„Heute sind wir es, die sich für Demokratie und Freiheit stark machen müssen“

SPD-Ortsverein erinnerte an Dr. Heinrich Jasper / Patrick Kriener wählte in seiner Rede auch mahnende Worte

Im Anschluss legten die Sozialdemkraten einen Kranz am Heinrich-Jasper-Denkmal nieder.

Einmal im Jahr kommen die Mitglieder des SPD-Ortsvereins Seesen am Heinrich-Jasper-Denkmal in der Innenstadt zusammen. Sie erinnern nicht nur an das Leben des Widerstandskämpfers im Nationalsozialismus, sondern schlagen auch die Brücke in die heutige Zeit. Das übernahm Patrick Kriener, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins. In seiner Rede wählte er auch mahnende Worte mit Blick auf die Querdenkerbewegung. Im Anschluss legten sie einen Kranz zum Gedenken nieder. Es folgt die Rede im Wortlaut: 

Seesen. Wir sind heute hier, um einem Widerstandskämpfer zu gedenken. Jemandem, der aufgrund seiner Überzeugung sein Leben riskierte und somit vielen unschuldigen Menschen das Leben gerettet hat. Ja, Heinrich Jasper war so ein Kämpfer – ein Kämpfer der selbst in den dunkelsten Stunden Deutschlands Widerstand geleistet hat und für die Demokratie in unserem Land eingestanden hat.

Alles beginnt damit, dass Heinrich Jasper am 21. August 1875 in Dingelbe bei Hildesheim geboren wird. Er zieht nach Braunschweig, wo er das Wilhelm-Gymnasium besucht. In seiner Abiturklasse waren 27 Schüler und seine Stärken lagen in Mathematik und Sprachen. Schon zu dieser Zeit galt Jasper als sehr sozial engagiert, was durch seine Zensuren in Fleiß und Betragen bescheinigt wird. Nachdem er 1894 sein Abitur gemacht hatte, begann er ein Jurastudium.
Am 3. Dezember 1902 tritt er dann unserer SPD bei, der Partei, der er treu blieb, bis die Nationalsozialisten auch sie unterdrücken.
Er war einer der wenigen Menschen, die sich offen gegen den 1914 entbrannten Krieg aussprachen, bis er dann 1915 eingezogen wurde und bis Kriegsende Wehrdienst leisten musste.

Als er aus dem Krieg zurückkehrt, kehrt er auch in die Politik zurück, und muss mit ansehen, wie die Nationalsozialisten immer weiter an Macht gewinnen.
Er war nicht nur der erste sozialdemokratische Landtagsabgeordnete in Braunschweig, sondern er war auch Reichstagsmitglied. Nach der Abdankung Ernst Augusts, des letzten Braunschweigischen Herzogs, am 8. November 1918 und während der Wirren der Novemberrevolution in Braunschweig, nahm Jasper den politischen Kampf gegen Josef Oerter und die Braunschweigische Räterepublik auf, die er stets als „Diktatur einer undemokratischen Minderheit“ bezeichnete.

Im Februar 1919 wurde Jasper zum Präsidenten der Braunschweigischen Landesversammlung gewählt. Heinrich Jasper entwickelte sich zu einer unangefochtenen Führungspersönlichkeit unserer SPD und war in den Jahren 1919/1920, 1922 bis 1924 und schließlich 1927 bis 1930 Ministerpräsident des Freistaates Braunschweig.

Von 1930 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten war Jasper Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag. Als dann Klagges Polizeiminister in Braunschweig wird, wird der Terror auch für Jasper alltäglich.

Trotz der immer stärker werdenden Gewalt und dem Terror durch das Regime, hält Jasper an gewaltlosen Demonstrationen und Protesten fest – an seiner Überzeugung „Gewalt ist keine Lösung“! Am 18. März 1933 wird der Demokratiekämpfer von den Nationalsozialisten in Schutzhaft genommen.
Heinrich Jasper war im Volksfreundhaus schwersten Misshandlungen ausgesetzt, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Ihm wurden fast sämtliche Zähne ausgeschlagen, oder zumindest so stark verletzt, dass Jasper über Wochen hinweg keine feste Nahrung zu sich nehmen konnte. Doch Heinrich Jasper beugte sich nicht und verweigerte auch den Freitod, als man ihm eine Pistole hinlegte und ihn in seiner Zelle allein ließ. Trotz dieser Verbrechen hielt Jasper an seinen Überzeugungen und an seinem Mandat fest. Gewalt ist keine Lösung und die Würde des Menschen ist unantastbar – diese Einstellung und der persönliche Widerstand ist es, was ihn zu einem echten Helden macht.

Um ihn mundtot zu machen, wird er ins Konzentrationslager (KZ) Dachau deportiert.

Nachdem er 1939 aus dem KZ Dachau entlassen wird, kehrt Heinrich Jasper zurück nach Braunschweig, bis er 1944 bei der Aktion „Gewitter“ erneut inhaftiert und in das KZ Bergen-Belsen deportiert wird. Am 19. Februar 1945 ist der Kämpfer der Demokratie tot, vernichtet von den Nationalsozialisten.
Wir müssen lernen aus den Fehlern der Vergangenheit, welche so viele Unschuldige das Leben gekostet haben.

Heinrich Jasper wäre sicherlich darüber schockiert, was gerade in Deutschland vor sich geht. Haben doch Freiheitskämpfer wie er für ihren Kampf für Frieden, Würde und Demokratie mit dem Leben zahlen müssen.

Heute, wo Querdenker Seite an Seite mit Verfassungs- und Demokratiegegnern in unserer Stadt laufen. Heute, wo wieder mehr Menschen unser demokratisches Grundgerüst angreifen.

Doch heute können wir uns nicht mehr auf Menschen wie Dr. Heinrich Jasper verlassen. Heute, sehr geehrte Damen und Herren – heute ist jeder Einzelne von uns Heinrich Jasper. Heute sind wir es, die sich für Demokratie und Freiheit streiten und stark machen müssen. Der Bundespräsident hat es deutlich ausgedrückt: Wer unsere Demokratie angreift – der wird uns zum Feind haben. Also lassen Sie uns gemeinsam für ein friedliches und respektvolles Miteinander ohne Hass und Hetze eintreten und uns für unsere Demokratie und unseren Rechtsstatt einsetzen. Zum Gedenken an Heinrich Jasper, für unsere Welt und für die Zukunft unserer Kinder.bo/syg