Ein Fußball-Weltenbummler wird 80

Seesener Klaus Ebbighausen hat mit Dutzenden Teams 60 Länder bereist / Corona „zwingt“ ihn zu bleiben

Mit der äthiopischen Herren-Nationalmannschaft gewann Ebbighausen im Jahr 1987 die Ost- und Zentralafrikanische Meisterschaft. Der damalige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder (rechts) zeichnet Klaus Ebbighausen hier mit der Verdienstnadel des DFB aus.

Seesen. Vermutlich wäre er aktuell gar nicht hier, hätte seinen 80. Geburtstag irgendwo in Süd-Ost-Asien gefeiert. Zusammen mit Freunden aus seiner Zeit als Fußball-Entwicklungshelfer. Denn Klaus Ebbighausen verbringt die europäischen Winter lieber im „Warmen“, in Thailand, Laos, Vietnam oder Kambodscha. Lediglich in den Sommermonate ist er in seiner alten Heimat, in Seesen, zu finden. 25 Einsätze hat er zwischen 1976 und 2000 im Ausland übernommen und dabei unzählige Jugendliche und Erwachsene beim Fußballspielen vorangebracht. Als Arbeit sah er das nur selten an. „Ich hatte das Glück, mein Hobby zum Beruf machen zu können“, sagt er heute.

Geboren in Osterode verbrachte der junge Klaus die ersten elf Lebensjahre in Seesen. Anschließend ging es nach Hannover – sein Vater bekam dort eine Stelle als Lokführer. Die nächsten elf Jahre wohnte er in der Landeshauptstadt, absolvierte eine Lehre zum Groß- und Industriekaufmann. Auch fußballerisch war er aktiv. In Seesen konnte er von der heimischen Wohnung aus direkt auf den VfL-Platz schauen und bolzte mit Freunden auch selbst. Mit 15 Jahren startete dann bei Arminia Hannover die durchaus beachtenswerte eigene Karriere. Er wechselte in der A-Jugend zu Hannover 96. Beruflich ging es im Jahr 1963 nach Karlsruhe, wo er beim dortigen KSC in der Amateur-Oberliga kickte. Beruflich ging es quer durch Deutschland, weitere sportliche Stationen waren die Freien Turner Braunschweig und die Kickers Nürnberg. Obwohl in der 3. und 4. Liga aktiv, war das alles nur nebenberuflich.

1971 begann sein Trainerdasein mit einem Lehrgang in Barsinghausen und der B-Lizenz. Dass ihn das wenige Jahre später durch die halbe Welt führen würde, war da aber noch nicht absehbar. Zwei Jahre später absolvierte er in Hennef einen weiteren Lehrgang, der in der A-Lizenz mündete. Damit nicht genug, 1975 studierte er an der Sporthochschule in Köln und durfte sich nach erfolgreichem Abschluss Fußball-Lehrer nennen. „Da ich kein Profi war, war es gar nicht einfach, da reinzukommen. Doch meine guten Abschlüsse bei den vorherigen Lehrgängen haben gereicht“. Mit zweimal „Sehr gut“ im theoretischen und mündlichen Teil schnitt er auch nun wieder hervorragend ab. Lediglich beim praktischen Teil reichte es „nur“ zu einem „Befriedigend“. Damit war alles geebnet für eine große Trainerkarriere.

Das Nationale Olympische Komitee (NOK) kam auf ihn zu und fragte nach, ob Interesse bestünde, im Ausland zu arbeiten. Es bestand. Nach einem Englisch-Kurs sollte es 1976 eigentlich in die Karibik nach Trinidad und Tobago gehen. „Da bin ich aber krank geworden, deshalb hat sich das zerschlagen“, erzählt der Seesener. Doch nur wenig später ging es dann doch los. Statt in die Karibik jedoch nach Westafrika, nach Sierra Leone. Sudan und Nigeria waren die nächsten Stationen. Jeweils für ein Jahr trainierte er die Nationalmannschaften und bildete Trainer aus. Längerfristig liefen die Verträge nur selten. Auch, wenn Ebbighausen keine Reichtümer anhäufte, es waren oft finanzielle Gründe. Denn die meisten Staaten, in denen er anheuerte, waren damals bettelarm. Schon die Kosten für Unterkunft und teilweise die Familie waren nur schwer aufzubringen. Die meisten Verträge wurden über das NOK abgewickelt und auch die Sportentwicklungshilfe des Auswärtigen Amtes war in der Regel mit involviert.

Im Dezember 1979 ging es das erste Mal nach Asien: Pakistan war das Ziel. Im Anschluss gab es einiges zu jubeln. Schon 1980 war er wieder in Afrika und siegte mit der U17 Somalias bei der Ost- und Zentralafrikanischen Meisterschaft. Mit der Auswahl von Bophuthatswana (heute ein Teil Südafrikas) gewann er 1984 ein südafrikanisches Turnier. 1987 siegte er, diesmal mit der äthiopischen Herren-Nationalmannschaft, ein zweites Mal bei der Ost- und Zentralafrikanischen Meisterschaft. „Äthiopien hatte vorher 20 Jahre lang keine internationalen Titel mehr gewonnen. Da waren alle natürlich total glücklich und ich so bekannt wie der Staatspräsident“, erinnert sich der Fußballlehrer. Ein Empfang bei eben jenem Staatspräsidenten und der gesamten Regierung durfte natürlich nicht fehlen.

