Kindergarten Bilderlahe soll ab Oktober städtisch werden

Finales Votum erfolgt am 23. Juni im Stadtrat / Vereinsverantwortliche lösen damit zwei Probleme

Seit 1978 ist der Bilderläher Kindergarten im Dorfgemeinschaftshaus untergebracht. Auch künftig wird das so sein, jedoch unter neuer Trägerschaft.

Bilderlahe. Vereinsarbeit, vor allem im Vorstand, an sich ist schon nicht ohne. Wenn sich für den Vorstand aber niemand findet, muss über kurz oder lang irgendwann die Reißleine gezogen werden. Heißt, das Aus wird besiegelt. Nicht so einfach ist das bei einem Verein, der einen Kindergarten führt. Seit 1978 obliegt dieser Part in einem der nördlichen Seesener Stadtteile dem Kindergarten-Förderungsverein Bilderlahe. Der Vorstand um die 1. Vorsitzende Martina Winkel hat schweren Herzens eine tiefgreifende und richtungsweisende Entscheidung getroffen. Angestrebt wird zum 2. Oktober diesen Jahres der Trägerwechsel. Künftig ist die Bilderläher Einrichtung dann in Verantwortung der Stadt Seesen. Die Vereinsverantwortlichen lösen damit zwei Probleme.

Vergeblicher Versuch Nachfolger für den Vereinsvorstand zu finden

Seit zwei Jahren versucht nicht nur Martina Winkel einen Nachfolger zu finden. Während sich viele ein Engagement als Beisitzer vorstellen können, winken sie beim 1. Vorsitzenden und beim Kassierer ab. Auch Julia Klamt, seit elf Jahren für die vereinseigenen Finanzen zuständig, will die Aufgabe schon länger abgeben. Doch weder sie noch Martina Winkel wurden trotz intensiver Bemühungen fündig. „Zwölf Jahre bin ich jetzt 1. Vorsitzende, davor war ich vier Jahre Schriftführerin“, blickt Martina Winkel im Gespräch zurück. Neben ihrer normalen Arbeit kümmern sie sich um den Kindergarten.

Organisieren, wenn beispielsweise ein Erzieher ausfällt oder Investitionen anstehen. Allein in der Corona-Zeit kamen in der Woche mehrere Stunden hinzu, um sich in neue Verordnungen einzulesen, damit der Betrieb coronakonform über die Bühne gehen konnte. Über die Jahre haben die Vorgaben, die hinter solch einer Kindergartenleitung stecken, zugenommen. Samt bürokratischem Aufwand. „Vor gut acht Jahren konnten auch schon mal die Eltern mit aushelfen, wenn Personalnot war, das ist seitdem nicht mehr erlaubt“, nennt Martina Winkel ein Beispiel. Finden sie keine Lösung für die Betreuung, muss der Kindergarten halt für ein paar Tage geschlossen bleiben. Wenn eine Erzieherin Urlaub hat, die andere erkrankt, wird es schwierig.

„Zum Glück haben wir so verständnisvolle Eltern, aber für alle ist das unbefriedigend und definitiv kein Dauerzustand“, unterstreicht Martina Winkel. Doch sie können den Betrieb nicht verantworten, schließlich geht es um die Kinderbetreuung. Zum Vergleich: Die Stewardess fliegt ja auch nicht das Flugzeug, wenn Pilot und Copilot ausfallen. Auch eine Sache pro Trägerwechsel hin zur Stadt Seesen, denn die Vertretung im Krankheits- und im Urlaubsfall, sollte dann besser klappen und ein geschlossener Kindergarten außerhalb der Regel so gut wie der Vergangenheit angehören. Denn es gibt viel mehr Personal.

Der Bilderläher Kindergarten wird mit drei Stammkräften – Einrichtungsleiterin Claudia Oppermann-Kiehne, Therese Müller und Arne Flath – betrieben, zudem gibt es wenige Vertretungskräfte. Maximal 25 Kinder im Alter von zwei Jahren bis zum Schuleintritt werden in einer altersübergreifenden Gruppe betreut. Stand Mai diesen Jahres sind es 17 Kinder, ab September dann voraussichtlich 19 Kinder in der Gruppe, teilt Stadtsprecherin Beatrice-Arianne Dziuba auf Anfrage mit.

Auch die Lebenshilfe und die Kirche zeigten an der Übernahme Interesse, letztendlich wird es die Stadt Seesen werden. Denn diese muss sich darum kümmern, dass genügend Betreuungsplätze im Stadtgebiet zur Verfügung stehen. Zudem hat der Kindergarten-Förderungsverein Bilderlahe immer sehr gut mit der Kommune zusammengearbeitet und Hilfe erhalten, wann immer es nötig war.

