Gründen im ländlichen Raum: Die Einstellung macht es

Podiumsdiskussion mit Frank Oesterhelweg, Stefan Muhle und Bürgermeister Erik Homann

Im Jacobson-Haus diskutierten (ab 2. von links) Frank Oesterhelweg, Stefan Muhle und Bürgermeister Erik Homann.

Seesen. Es ist wohl die Wunschvorstellung aller kleineren Kommunen im ländlichen Raum: Junge Menschen anziehen, die vor Ort ihr eigenes Unternehmen gründen, dadurch Arbeitsplätze schaffen und sich mit anderen Start-Up-Unternehmern vernetzen. Doch wie wird aus dem Traum Realität? Mit dieser Frage haben sich die Teilnehmenden der Tagung „Entrepreneurship im ländlichen Raum“ beschäftigt, die in enger Kooperation zwischen dem Entrepreneurship Hub der Ostfalia Hochschule und TU Braunschweig und der Stadt Seesen im Jacobson- Haus und online stattgefunden hat. Neben den Referenten zum Thema waren auch der Vizepräsident des Landtags, Frank Oesterhelweg, Stefan Muhle, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung sowie Erik Homann, Bürgermeister der Stadt Seesen zugegen.

Denn in der Sehusa-Stadt will man den großen Traum verwirklichen: „Es ist sicherlich ein dickes Brett, das wir hier bohren wollen“, erklärte Bürgermeister Erik Homann in seiner Begrüßung. Immerhin sind die Gründungen deutschlandweit in den vergangenen Jahren zurückgegangen, im weltweiten Ranking der gründungsfreundlichsten Länder liegt Deutschland gerade mal auf Platz 125. „Das liegt zum einen an komplizierten Verwaltungsprozessen. Zum anderen aber auch an unserer Geisteshaltung und dem Bedürfnis nach Sicherheit. Hier gibt es Optimierungsbedarf – junge Unternehmer müssen in ihren Ideen unterstützt werden, sollen auch mal Experimente wagen dürfen.

Wir müssen im Gegenzug an unseren Stellschrauben drehen, beratend und inspirierend tätig werden. Gründungen werden getragen von Visionen und Leidenschaft, es braucht Feuer und Emotionen. Und wir können dieses Feuer entzünden“, davon ist Erik Homann überzeugt. Stefan Muhle unterstrich in seiner Rede die Bedeutung der richtigen Einstellung: „Hier in Seesen kommen wir deswegen voran, weil das Mindset stimmt. Wir kommen dann voran, wenn wir das Thema Entrepreneurship zur Chefsache machen. Aber: Einer allein kann keine Aufgabe lösen.“ Ein gutes Netzwerk sowie Digitalisierung sind für Gründungsvorhaben im ländlichen Raum unerlässlich - das weiß auch Markus Wölk, Mitbegründer des Start Ups „Trust your food“ aus Lüchow-Dannenberg. „Wir haben so richtig im ländlichen Raum gegründet. Aber unser großer Vorteil: Wir haben Glasfaser! Ohne würde das alles nicht funktionieren.“ Als ehemaliger Berliner kann Wölk auch die Unterschiede im Ansehen von Gründern auf dem Land und aus dem urbanen Raum beurteilen: „Niemand würde die Kompetenzen eines Gründers aus Berlin in Frage stellen.

Als Gründer aus dem ländlichen Raum muss man immer mehr machen, hier gibt es viele Vorbehalte. Erfahrene Gründungspartner sind daher so wichtig, auch bei der Finanzierungsfrage. Man braucht einfach ein richtiges Gründungsnetzwerk um Fuß zu fassen.“ Wie der Aufbau eines solchen Netzwerks auch im ländlichen Raum gelingt, hat Jan Niklas Kott von der Stadt Seesen erläutert: Der Projektmanager des Seesener Coworking Spaces „NewKammer“ gab einen Einblick in die bisherigen Veranstaltungen und die Zusammenarbeit mit dem Entrepreneurship Hub unter Leitung von Prof. Dr. Reza Asghari. „Mit Hilfe des Entrepreneurship Programms konnten wir viele Workshops umsetzen und sind als Ansprechpartner für unsere Gründer direkt vor Ort. So haben wir inzwischen ein richtiges kleines Netzwerk aufgebaut“, erklärt Kott und nennt damit gleichzeitig einen wesentlichen Vorteil von Gründungen im ländlichen Raum: Gut funktionierende Netzwerke – sofern sie einmal etabliert sind. „Man kennt sich auf dem Land einfach. Man kennt den Banker, man kennt potentielle Partner, man kennt auch die Verwaltung“, weiß auch der gelernte Landwirt und inzwischen Vizepräsident des Landtags, Bernd Oesterhelweg. „Wir haben hier kurze Wege und direkte Ansprechpartner. Oder wo sonst kümmert sich ein Bürgermeister selbst um die Ansiedlung von Neugründern?“ Doch ein gutes Netzwerk und ein engagierter Bürgermeister allein reichen noch nicht aus – laut Prof.

Dr. Reza Asghari könne man nicht erwarten, einen Coworking Space zu gründen und ein Wunder zu erleben – es brauche dazu auch auf Seiten der Verwaltung mehr. „Eine gute Wirtschaftsförderung allein kann die Herausforderung ohne andere überzeugte Akteure wie zum Beispiel die Politik nicht bewerkstelligen.“ Die richtige Einstellung sei jedoch das wichtigste Instrument, um eine erfolgreiche Gründerkultur im ländlichen Raum zu etablieren. „In Seesen können wir inzwischen bereits die ersten Früchte des Kulturwandels ernten“, resümiert Asghari. Und er unterstreicht das: Bereits vier Jungunternehmer befinden sich bereits in der Gründungsphase.red