Gravierende Gründe führten zur Ausschlussverfügung aus Feuerwehr

Stadtbrandmeister, Fachbereichsleiter und Münchehofs Ex-Ortsbrandmeister nehmen Stellung zu Leserbrief

In der Ausgabe des Seesener „Beobachter“ vom 11. Januar 2020 hatte sich Eckhard Pöppe, ehemaliges Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Münchehof, in Form eines Leserbriefes an die Öffentlichkeit gewandt. Inhaltlich ging es dabei um Verwürfnisse mit dem früheren Ortskommando der Wehr, insbesondere aber mit dem damaligen Ortsbrandmeister Karl Rieke. Diesem warf Pöppe in besagtem Leserbrief unter anderem ein „feiges und narzisstisches Vorgehen“ sowie „Agieren aus dem Hinterhalt im Schutz von Stadtbrandmeister und Ordnungsamt“ vor. Die entsprechende Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Die drei hier Angesprochenen, also Münchehofs früherer Ortsbrandmeister Karl Rieke, Stadtbrandmeister Jürgen Warnecke und der Leiter des Fachbereiches II (Ordnung) der Stadt Seesen, Uwe Zimmermann, suchten nun ihrerseits das Gespräch mit der Redaktion des „Beobachter“, um ein paar Sachverhalte klarzustellen.

Münchehof. Der Anfang der ganzen Geschichte reicht sogar bis ins Jahr 2007 zurück. Zur Erinnerung: Ein Nachfolger für den damaligen Ortsbrandmeister Friedrich-Wilhelm Voß wurde gesucht. Karl Rieke, damals stellvertretender Ortsbrandmeister, erklärte auf einer Dienstversammlung, dass er sich die Leitung der Feuerwehr Münchehof vorstellen könne. Eine Ausschreibung für den Posten des Münchehöfer Ortsbrandmeisters folgte, für die am Ende nur Karl Rieke eine Bewerbung abgab. „Diese Möglichkeit hätte auch jede(r) Andere gehabt“, so Rieke mit Blick auf die über die Jahre immer wieder vorgebrachte Kritik an seinem Führungsstil. Auf der Jahreshauptversammlung 2008 wurde Rieke schließlich mit fünf Gegenstimmen zum neuen Ortsbrandmeister gewählt.

Schon kurz nachdem er im Jahr 2008 die Nachfolge angetreten hatte, seien ihm Steine in den Weg gelegt worden, erinnert sich Karl Rieke. So habe er sich seinerzeit beispielsweise einen Überblick über die finanzielle Situation der Jugendfeuerwehr Münchehof verschaffen wollen. Eine entsprechende Bitte auf Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen wollten ihm die damaligen Funktionsträger allerdings nicht gewähren. Was in diesem Zusammenhang nicht unwichtig ist: Besagte Funktionsträger waren in der damals noch bestehenden 2. Gruppe der Ortsfeuerwehr Münchehof aktiv, die von Dieter Pöppe, Bruder des Leserbrief-Verfassers, geleitet wurde. Diese Gruppe und die Dienstbeteiligung aller Brandschützer stellte Karl Rieke im Laufe der Jahre auf den Prüfstand. „Das geschah nicht aus rein persönlichen Motiven, wie es im Brief dargelegt wurde, sondern hatte schon einen triftigen Grund“, machte Rieke deutlich.

Die Dienstbeteiligung von einem Dutzend vertretenen aktiven Mitgliedern, einschließlich der Person Eckhard Pöppes, habe nämlich deutlich zu wünschen übrig gelassen. So wurden am 6. Juli 2014 Einladungen an die Mitglieder verschickt, die Sache mit der Dienstbeteiligung bei einer gemeinsamen Sitzung, bei der auch das Ortskommando anwesend war, zu regeln. Acht Tage später saßen alle zusammen. „Und so haben wir versucht, genau dieser Gruppe entgegenzukommen, indem wir ihnen mit einem vertraglichen Beschluss eine neue Chance gaben“, unterstreicht Stadtbrandmeister Jürgen Warnecke im Gespräch. Festgelegt wurde in dem Beschluss, den alle, auch Eckhard Pöppe, bereits mit ihrer Unterschrift in der Anwesenheitsliste quasi unterschrieben hatten, dass sie sich bereit erklären, künftig mindestens 50 Prozent der Dienste zu leisten.