Weiterer Punkt, der vielleicht für die Übernahme sprach, die Einrichtung ist seit Anbeginn im Bilderläher Dorfgemeinschaftshaus untergebracht, eine städtische Immobilie. Wichtig in dem Zusammenhang „Bei einem Trägerwechsel besteht kein Bestandsschutz mehr für die Einrichtung. Es sind verschiedene Renovierungsarbeiten wie beispielsweise beim Schallschutz und die Erneuerung der Elektrik, notwendig“, teilt Seesens Stadtsprecher Beatrice-Arianne Dziuba auf Anfrage mit. Heißt konkret, gibt der Kindergarten-Förderungsverein Bilderlahe die Kindergartenleitung ab, erlischt die notwendige Betriebserlaubnis. Diese muss die Stadt Seesen dann beantragen. Jedoch sind dann gewisse Dinge – durch den Bestandsschutz – nicht mehr erlaubt, sondern müssen verändert werden.

Stadt sieht Kindergarten als wichtigen Teil der Bilderläher Dorfgemeinschaft

Laut Ortsbürgermeisterin Christiane Raczek sind die notwendigen Maßnahmen während der Sommerferien angedacht. „Für die Einrichtung stehen dann weitere Teile des Dorfgemeinschaftshauses als Übergangslösung selbstverständlich zur Verfügung“, unterstreicht die Ortsbürgermeisterin. Sie begrüßt die Entscheidung des Trägerwechsels, denn so ist die Zukunft des Kindergartens im Dorf gesichert. Den  Eltern muss nicht Bange sein. „Der Stadt ist daran gelegen, den Kindergarten in Bilderlahe zu erhalten, da er einen wichtigen Punkt in der Dorfgemeinschaft darstellt und darüber hinaus die Infrastruktur und Attraktivität stärkt“, unterstreicht auch die Seesener Stadtsprecherin. Ein Umstand, der Martina Winkel und die Vorstandsmitglieder beruhigt. Ihr größter Wunsch ist, dass ihr „KiGaBi“ erhalten bleibt. Schließlich gibt es den Kindergarten jetzt seit 1978 im Dorf. Und der Verein hat auch investiert. „Wir haben vergangenes Jahr im September übrigens eine komplett neue Gruppenausstattung gekauft. Neue Tische und Stühle, Schränke und Regale und Spielzeugkisten sowie einen Regalschrank mit Eigentumsfächern. Dazu haben wir den Gruppenraum, die Garderobe und den kleinen Flur vom Maler streichen lassen, damit der neue Träger nicht gleich in dem Bereich investieren muss“, blickt Martina Winkel zurück. Wohl wissend, dass die bereits erwähnten Arbeiten im Dorfgemeinschaftshaus auf der Kindergartenseite ja notwendig sind, um die Betriebserlaubnis zu erhalten.

Anlässlich des 40-jährigen Bestehens am 8. September 2018 sagte die 1. Vorsitzende, dass Selbsthilfe viel Arbeit, viel Organisation und viel Durchhaltevermögen bedeuten, gleichzeitig aber eben auch „wir können es selbst“. Irgendwann ist eben der Punkt erreicht, bei dem es nicht mehr geht und neue Wege beschritten werden müssen. „Alles hat seine Zeit“, äußert Martina Winkel dazu im Gespräch.

Theoretisch ist alles klar, praktisch obliegt das finale Votum für den Trägerwechsel den Mitgliedern des Seesener Stadtrates. Am Mittwoch, 23. Juni, kommen sie um 19 Uhr in der Aula des Schulzentrums zusammen. Auf der Tagesordnung steht unter Punkt 12 „1. Änderung der Satzung der Stadt Seesen über die Aufnahme und den Besuch von Kindern in den Kindertagesstätten der Stadt Seesen (KiTa-Satzung) vom 19.9.2018 verbunden mit der Trägerschaft der Stadt Seesen für den Kindergarten Bilderlahe“. Eigentlich nur eine formale Sache.

Verein bleibt bestehen nur unterstützt er den Kindergarten künftig anderweitig

Der Kindergarten-Förderungsverein Bilderlahe bleibt übrigens als Verein erhalten. Er wird künftig laut Martina Winkel dann der Förderverein der Bilderläher Einrichtung. Dieser wird dann weiterhin versuchen, Wünsche zu verwirklichen, nun eben anders als bisher und mit deutlich weniger Verantwortung. Und das ab dem 2. Oktober – darauf arbeiten alle hin.syg