„Long live our friendship!”

Seesener Delegation unternimmt fünftägige Stippvisite in englische Partnerstadt – Fahrt stand auch unter dem Eindruck des Brexit

Dickensian Evening in Wantage. Mit Musik, Lichterglanz und Weihnachtsstimmung war der Marktplatz ausgefüllt.

Seesen/Wantage. Im Herbst des Jahres 1978 wurde im Rahmen eines Festaktes die Partnerschaftsurkunde mit der englischen Stadt Wantage unterschrieben. Eine Partnerschaft, die sich über all die Jahre ihres Bestehens hinweg als ein Volltreffer erwiesen hat und die nach der Gründung des Partnerschaftsvereins im Jahr 1993 nochmals einen zusätzlichen Schub bekam. 40 Jahre ist es nun also schon her, dass Vertreter aus Seesen und Wantage die Urkunde zur Städtepartnerschaft unterzeichnet haben. Anlässlich des Jubiläums lud Bürgermeister Chris McCarthy eine Delegation aus Seesen zu einem fünftägigen Besuch ein – insgesamt neun Vertreter aus Rat, Verwaltung und dem Städtepartnerschaftsverein waren der Einladung gefolgt, und das in Zeiten, in denen ganz Europa über den Brexit spricht und sich die Ereignisse teils dramatisch zuspitzen.

Für Erik Homann war es der fünfte Besuch in der Partnerstadt, Renate Pilarski, die 1. Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Wantage-Seesen  kann das toppen: Sie war zum 15. Mal in Wantage.

Übernachtet haben die Seesener traditionsgemäß in Gastfamilien – eben wie bei Freunden. Die Gastgeber hatten sich ein buntes Programm überlegt und besichtigten gemeinsam mit den Sehusastädtern unter anderem das in Wantage ansässige Chemie-Unternehmen MacDermid Autotype. Auch eine Tour ins nah gelegene Oxford und der Besuch eines Rugby-Spiels standen auf dem Programm.  Am „Dickensian Evening“, einem Abend zur Würdigung des Schriftstellers Charles Dickens, wurde Bürgermeister Erik Homann eine ganz besondere Ehre zuteil: Er durfte die Weihnachtsbeleuchtung auf dem Marktplatz einschalten – eine Aufgabe, die der Bürgermeister der Stadt normalerweise persönlich übernimmt.

Wantage, die Kleinstadt in der englischen Grafschaft Oxfordshire wäre aus touristischer Sicht wohl höchst selten das Ziel für einen längeren Besuch. Die etwa 25 Kilometer südlich von Oxford im Distrikt Vale of White Horse gelegene Stadt ist keine Millionenmetropole, kein Touristenmekka, sie bietet weder Berge noch Meer.

Doch Wantage besitzt Charme, hat mehr zu bieten als man glauben mag – und vor allem: Die Menschen in Wantage sind äußerst herzlich und gastfreundlich. Unter der Führung von Bürgermeister Erik Homann waren auch der Ratsvorsitzende Uwe Klöppner (SPD), die Ratsmitglieder Hans-Walter Pallinger und Jens Ottmann (SPD), von der Verwaltung Fachbereichsleiter  Martin Reimann und die Vorsitzenden des Seesener Partnerschaftsvereins, Renate Pilarski und Friedrich Orend, mit in Wantage. Ebenfalls mit zur Reisecrew gehörte die neue Sprecherin der Stadt Seesen, Beatrice Kühne.

Am Donnerstag war die Gruppe von Seesen aus aufgebrochen, am Montagabend kehrte sie aus England nach Deutschland zurück.  Am frühen Morgen am Donnerstag ging es an Tag eins von Seesen aus Richtung Hannover, und von dort mit British Airways nach London. Auf dem Flughafen Heathrow wurde die Delegation zunächst von Derek Verdin, Sekretär des Partnerschaftsvereins in Wantage, in Empfang genommen und in das rund 110 Kilometer entfernte Wantage gebracht.

Die Civic Hall (The Beacon), mit viel Phantasie vergleichbar mit dem Bürgerhaus in Seesen, war Anlauf- und Treffpunkt für die ersten deutsch-englischen Begegnungen. Bürgermeister Chris McCarthy und Ratsherr James Goodman sowie die Gastfamilien nahmen die Reisenden in Empfang.

Im „The Bear Hotel“ erfolgte am Abend  ein gemeinsames Dinner mit rund 25 Teilnehmern, darunter waren neben den deutschen Gästen auch Vertreter von Politik und Verwaltung aus Wantage, die Spitzen der Twinning-Association und den Gastgeberfamilien.

Hier bedankte sich Erik Homann – of course in english – bei allen, die sich so rührend um die Gäste aus Seesen gekümmert haben.  Ihm sei es eine große Freude, wieder in Wantage zu sein und es sei großartig, wieder einen Dickensian Abend zu feiern. Homann erklärte weiter, dass die Freundschaft  stark und stabil geworden sei, sie überlebe sogar den Bürgermeister- und Generationenwechsel. Deshalb sei er zuversichtlich, dass die Freundschaft auch den Brexit überwinde. Trotzdem äußerte Homann die Meinung, dass die Partnerschaften die ganze Aufmerksamkeit brauchen.

Vor allem in diesen Zeiten müsse man besonders aufpassen, und man müsse unsere Anstrengungen verstärken, um die Freundschaft und Beziehung zu vertiefen.

In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung hätten die Menschen Angst vor allem Unbekannten. Sie neigen dazu, nach Sündenböcken zu suchen. Das sei ein hervorragender Nährboden für Fremdenfeindlichkeit, und genau deshalb brauche man Städtepartnerschaften.