Mit der erbrachten Unterschrift erklärten sie sich auch einverstanden mit den festgelegten Konsequenzen. Heißt konkret, werden die (in absoluten Zahlen) 22 Dienste pro Jahr nicht geleistet, verlieren die Aktiven ihre Einsatztauglichkeit samt aktivem Status und werden fortan als passives Mitglied der Ortsfeuerwehr Münchehof geführt. Zudem muss die Uniform bei der Kleiderkammer abgegeben werden. Jeder hat ein Protokoll der Sitzung erhalten. Überprüft wird das Ganze vom Orts- und vom Stadtbrandmeister gemeinsam. Laut Jürgen Warnecke hatte man dem entsprechenden Personenkreis sogar das Zugeständnis gemacht, dass auch die Teilnahme an den Diensten in der Alters- und Ehrenabteilung, die sich einmal im Monat trifft, anerkannt wird. So stellt der 14. Juli 2014 für die Gruppe quasi einen Neuanfang dar.

In der Folge wurde der Graben zwischen Ortsbrandmeister und einem Teil der erwähnten Aktiven immer größer. Das Ganze kulminierte dann in der Auflösung der 2. Gruppe. Zur Erklärung: Nachdem Dieter Pöppe als Gruppenführer ausschied, ging es um die Wahl eines neuen Gruppenführers. Aufgrund diverser Vorfälle, die mit der Jugendfeuerwehr in Zusammehang stehen, lehnten das Ortskommando und der Ortsbrandmeister den Vorschlag ab. Ortsbrandmeister Karl Rieke entschied „kraft Amtes“ – diese Wortwahl prangerte Eckhard Pöppe im Leserbrief an – die Aktiven neu aufzustellen. Es gibt nur noch eine Gruppe in der Einsatzabteilung, die sich gemeinsam einmal die Woche zum Dienst trifft. Daraufhin traten weitere Mitglieder der 2. Gruppe aus der Ortsfeuerwehr aus.

Dann folgte die im Vertrag angekündigte Überprüfung der Dienstzeit. „Sogar anderthalb Jahre haben wir allen gegeben“, so der Seesener Stadtbrandmeister. Anhand der Auswertung des Dienstbuches, die dem „Beobachter“ vorlagen, war zu erkennen, dass Eckhard Pöppe die geforderten Dienste – also mindestens 22 im Jahr – nicht geleistet hatte. Von 2006 bis 2013 nahm er an nur 67 Diensten teil, in diesem Zeitraum hätten es aber mindestens 154 Dienste sein müssen. Von 2014 bis 2015 waren es nur vier Dienste. Dass Eckhard Pöppe im Jahr 2004 eine Herz-OP hatte, wurde sogar vom Ortsbrandmeister vermerkt. Starker Tobak: Pöppe wirft im Leserbrief den Verantwortlichen sogar vor, „das Dienstbuch manipuliert und Anwesenheitslisten geändert“ zu haben. Denn ein Dienstbuch ist als Dokument anzusehen, eine Abänderung käme dem Straftatbestand der Urkundenfälschung gleich. Es könne zwar schon einmal vorkommen, dass eine Korrektur vorgenommen werden müsse. Diese sei dann aber mit einem Namenskürzel versehen, um den Urheber klar zu identifizieren, macht der Stadtbrandmeister deutlich.

Aufgrund der bereits erwähnten unzureichenden Dienstteilnahme, sah sich der Stadtbrandmeister mit Schreiben vom 19. Januar 2016 veranlasst, von Eckhard Pöppe die Rückgabe der Uniform einzufordern. Er werde fortan als passives Mitglied der Feuerwehr Münchehof geführt. Seitdem wurde er folgerichtig nicht mehr in den Dienstbüchern und Teilnehmerlisten geführt. In der Folge kam es auf Dienstversammlungen immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen mit beleidigendem Charakter – diese wurden zum Teil sogar mit Zustimmung aller Anwesenden, inklusive Eckhard Pöppe, im Originalton mitgeschnitten. Dies in Verbindung mit der mangelnden Dienstbeteiligung und in Leserbriefen öffentlich vorgebrachten Anschuldigungen führte schließlich dazu, dass das achtköpfige Ortskommando so gut wie einmütig entschied, ein Ausschlussverfahren gegen Eckhard Pöppe einzuleiten, was wiederum der Stadt Seesen obliegt.

Zur Erklärung: Der von Eckhard Pöppe im Leserbrief vorgebrachte „Denkanstoß“, die Feuerwehren im Stadtgebiet Seesen sollten doch dem Beispiel der Satzung der Kreisstadt-Brandschützer folgen, derzufolge seines Erachtens bei einem „schwerwiegenden Schritt“ wie einem Ausschluss zwei Drittel aller Aktiven zustimmen müssten, widersprachen Jürgen Warnecke und Uwe Zimmermann vehement. Hier wie dort gelte: Über die Einleitung eines Verfahrens zum Ausschluss aus der Freiwilligen Feuerwehr beschließt das Ortskommando. Das Verwaltungsverfahren wird durch die Gemeinde geführt“.

