Ein Kinderarzt für Seesen wird weiter dringend gesucht

Die Bewerbungsfrist ist abgelaufen / Viel Hoffnung kann die Kassenärztliche Vereinigung nicht machen

Seesen. Interessierte ja, aber mehr letztendlich nicht. Es war zu vermuten, dass sich auf die ausgeschriebene Kinderarztstelle in Seesen bis vergangenen Freitag niemand bewirbt. Wie der Geschäftsführer der Bezirksstelle Göttingen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Harald Jeschonnek, auf Anfrage des „Beobachter“ mitteilte, kam es auch so, es liegen keine Bewerbungen auf seinem Tisch. Zwar gab es potentielle Kinderärzte, die sich nach der Ausbildung in Göttingen für die Stelle interessierten, doch eine Praxis im Göttinger Umland oder in Northeim ist ihnen dann lieber als zwischen Göttingen und Seesen zu pendeln. Denn viele wollen in Göttingen bleiben. Wie der „Beobachter“ berichtete, gibt Diplom-Mediziner Detlef Langer, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, nach 25-jähriger Praxistätigkeit diese nun am 1. Januar 2020 auf. Vieles deutet darauf hin, dass Seesen auf eine Versorgungslücke zusteuert.

Eine Sache, die aber auch Silvia Thiele wütend macht. Sie und ihr Mann waren es vor vier Jahren, die mit einer Unterschriftenaktion für die Ansiedlung eines zweiten Kinderarztes kämpften. Über 1.000 Unterschriften kamen zusammen. Und was passiere, so fragte sie bereits im Jahr 2015, wenn der einzige Kinderarzt vor Ort, in einigen Jahren nicht mehr praktiziere. Habe man dann gar keinen Kinderarzt mehr in Seesen? Nach Einspruch von Detlef Langer gab die Ärztin im August 2015 auf und ging woanders hin. Ein Umstand, der viele Seesener Eltern, angesichts des akuten Problems, fassungslos und wütend macht.

Im Gespräch weist Silvia Thiele auf noch ein anderes Problem hin. Für die Behandlung in der Kinderklinik in Göttingen braucht sie eine Überweisung vom Kinderarzt, die vom Hausarzt wird nicht akzeptiert.  Auch dafür müssen die betroffenen Eltern dann immense Fahrtwege in Kauf nehmen. 
Umso wichtiger wäre es, einen Kinderarzt vor Ort zu haben. Zumal laut Landesamt für Statistik Niedersachsen am 31. Dezember 2018 in Seesen 2.442 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 15 Jahre lebten, wird der Besuch des Kinderarztes bis 18 Jahre gesehen, kommen noch einmal 610 Jugendliche obendrauf.

Kapazitäten in anderen Praxen auf Prüfstand

Die Göttinger Bezirksstelle der KVN will bis Ende kommender Woche überprüfen, welche Überbrückungsmöglichkeiten es in den umliegenden Praxen gibt. Heißt, es kann sein, dass die Patientenkapazität pro Praxis aufgestockt wird. Unterdessen wird die Seesener Praxis weiter ausgeschrieben. Das kann aber auch nicht unendlich lange erfolgen. Sollte Detlef Langer wie geäußert im Januar aufhören, kann die Praxis bis maximal Juni 2020 als offen gemeldet werden. Dann wird sie quasi einkassiert, denn der Landkreis Goslar hat laut Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit Stand vom 31. Dezember 2017 zu viele Ärzte. Acht Kinderärzte mit siebeneinhalb Stellen sind es derzeit. Eine Überversorgung laut KBV, somit darf nur unter Sondergenehmigung eine zusätzliche Praxis eröffnen. Jedoch sieht es danach aus, dass gleich drei Fachkräfte auf einmal aufhören – in Seesen, Clausthal-Zellerfeld und Goslar. Laut Harald Jeschonnek wurde die Statistik überarbeitet und wird in neuer Fassung voraussichtlich im Januar 2020 vorliegen. Findet sich in Seesen ein Kinderarzt erst nach Ablauf der Frist, muss dieser erst einen Antrag auf Sondergenehmigung beim zuständigen Ausschuss stellen.

Mit Sorge verfolgt Landrat Thomas Brych die Entwicklung. Er steht mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung in Kontakt. Das Thema wird auch im Steuerungsausschuss der Gesundheitsregion behandelt. „Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass es keine einfachen Lösungen geben wird, und sich die Suche der KVN nach geeigneten Nachfolgern langwierig gestalten könnte“, so der Landrat auf Anfrage. Es zeichnet sich bereits ab, dass der Wettbewerb um die wenigen ausgebildeten Kinder- und Jugendmedizinier entfacht ist.syg