Geplante Kastanienfällung schlägt hohe Wellen: „Unüberlegt und unprofessionell”

Willi Schöbel, Geschäftsführer der Verkehrswacht, kritisiert Entscheidung des Verkehrsausschusses / Ausschussvorsitzende Ernst Pahl (CDU) und Patrick Kriener (SPD) verteidigen einstimmiges Votum

Seesen. Hohe Wellen schlägt seit Beginn dieser Woche der Beschluss des Verkehrsausschusses, die Kastanie am Fußgängerüberweg der Lautenthaler Straße aus Gründen der Verkehrssicherheit fällen zu wollen. In Leserbriefen haben bereits Beobachter-Leser ihren Unmut geäußert. Wer sich in der Stadt umhört, der stößt hier auf viel Unverständnis. Sogar von einem Schildbürgerstreich ist bereits die Rede. Der Verkehrsausschuss hat sich die Entscheidung, den Baum fällen zu wollen, nach eigenen Angaben indes nicht leicht gemacht. Das erklärten sowohl der Vorsitzende Ernst Pahl (CDU) aus Rhüden und auch sein Stellvertreter Patrick Kriener (SPD) aus Engelade. Die Fällung sei aber notwendig und richtig.

Zur Vorgeschichte: Der Verkehrsausschuss der Stadt Seesen hatte sich mit dem Thema Schulwegsicherheit an der Lautenthaler- und der Hochstraße in der vergangenen Woche befasst. Konkret geht es um eine alte Kastanie, die an der Lautenthaler Straße steht und die Sicht auf den dortigen Zebrastreifen einschränkt. „Zwar gab es bisher keine Unfälle an dieser Stelle, aber die Kastanie verdeckt eindeutig die Beschilderung des Fußgängerüberwegs“, erklärte dazu Lothar Niemann von der Polizei. Er sitzt gemeinsam mit einigen Ratsmitgliedern und weiteren parteilosen Beratern und kooptierten Mitgliedern wie Markus Franke – von der Verkehrswacht – im Verkehrsausschuss.

Petra Borchert vom Ordnungsamt der Stadt Seesen hatte die rechtliche Lage erläutert: „Ein Fußgängerüberweg unterliegt besonderen Richtlinien, im konkreten Fall der Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001). Bei einer erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h muss der Bereich auf eine Entfernung von 50 Metern einsehbar sein. Sind 30 Stundenkilometer erlaubt, müssen Autofahrer den Zebrastreifen 30 Meter vorher überblicken können.” Beides sei an der Kreuzung Lautenthaler Straße / Jahnstraße nicht der Fall. Bisher hatten hier noch zwei Schülerlotsen den Verkehr geregelt, inzwischen begleitet nur noch eine Verkehrshelferin die Schüler auf ihrem Schulweg – zu wenig, wie die Mitglieder des Verkehrsausschusses beschlossen. Die Schülerlotsen sind weg, niemand will derzeit den Job machen. Auch dieses Detail sollte nicht unerwähnt bleiben.

„Der Schutz des Schulverkehrs hat hier Vorrang“, so Frank Hencken. Der Verkehrsausschuss hatte sich – nach „Beobachter”-Informatioen sogar einstimmig – dafür ausgesprochen, die Kastanie zu fällen und dafür an anderer Stelle im Stadtgebiet einen neuen Baum zu pflanzen.

Einer, dem diese Idee überhaupt nicht in den Kram passt, ist Wilhelm Schöbel, seines Zeichens Geschäftsführer der hiesigen Verkehrswacht. Er hatte den „Beobachter” in dieser Woche angerufen und von einem unüberlegten und unprofessionellen Herangehen an ein sensibles Thema gesprochen.

„Wie von mir bereits im Dezember letzten Jahres betont wurde, sollten sich sämtliche Beteiligte wie Schulelternrat, Umweltschützer, der Fachbereich der Stadt Seesen, Polizei etc. zwecks Analyse zunächst an einen runden Tisch setzen, um einen praktikablen Konsens zu finden. Ich sehe hier operative Hektik, um ein Problem, das nicht erst seit gestern exisiert und ständig ignoriert und gedeckelt worden ist, flott wegzudrücken. Gleichzeitig versucht man meiner Einschätzung nach eine Taktik der Beschwichtigung.

Schulwegsicherung mit dem Dampfhammer funktioniert selten und wird der Bedeutung dieses komplexen Themas im vorliegenden Fall nicht gerecht”. Soweit Schöbels knackige Aussagen, die nicht überall auf Gegenliebe stoßen werden.

In der Verkehrswacht dürfte die Sichtweise überraschen, denn deren Vorsitzender Patrick Kriener ist hinter dem Verkehrsausschussvorsitzenden Ernst Pahl (CDU) wie erwähnt der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses und somit offensichtlich als Vorsitzender der Verkehrswacht ganz anderer Meinung als Geschäftsführer Schöbel. Gleiches gilt auch für Markus Franke als kooptiertes Mitglied.

Kriener widersprach denn auch der Darstellung des Geschäftsführers und erklärte, dass man sich sehr wohl ausgiebig mit dem Thema sowohl vor Ort und auch im Ausschuss auseinandergesetzt habe.

Gesprochen hatte der „Beobachter” auch noch einmal mit Ernst Pahl. Wie der Aussschussvorsitzende mitteilte, sei es auch ein Elternwille für mehr Schulwegsicherheit, der an die Stadt Seesen herangetragen worden ist. Zu den Äußerungen Schöbels wollte er sich gar nicht erst äußern.

Sowohl er als auch Kriener betonten noch einmal, dass sie die Entscheidung mittragen, zwar nicht leichten Herzens, aber eben aus guten Gründen. Entscheiden wird darüber nun der Verwaltungsausschuss, der in der kommenden Woche zusammentritt und dann über das Schicksal der Kastanie befinden wird.uk