patientenakte samt Anamnesebogen des Menschen beim Arzt. Das für die Bäume gibt Auskünfte beispielsweise zu Vorerkrankungen und zur Bodenbeschaffenheit. Ein Din-A4-Blatt hat Kai Junghans für jeden Einzelbaum, den er an diesem Tag kontrolliert, dabei. „Befund der eingehenden Sichtkontrolle“ steht darüber.

Selbst der Kronenbereich umfasst 18 Unterpunkte, die er einzeln abarbeiten muss. Werden beispielsweise Risse, Pilzbefall an Gabelungen oder Asthöhlungen entdeckt, setzt er ein Kreuz. Ausschau halten die Baumkontrolleure unter anderem nach Hinweise für einen Brandkrustenpilz – einer der gefürchtetste holzzerstörenden Pilze –, nach dem Ulmensplintkäfer oder nach dem Triebspitzensterben. Letzteres verläuft von außen nach innen und sorgt für das Totholz. Für die Diagnose greift er als Hilfsmittel zum Sondierungsstab. Je tiefer er am unteren Stammende in den Boden reicht, umso schlechter ist es um den Wurzelbereich bestellt. „Was wir oben sehen, ist quasi noch einmal in der Erde vorhanden“, so Kai Junghans.

Die Baumkontrollsaison für das Team der Straßenmeisterei Seesen hat begonnen, bis Oktober wird er unterwegs sein. Kai Junghans ist gespannt, was ihn und seine Kollegen erwarten. Schließlich ist jeder Baum anders.syg