Über das Ausschlussverfahren wurde Pöppe von Ortsbrandmeister Karl Rieke schriftlich am 30. März 2017 in Kenntnis gesetzt. „Damit es soweit kommt, müssen schon gravierende Gründe vorliegen“, unterstreicht denn auch Fachbereichsleiter Uwe Zimmermann. Wie er erklärte, greife hier das Niedersächsische Brandschutzgesetz, das unter anderem regelt, wann die Voraussetzungen für einen Ausschluss gegeben sind. Und das ist beispielsweise der Fall, wenn das Mitglied „wiederholt seine Pflicht zur Teilnahme am Einsatz- und Ausbildungsdienst verletzt, wiederholt fachliche Weisungen der Vorgesetzten nicht befolgt, die Gemeinschaft innerhalb der Feuerwehr durch sein Verhalten erheblich stört, das Ansehen der Feuerwehr geschädigt hat“. „Schon einer dieser Gründe hätte einen Ausschluss gerechtfertigt“, so Zimmermann weiter. In diesem Fall könne man sogar von drei Gründen ausgehen.

Eckhard Pöppe nahm Stellung, indem er sich knapp drei Wochen später schriftlich an alle Mitglieder der Ortsfeuerwehr wandte und den zwischen ihm und dem Ortsbrandmeister seit Jahren bestehenden persönlichen Konflikt aus seiner Sicht darstellte. Die Möglichkeit zur Stellungnahme wurde ihm dann nochmals eröffnet, nachdem im Oktober 2017 das Ortskommando unter der Leitung des neuen Ortsbrandmeisters Jens Nolte einstimmig für den Ausschluss Pöppes votiert hatte.

Was dann kam, ist schnell erzählt: Im Februar 2018 ordnete die Stadt Seesen nach eingehender Prüfung aller vorliegenden Fakten den Ausschluss an, gegen den Eckhard Pöppe wenige Wochen später, am 5. April, Klage erhob und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte. Doch bevor das Ausschlussverfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig Fahrt aufnehmen konnte, gab es eine überraschende Ankündigung seitens des Rechtsanwalts Eckhard Pöppes. Der teilte Ordnungsamtschef Uwe Zimmermann nämlich mit, dass sein Mandant seinen freiwilligen Austritt aus der Feuerwehr erklären würde, wenn denn im Gegenzug die Stadt Seesen die Verfügung zurücknähme. Darauf einigten sich beide Seiten. Kurios dabei: Kurze Zeit später beantragte Eckhard Pöppe die Wiederaufnahme in die Ortsfeuerwehr Münchehof. Das Ortskommando entschied einstimmig, diesem Antrag nicht zu folgen. Damit wollte sich der Münchehöfer nicht abfinden und reichte Klage beim Verwaltungsgericht ein. Diese hat er aber Anfang dieses Jahres wieder zurückgezogen, bestätigte Uwe Zimmermann auf Anfrage.

Hätte Bürgermeister Erik Homann tatsächlich „alle Fakten geprüft“, was Eckhard Pöppe nicht so recht glauben mag, dann, so mutmaßt er in seinem jüngsten Leserbrief, „wäre er wahrscheinlich zur gleichen Auffassung wie das Verwaltungsgericht Braunschweig gekommen, das den Ausschluss für ungerechtfertigt und unangemessen hält“.

Nun hat das Verwaltungsgericht zwar festgestellt, dass „die Klage voraussichtlich zulässig“ und „voraussichtlich auch begründet“ gewesen sei; letztlich bleibt alles jedoch reine Spekulation, da es durch die gütliche Einigung im Vorfeld nicht zum Verfahren samt Urteil kam. Außerdem hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem ähnlichen Fall 2015 wie folgt beschlossen: „Ein grundlegend gestörtes bzw. zerrüttetes Vertrauensverhältnis zwischen einem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und einem erheblichen Teil der übrigen Mitglieder und/oder seinen Vorgesetzten kann einen den Ausschluss des Mitglieds rechtfertigenden wichtigen Grund darstellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Auszuschließende das aufgetretene Zerwürfnis verursacht hat oder in welchem Maße auch das Verhalten anderer Personen dazu beigetragen hat.“syg/kno