Als seinen größten (sportlichen) Erfolg sieht er aber noch etwas anderes an: 1991 qualifizierte er sich mit dem Sudan für die U17-Weltmeisterschaft, die damals in Italien stattfand. Ein Riesenerlebnis für alle Beteiligten. Nach einem 4:1-Sieg über die Vereinigten Arabischen Emirate, ging es sogar gegen sein Heimatland. 1:3 hieß es am Ende gegen die DFB-Auswahl bei der unter anderem spätere Profis wie Christof Babatz, Kai Michalke, Christian Fiedler oder Jens Rasiejewski mitspielten. Gegen Brasilien brauchte es anschließend einen Punkt für das Weiterkommen – der wurde beim 0:1 nur knapp verpasst.

In den 90er-Jahren war er oft in Asien. Kambodscha, Indien, Usbekistan, Vietnam oder Sri Lanka hießen die Stationen. Und dabei trainierte Ebbighausen oft nicht nur die Fußballer. Als Entwicklungshelfer bildete er auch Trainer aus und brachte diesen vor allem bei, wie sich mit wenig Material viel anstellen ließ.

„Einfach nur eine Mannschaft zu trainieren, das hat mir nicht gereicht“, begründet er. Daher blieb er auch nicht lange bei seiner einzigen Station in Deutschland: 1986, als sein Vertrag in Südafrika ausgelaufen war, wurde er vom VfL Seesen verpflichtet. Er sollte den damals zweimal in Folge abgestiegenen Verein zurück in die Erfolgsspur bringen. Aus der Verbands- und der Landesliga war der VfL in die Bezirksoberliga gerutscht. „Da war aber nicht viel zu machen. Es waren kaum noch Spieler aus der Mannschaft zuvor da und mit den neuen hat es nicht gereicht“. Am Ende stiegen die Seesener wieder ab, Klaus Ebbighausen war da schon wieder ganz woanders unterwegs.

In all den Jahren hatte er nur einmal eine gefährliche Situation zu überstehen. In Bophuthatswana kam er in einen Aufruhr junger Menschen gegen die Staatsmacht. Da er in einem Regierungsfahrzeug unterwegs war, drehte er schnell um und fuhr in die andere Richtung. „Ich hatte das Glück, dass so etwas nur einmal vorkam. Von anderen Trainern habe ich das schon einige Male öfter gehört“. Natürlich versuchten auch Staatspräsidenten immer mal wieder, ihm in seine Arbeit reinzureden. Im Grundsatz konnte er aber immer gut arbeiten.

Die Arbeit ist natürlich nicht mit dem zu vergleichen, wie es die meisten professionellen Trainer heutzutage und hierzulande kennen. Teilweise brachte er das Trainingsmaterial aus Deutschland mit. In einem Land hatte der Verband für seine Jugendmannschaft nicht genug Geld, um allen Spielern Schuhe zu besorgen, sodass beim Training immer einige zuschauen mussten. Teilweise musste sich Ebbighausen auch darum kümmern, dass die Jungs überhaupt genügend zu Essen bekamen. Für eine Einladung war seine Mannschaft einmal drei Tage lang unterwegs. Von Sierra Leone in Westafrika ging es zunächst nach Amsterdam, dann nach London, weiter nach Nairobi ehe man im südostafrikanischen Malawi ankam. Natürlich ohne Übernachtung in schicken Hotels, sondern lediglich auf den Flughäfen. Direkte Flugverbindungen quer durch den afrikanischen Kontinent gab es damals nicht. „Das war einfach eine andere Zeit. So etwas ist heute nicht mehr vorstellbar“.

Allgemein betrauert er ein wenig die „alte“ Zeit in Afrika. „Das ist dort heute alles nicht mehr so wie damals, alles viel aggressiver und nicht mehr mit so viel Freude. Die Kultur dort hat sich sehr verändert“. Daher ist er auch schon lange nicht mehr in Afrika gewesen. Stattdessen hat er sich in Thailand „verliebt“.
In den letzten Jahren seiner Tätigkeit war er vor allem in Asien unterwegs. Zuletzt ein weiteres Mal über einen privaten Vertrag in Bhutan. Doch nach einem privaten Schicksalsschlag kurz zuvor war die Motivation ein wenig weg. Nach 24 Jahren beendete er im Jahr 2000 seine internationale Trainerkarriere. Natürlich nicht ohne diverse Ehrungen. Unter anderem erhielt er vom langjährigen Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees Walter Tröger eine Auszeichnungsurkunde für großartige Leistungen in der Sportentwicklungshilfe und vom DFB eine Verdienstnadel. In seiner Zeit hat er rund 60 Länder gesehen, zehn Reisepässe und zwei Dienstausweise mit Stempeln vollbekommen.

1982 baute er in Thailand nicht nur die Jugend-Nationalmannschaft auf. Er lernte das Land lieben und lebt heute, wenn nicht gerade eine Corona-Pandemie herrscht, die größte Zeit des Jahres dort. Lediglich im Sommer wohnt er in einer kleinen Wohnung in Seesen. Ansonsten ist er in Thailand und reist von dort in umliegende Staaten. Dabei trifft er auch heute noch immer wieder ehemalige Spieler und Freunde aus seiner aktiven Trainerzeit.
Nun ist Klaus Ebbighausen, der Fußball-Weltenbummler aus Seesen, 80 Jahre alt. Dazu wünscht auch der Seesener „Beobachter“ alles Gute für die Zukunft.dh