Er erhoffe sich, dass die Partnerschaft weiter mit Leben erfüllt werden möge und schloss dementsprechend seine Ausführungen mit den Worten „Long live our Friendship “ – lang lebe die Freundschaft.

Ein weiteres Highlight folgte dann  am Freitagabend mit dem Besuch des Dickensian Evening mitten auf dem Marktplatz in Wantage. Gefeiert wird der Abend in Anlehnung an den englischen Schriftsteller, zu dessen bekanntesten Werken „Oliver Twist“ und „Eine Weihnachtsgeschichte“ gehören.

Bürgermeister Homann wurde da angeboten, am Dickensian Abend das Licht anzuschalten. Eine traditionelle Zereromie. Weihnachtlicher Glanz erfüllte die mit Menschen bevölkerte Stadt und auch die Seesener waren angetan von den vielen Ständen, an denen Weihnachtliches ebenso angeboten wurde wie kulinarische Leckereien. Intoniert wurde dann von einem großen Chor  „Merry Christmay everyone“ – sicherlich ein besonderer Moment nicht nur für die Seesener Delegation, die im Anschluss im „30something” – einem weiteren von vielen Restaurants und Pubs – einkehrte und den Abend gemeinsam mit ihren englischen Gastgebern ausklingen ließ.

Auf Initiative von Renate Pilarski wurden dann am Sonnabendvormittag im Rahmen einer „Flower Laying Ceremony” Blumen in der  St Peter and St Paul's Church niedergelegt und der verstorbenen Mitglieder des Partnerschaftsvereins auf englischer Seite gedacht.

Der weitere Tag wurde mit einem Besuch in der Universitätsstadt Oxford ausgefüllt. Elitär und konservativ: Oxford ist ein privilegierter Ort, der sich seines besonderen internationalen Rufs als eine der Top-Universitätsstädte dieser Welt wohl bewusst ist.

Abends besuchten die Seesener dann noch ein Rugby-Spiel. Wantage-Bürgermeister Chris McCarthy ist ein bekennender Rugby-Anhänger und wirkt im örtlichen Verein mit, nicht zuletzt auch weil sein Sohn aktiver Spieler im Verein ist, lag es ihm am Herzen, die Seesener zum Zuschauen einzuladen.

Schon stand am Sonntag der letzte Tag auf dem Programm. Nach einem weiteren Kirchbesuch in St Peter and St Paul's und einem Nachmittag mit den Gastgebern ging es am Abend zur „QuizNight”, hier hatten sich die Engländer ein paar heitere Fragen rund um das Allgemeinwissen, um Europa und auch um Weihnachtsbräuche einfallen lassen.

Die Abordnung hatte am Schlusstag des Besuchs außerdem die Möglichkeit, die Arbeit der „Sweatbox“, einem Jugendtreff, näher kennenzulernen. Rund 130 bis 150 Kinder im Alter von zehn bis 19 Jahren treffen sich regelmäßig im „Seesen Building“ auf dem Schulgelände.

Für Betreuerin Georgina Hicks nicht immer eine leichte Aufgabe: „Wir haben viele Jugendliche, die uns freiwillig helfen – ohne diese Hilfe würde das Projekt hier nicht funktionieren.“ Deutlich wurde bei dem Besuch auch der Wunsch nach Wiederbelebung des Jugendaustauschs der beiden Städte.

Jugendliche waren es schließlich, die die Städte Wantage und Seesen bereits in den 60er Jahren zueinander gebracht haben. Aus dem damaligen Austausch entstand die langjährige Freundschaft, die noch bis heute anhält.

In einer Grundschule informierte sich Bürgermeister Homann zudem über den Stand der Digitalisierung, auch um hier Vergleiche für die aktuelle Frage um die Digitalisierung in den Seesener Schulen ziehen zu können.

Das Museum wiederum wurde vor wenigen Jahren mit viel Liebe restauriert und zieht Gäste wegen der neu eingerichteten Gastronomie an. Hier im Museum wurde auch die Frage diskutiert, welche Möglichkeiten ergriffen werden können, um die Partnerschaft weiter mit Leben zu erfüllen.

 
Denn es zeigt sich auch, dass es vor allem im Bereich der „Middleager“, also den 30- bis 50-Jährigen mangelt. Viele Freundschaften bestehen zwar seit Jahrzehnten, aber offenbar fehlt es auf beiden Seiten auch an „Nachwuchs“, die das Twinning aufrechterhalten. Persönliche Gespräche und der Anreiz, ein Land und seine Leute besser kennen zu lernen, können hier sicherlich helfen.

Hilfreich für das Bestreben, den Austausch weiter zu pflegen, ist übrigens auch Rolf Schümer, den die Seesener in Oxford und Wantage trafen. Der in Carpentras lebende Schümer – vielen Seesenern vom Sehusafest und anderen Austauschprogrammen durchaus bekannt – hat bereits in diesem Jahr ein Fußballturnier in Carpentras organisiert. Nun weilte er in Wantage, um hier Kontakte für ein Turnier im Sommer 2019 zu planen.

Im Jahr 2020 schließlich wäre dann Seesen an der Reihe. Es gibt sie also durchaus, die Menschen, die die Partnerschaften mit Leben erfüllen. Und es gibt auch immer wieder Menschen, die sie neu kennenlernen, wie beispielsweise der neue Bürgermeister der Stadt Wantage, Chris McCarthy, der zum Abschied eine Krawatte des örtlichen Rugby-Clubs an Bürgermeister Erik Homann übergab.