Kampf gegen „General Winter“

Heute vor 50 Jahren: Gebürtiger Seesener Dr. Rolf Froböse fand im persönlichen Archiv Fotos von 1969

Die mittlere Jacobsonstraße im Februar 1969: Bis Brusthöhe türmt sich der beiseite geräumte Schnee auf.

Seesen. Derzeit erinnert das Wetter im Vorharz ja eher an Frühling als an Winter. Und mal ganz ehrlich: Ein paar wärmende Sonnenstrahlen sind nach den zurückliegenden tristen grauen Wochen regelrechtes Balsam fürs Gemüt. Nun werden sich gerade die „Beobachter“-Leser im „fortgeschrittenen“ Alter noch gut daran erinnern, dass es in Seesen heute auf den Tag genau vor 50 Jahren ganz anders aussah. Darauf gestoßen sind wir durch eine E-Mail. Geschickt hat sie uns Dr. Rolf Froböse.

Der studierte Chemiker hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als Wissenschaftsjournalist einen Namen gemacht und lebt heute in Wasserburg am Inn. Geboren wurde er 1949 in Seesen und kann sich noch daran erinnern, dass die Stadt Seesen in dem Jahr, als er sein Abitur am Jacobson-Gymnasium ablegte, „im Schnee ertrank“, wie er schreibt. Freundlicherweise hat er uns auch Fotos aus seinem Archiv zukommen lassen, die die Schneeflut gut dokumentieren.

Natürlich hat die Redaktion auch gleich einmal im eigenen Archiv gestöbert und nachgeschaut, wie der „Beobachter“ vor 50 Jahren über die Wetterkapriolen berichtete. Und wir waren doch einigermaßen erstaunt, denn fast ein Vierteljahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkrieges hätten wir mit einem solchen Vokabular und teils recht martialischen Formulierungen nicht gerechnet. „General Winter“ hat noch nicht kapituliert – Kampf gegen Schneemassen wird auch im Stadtgebiet Seesen fortgesetzt, hieß es da schon in der Überschrift.

Und weiter: Der „General Winter“ hat offenbar noch keineswegs kapituliert, sondern schickte auch gestern wieder und heute Nacht seine weißen „Fallschirmtruppen“ in unübersehbarer Masse und Zahl ins Feld. So geht die Schlacht auch auf den Straßen in Stadtgebiet Seesen weiter. Sie wird auf den Gehwegen vor den Häusern von mit Schaufeln und Schneeschiebern bewaffneten Bürgern angeführt und auf den Fahrbahnen von den mit drei Räumfahrzeugen ausgerüsteten „motorisierten Truppen“ der Stadtverwaltung, die seit gestern noch „zivile“ Verstärkung erhalten haben von zwei LKWs, einem Ladegerät und einer Planierraupe der Firma Fr. Warneke. Die hier eingesetzten Räumkommandos hätten sich in den vergangenen Tagen und Nächten schon Lob und Anerkennung verdient. Seit Sonnabend sind sie eigentlich ständig unterwegs und haben dem Gegner in verhältnismäßig kurzer Zeit schon schwere Verluste zugefügt. Nach der strategischen Planung der Kommandostellen im Rathaus wurde der Angriff vom Stadtkern aus vorgetragen und dann auf die Außenbezirke ausgedehnt mit dem Erfolg, daß nach den Hauptstraßen auch die Fahrbahnen in den Randgebieten der Stadt größtenteils für den Verkehr „freigekämpft“ werden konnten, heißt es weiter. Dabei mussten vor allem die Wege zu den Schulen, die Schulhöfe und Parkplätze vom Schnee geräumt werden.

Allerdings gingen bei der Stadtverwaltung trotzdem noch telefonische Notrufe aus einigen  Außenbezirken oder von Gaststätten ein, die um Räumung ihrer Zufahrten oder Parkplätze baten. Nach Möglichkeit wurden diese Wünsche erfüllt, doch die Stadtverwaltung bat um Verständnis dafür, daß die Räumfahrzeuge und der pferdebespannte Schneepflug nicht überall und zu jeder Zeit zur Stelle sein können.

Ein Hindernis um Kampf gegen die Schneemassen bildeten zudem die Autos von „Dauerparkern“, die zum Teil bis über das Dach eingeschneit an den Straßen standen und den Einsatz der Schneepflüge behinderten. Auch im eigenen Interesse wurden alle Kfz-Besitzer gebeten, ihre Autos besonders nachts, aber auch am Tage nicht an den Straßenrändern, sondern auf Parkplätzen abzustellen.

Ferner klärte der Berichterstatter von damals auf, dass im Gegensatz zu vielen anderen Städten Seesen zwar den Vorteil breiter Straßen und Bürgersteige habe, zwischen denen hier und dort außerdem Grünstreifen Raum zur Schneeablagerung gäben, doch könne man auch hier der Lage nur durch die Abfuhr der Schneemassen Herr werden. So wurde schon damit begonnen, vor allem den Schnee von den Straßenkreuzungsbereichen zum Schützenplatz abzufahren, wo er mit einer Planierraupe zu hohen Bergen zusammengeschoben wurde.

Besonders hingewiesen wurde darauf: Wie jeder Krieg, kostet natürlich auch der Kampf gegen die winterlichen Naturgewalten Geld. Darum ist es auch in den Haushaltsplan der Stadt Seesen für das Jahr 1969 eine Summe von 20.000 DM für die Schneeräumung eingesetzt. Diese Mittel müssen aber noch für den Beginn des kommenden Winters reichen, und so darf man nur hoffen, daß der Februarfeldzug bald mit einer Kapitulation des weißen Gegners erfolgreich beendet wird.

Parkverbot auf der Bahnhofstraße

Wie vom Polizei-Abschnittsrevier Seesen mitgeteilt wurde, ist auf der Südseite der Bahnhofstraße zwischen Post- und Bismarckstraße Parkverbot. Das Verbot solle aber nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Schnee durch Räumungsfahrzeuge beseitigt ist.

Lehners appelliert an die Bürger

Der niedersächsische Minister des Inneren, Richard Lehners, richtete einen Appell an die Öffentlichkeit: „Ungewöhnlich starke Schneefälle haben in einigen Gebieten unseres Landes zu empfindlichen Störungen geführt. Die Behörden haben ihre Einsatzkräfte an den wichtigsten Punkten zur Schneeräumung eingesetzt. Diese allein sind jedoch nicht ausreichend. Von der Mithilfe der Bürger wird es daher anhängen, ob wir schneller wieder zu normalen Verhältnissen kommen werden. Besonders unseren Alten und Gebrechlichen schulden wir unsere Hilfe.“kno