„Herbstprinz“ und „Gräfin von Paris“ kommen vom Netteberg

Streuobstwiesen sind Oasen der Artenvielfalt: Jägerschaft Seesen kann nun mit der Unteren Naturschutzbehörde drei neue Projekte vorzeigen

Baumpflanz-Einsatz am Netteberg bei Herrhausen: Gärtnermeister Holger Ernst mit Landwirt Steffen Thudt und dem Obmann für Naturschutz der Jägerschaft Seesen, Hans Ulrich Stolzenburg (von rechts). Im Hintergrund verfolgte neugierig die Charolais-Mutterkuh-Herde von „Thudts Hof“ das Geschehen. Zweimal im Jahr soll sie künftig zum Schutz der Bäume auf der neuen Streuobstwiese stehen und grasen.

Seesen. Streuobstwiesen prägten bis in die 1950er-Jahre das Bild der Dörfer in der Region. Doch nach und nach wurden immer mehr Wiesen abgeholzt. Sie fielen der intensiven Landwirtschaft zum Opfer oder verschwanden, als an den Ortsrändern die Neubaugebiete wuchsen. Mit den Streuobstwiesen ging auch ein wichtiger Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten verloren. Viele bedrohte Tiere, die auf der sogenannten Roten Liste stehen, haben dort eine Heimat, zum Beispiel der Steinkauz oder verschiedene Wildbienen-Arten. Auf Streuobstwiesen wachsen oft alte, regionale Obstsorten, die man heute nur noch sehr selten kaufen kann. Auch sie drohen zu verschwinden. Dabei schmecken viele davon intensiver als die marktüblichen Sorten, lösen weniger Allergien aus und bilden einen wichtigen Genpool, um in Zukunft neue Sorten zu züchten.

Streuobstwiesen blühen auf

Die Jägerschaft Seesen als anerkannter Naturschutzverband hat nun mit seinem Obmann für Naturschutz, Hans Ulrich Stolzenburg, in bewährter Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde beim Landkreis, hier Mandy Henning-Hahn, für diesen Herbst drei Streuobstwiesen mit insgesamt 66 Obstbäumen auf den Weg gebracht.

In Wolfshagen beispielsweise wurde auf Initiative vom örtlichen Jagdpächter Ulrich Bauerochse auf einer Fläche von ihm und von Andreas Habig eine dort schon im Frühjahr mit 16 Bäumen angelegte Wiese mit 14 weiteren Bäumen ergänzt und erweitert. Beide Eigentümer haben sich auch bereit erklärt, die Pflege ihre Streuobstwiesen zu übernehmen. Dies ist jeweils die Voraussetzung dafür, dass es eine Förderung durch den Landkreis für die Begründung der Streuobstwiesen gibt.

Die zweite Fläche wurde bei Dr. Karl-Heinz Voß Am Kalte Bach in der Gemarkung Seesen angelegt. Er hatte dem „Beobachter“ entnommen, dass die Jägerschaft Seesen auch nach Eigentümern sucht, die Interesse haben, Streuobstwiesen auf geeigneten Flächen anzulegen. Auf seinem Areal stehen nun 16 Bäume, überwiegend hochstämmige Apfelsorten und einige Birnenbäume.

Das aber wohl größte Projekt zur Anlage von Streuobstwiesen lief vor wenigen Tagen auf den Flächen von Steffen Thudt in Herrhausen am Netteberg an. Hier wurden auf einer Fläche von etwa 4.000 Quadratmetern, die Steffen Thudt mit seinem Bio-Betrieb bewirtschaftet, nun 36 Apfel- und Birnbäume gesetzt. In Zukunft, so das Konzept, sollen die auf der Fläche produzierten Früchte im eigenen Hofladen, dem Reich von Freundin Jessica Lange, angeboten werden. „Das ist ein in sich sehr interessantes und schlüssiges Konzept“, meint denn auch Hans Ulrich Stolzenburg. Ihm sei, nach eigenen Worten, schon immer diese Fläche bei seinen Fahrten durch die Feldmark in Herrhausen als geeignet für die Anlage einer Streuobstwiese ins Auge gefallen. Und so kamen dann im März dieses Jahres die Idee und der konkrete Wunsch von Steffen Thudt zur Deckung.

Fachgerechtes Pflanzen

Ein Glücksgriff für die fachgerechte Bepflanzung der drei Flächen dürfte Stolzenburgs Entscheidung gewesen sein, nach der Einholung von Angeboten den Gärtnermeister Holger Ernst aus Salzgitter-Bad zu beauftragen. So werden die Obstbäume fachgerecht in gut vorbereitete Löcher gesetzt. Es wird ein Startdüngung eingebracht und die Wurzeln werden von einem engmaschigen Sechseckgeflecht umgeben, um so für einen Schutz gegen den gefährlichen Verbiss der Wühlmaus zu sorgen. Dann werden noch jeweils neben das Geflecht gleich zwei Pflöcke eingerammt, um diese dann mit Gurten mit den Bäumen zu verbinden. So wird dafür gesorgt, dass die Bäume in den nächsten Jahren auch aufrecht anwachsen und sich mit ihren Kronen entwickeln können. Holger Ernst hat die Eigentümer auch jeweils unterrichtet, wie in den nächsten Jahren die erforderliche Erziehungsschnitte zu erfolgen haben. Gleichzeitig hat er sich bereit erklärt, dann im Frühjahr 2023 bei dem ersten Erziehungsschnitt dabei zu sein.

Eine Besonderheit wird es noch beim Schutz der Bäume auf der Fläche von Steffen Thudt geben. Er hat sich entschieden, eine nachhaltige zweimalige Beweidung seiner Fläche mit Rindern durchzuführen. Aus diesem Grund hat sich Hans Ulrich Stolzenburg eine besondere Schutzmaßnahme erdacht. Die Bäume werden in kleine Gatter gestellt, die zwei Meter hoch sind. Unten bleibt jeweils eine Höhe von 50 Zentimetern frei, damit die Rinder hier zwar das Gras um die Bäume herum abfressen können, gleichzeitig aber nicht an Rinde und Zweige kommen. „So gibt es hier keine Vergrasung, die der Wühlmaus Deckung und Schutz bieten würde“, so der Obmann für Naturschutz der Jägerschaft Seesen.

Auf den drei Flächen wurden übrigens nur hochstämmige Obstbäume, und zwar alte Obstsorten mit Herkunft aus Südniedersachsen. Sie haben solche klangvollen Namen wie „Finkenwerder Herbstprinz“, „Moringer Rosenapfel“, „Nordhäuser Winterforelle“, „Kassler Renette“ oder „Köstliche von Charneux“.
Stolzenburg weist darauf hin, dass er weiterhin auf der Suche nach weiteren geeignete Flächen sei, um Streuobstwiesen anzulegen. Die gesammte Tätigkeit der Jägerschaft Seesen erfolgt hier ehrenamtlich, und bei Eignung der Flächen ist eine umfassende finanzielle Förderung durch die Untere Naturschutzbehörde gegeben.hus/kno