Seesen. Die Zahlen sind beachtlich: Seit 1979 gibt es das Zentrum für Erziehungs- und Familienfragen – besser bekannt unter der Kurzform ZEF – in Seesen. In den vier Jahrzehnten suchten über 12.000 Kinder oder Jugendliche und ihre Familien die Hilfe in dieser besonderen Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) auf. Pro Jahr nehmen ungefähr 370 Familien das Angebot in Anspruch, obwohl die Kinderzahlen zurückgehen. Die Beratung ist vielfältig und reicht von Eltern-, Paar- und Jugendberatung über Mediation und Leistungsdiagnostik. Laut Bürgermeister Erik Homann ein Juwel, das heutzutage immer wichtiger wird und aus der Sehusastadt nicht mehr wegzudenken ist. Einen spannenden Einblick in den Alltag gab es am gestrigen Dienstag im Rahmen der Festveranstaltung.

Zunächst reflektierte Rifat Fersahoglu-Weber, Vorstandsvorsitzender des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig, in seiner Begrüßung ein Stück weit die Entstehungsgeschichte. Im Jahr 1979 wurde das ZEF als Nachsorgeeinrichtung der damaligen AWO-Klinik in Seesen konzipiert. Zugleich realisierte es ein bundesweit beachtetes Konzept, denn verschiedene Beratungsangebote wurden nunmehr unter einem Dach vereint, dabei spielt bis heute der integrative Gedanke eine große Rolle. In den vergangenen vier Jahrzehnten hatte das ZEF nur drei Leiter. Laut dem Vorstandvorsitzenden eine Seltenheit und ein Zeichen für Kontinuität: Angefangen hatte Gabriele Feldmann-Bange, sie war von 1979 bis 1996 dabei, ihr folgte Hans Voßmann und seit 2006 führt Carsten Bromann die Einrichtung.

„Das ZEF ist nicht zuletzt durch immer wieder moderne und neue Arbeitsansätze zu einem Markenartikel geworden, der über die Grenzen des Landkreises Goslar hinaus bekannt ist“, unterstreicht der Leiter Carsten Bromann. Indizien, die das in den vergangenen vier Jahrzehnten herausstellen, gibt es viele: Im Jahr 2006 wurde das ZEF vom Land Niedersachsen als Best Practice Modell für den Kinderschutz ausgezeichnet. Zudem kooperiert die Einrichtung seit 2009 auch mit den Kindertagesstätten durch das Entwicklungsscreening und das Entwicklungscheckprojekt. Für Diplom-Psychologe Carsten Bromann immens wichtig, denn wird frühzeitig der schwierigen Entwicklung entgegengewirkt, lässt sich etwas ändern. Dabei sollten sich auch die Familien nicht scheuen, Hilfe zu suchen, denn „Erziehung braucht Beratung“, dass stellen der ZEF-Leiter und seine Mitarbeiter im Alltag immer wieder fest. In seinem Fachvortrag gab Carsten Bromann einen Einblick, welche Methoden er anwendet und was die wichtigste Sache für die Erziehung ist.

Von vielen Eltern wird er immer wieder gefragt: Was wirkt in der Erziehung? Die Antwort ist einfach – und mitunter nicht immer einfach umzusetzen: Vorbild wirkt – sowohl positiv als auch negativ. Wenn ein Dreijähriger, nach dem der Bausteinturm das dritte Mal umgefallen ist, einen Wutanfall bekommt, liegt das oft daran, dass er sich das abgeschaut hat. „Vielleicht beim Vater, der flucht, wenn das Bohren nicht wie gewünscht klappt“, so der Diplom-Psychologe. 90 Prozent wirkt das Vorbild, das haben Wissenschaftler festgestellt.

Übrigens wie vor 40 Jahren wird Seesen im November zum Mittelpunkt in Niedersachsen – in dem Fall für Erziehungsberatung. Ein Umstand, den Bürgermeister Erik Homann sehr begrüßt. Zugleich schließt sich dann der Kreis, denn im Gründungsjahr 1979 kamen die landesweiten Experten zur Fachtagung der Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatungsstellen nach Seesen. Damals lautete das Thema „Präventive Arbeitseinsätze in Erziehungsfragen“. 40 Jahre später, genauer vom 14. bis 15. November, wird es wieder so weit sein, das ZEF richtet im Jacobson-Haus erneut eine landesweite Erziehungsberatungsfachtagung aus, mit 120 Teilnehmern ist diese bereits ausgebucht. Das Thema lautet „Kreativität küsst Beratung“.syg