Drei Rehkitze vorm Mähtod gerettet

Ehrenamtliche Tierschützer sind auch im Seesener Stadtgebiet unterwegs / Sie setzen auf technische Unterstützung

Lothar Biener aus Ostlutter ist einer von 64 Freiwilligen, die als Rehkitzretter im Landkreis unterwegs sind.

Seesen. Mittwochmorgen, 4.15 Uhr, an einem Feld zwischen Bornhausen und Rhüden haben sich mehrere freiwillige Helfer versammelt. Der Bornhäuser Landwirt Kai-Uwe Menge hat die Rehkitzretter aus dem Landkreis Goslar gerufen. An diesem Tag will er auch dieses anderthalb Hektar große Feld mähen. Doch der Jagdpächter teilte ihm mit, dass er in den vergangenen Tagen mehrfach eine Ricke auf dem Areal gesichtet hatte. Mindestens ein Rehkitz wird hier vermutet. Damit es nicht wie über 100.000 Kitze jährlich einen qualvollen Mähtod sterben muss, setzt Kai-Uwe Menge seit mittlerweile drei Jahren auf die Rehkitzretter. Ihre Mission ist an diesem Morgen von Erfolg gekrönt, an diesem Feld sogar in doppelter Hinsicht – zwei Rehkitze spürten sie auf.

Initiator der Rehkitzrettung im Landkreis Goslar ist Wolfgang Moldehn, 1. Vorsitzender des Naturschutzbundes (NABU) Goslar. 2016 hatte er einen Fernsehbericht über die Rettung in Mecklenburg-Vorpommern gesehen und im Folgejahr begonnen, ein ehrenamtliches Team für den Landkreis Goslar aufzubauen. Als Kooperationspartner konnte er das Landvolk Braunschweiger Land sowie die Jägerschaften aus Seesen und Goslar gewinnen. Mit finanzieller Unterstützung durch die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung und dem Landkreis Goslar konnten die Ausrüstung beschafft werden. Richtig los mit der Rehkitzrettung, damals mit fünf Leuten und zwei Drohnen, ging es im Mai 2018. Mittlerweile stehen sieben Drohnen, davon zwei im Privatbesitz, zur Verfügung. Das Helferteam ist auf 64 ehrenamtliche Tier- und Naturfreunde angewachsen, sieben Piloten inklusive. „Wir brauchen noch viel mehr, um die Aufträge abzuarbeiten, zudem können alle nicht immer“, unterstreicht Wolfgang Moldehn. Über 90 Rehkitze haben sie in den vergangenen beiden Jahren vor dem Mähtod gerettet.

Wer sich als Rehkitzretter engagieren will, muss vor allem eines, früh aufstehen. An diesem Tag treffen sie sich um 3.55 Uhr am Dorfplatz in Bornhausen, alle fahren gemeinsam zum Einsatzort. Aus verschiedenen Orten und Himmelsrichtungen sind sie angereist. Mit dabei sind unter anderem Lothar Biener aus Ostlutter und Anna-Katharina Huhn aus Seesen. Für sie ist es der zweite Einsatz dieser Art. Aus ihrer passiven Mitgliedschaft im NABU ist mittlerweile eine aktive geworden. Die Liebe zur Natur treibt sie so frühmorgens an. Das Ambiente entschädigt, auch wenn kein Kitz gefunden wird, was sie auch als positiv wertetet, verrät die Seesenerin. Sie trägt einen weißen Wäschekorb, mit dem wird das Rehkitz abgedeckt, damit Kai-Uwe Menge von seinem Trecker es sieht. Nach der Mahd legt er den Korb beiseite. Das hat sich bewährt. Am Anfang wurde das Fundtier nur mit einem Stock markiert, hat auch funktioniert, aber die Gefahr, dass der umkippt, war zu groß.

Am Himmel bewegt sich eine Drohne über das Feld. „Schaut einmal an den Bäumen“, gibt der Bornhäuser Landwirt einen Hinweis. Gekonnt steuert Nadine Vollbrecht die Drohne. Gegen Ende der Saison 2019 stieg sie ein und ist, wie ihre Mitstreiter, seitdem mit viel Herzblut und Einsatz dabei. Die Helfer stapfen durchs feuchte Gras, suchen jene Stelle ab, die auf dem Monitor etwas vermuten lässt. Erst sind es zwei Dachslöcher, dann heißt es: Hier liegt eines. In unmittelbarer Nähe sogar ein weiteres. Kai-Uwe Menge ist unendlich froh, vom Trecker aus hätte er die Kitze nicht gesehen. Leider kennt er auch die andere, nicht so schöne Seite, als er ein Feld bei Mechtshausen mähte. Plötzlich streckte ein Rehkitz den Kopf hoch. Viel zu spät.

Der Einsatz bewegte alle, entschädigt und zeigt, wie wichtig ihre Arbeit ist. Drei Wiesen bei Bornhausen wurden am Mittwoch überflogen, dazu die an der Rhüdener Kläranlage und eine Streuobstwiese bei Seesen. Drei Tiere wurden gefunden. Kai-Uwe Menge hatte um 12.30 Uhr das Feld fertig gemäht. „Ich habe für eine Fasanenhenne eine satte Vollbremsung hingelegt“, teilte er mit. Übrigens haben die Retter auch heute drei Einsätze, davon zwei rund um Seesen. Elf Wiesen sind es dann schon.syg