Märchenstunde mit Holunderpunsch

Ein unvergesslicher Abend beim Freundeskreis Städtisches Museum

Wolfgang Kohrt „verzauberte“ einmal mehr das Auditorium.

Seesen. Unter dem Titel „Märchen für Erwachsene“ gestaltete Wolfgang Kohrt, der bereits zum fünften Mal beim Freundeskreis Städtisches Museum zu Gast war, wieder einen unvergesslichen Abend im Museum. Vorsitzende Renata Jahns betonte in ihrer Begrüßung, dass im Zeitalter der totalen Information und der grenzenlosen Kommunikation das Geheimnisvolle und das Nicht-Rationale der Märchen so faszinieren. Schon die von Marianne Wadsack wieder liebevoll gestaltete Dekoration stimmte auf den Abend ein und schuf so eine besinnliche Atmosphäre.

Es begann mit einem Märchen von Oscar Wilde. Hoch über einer Stadt stand die Statue des „Glücklichen Prinzen“. Sie war mit Blattgold überzogen, die Augen waren Saphire und ein Rubin leuchtete auf dem Schwertknauf. Zu seinen Lebzeiten wohnte er in einem Palast, dessen hohe Mauern allen Kummer von ihm fern hielten. Als Statue bemerkte er nun aber das Elend der Stadt. Eine Schwalbe, auf dem Weg nach Süden, machte auf der Statue halt und wurde ganz nass, weil der Prinz aus Metall weinte.

Dieser konnte sein Herz nicht vor der Armut, die er sah, verschließen. Er bat daher die Schwalbe nach und nach den Rubin, die Saphire und letztlich das Blattgold von ihm zu picken, um alles unter den Bedürftigen zu verteilen. Die Schwalbe blieb bei dem nun blinden Prinzen und vergaß, ihren Flug fortzusetzen. Als der Winter kam erfror sie, und die Statue des Prinzen war so unansehnlich geworden, dass man sie abriss und einschmolz. Doch das Herz des Prinzen schmolz nicht im Ofen und wurde auf den Abfall geworfen, wo schon die tote Schwalbe lag. Als Gott einen Engel bittet, ihm die wertvollsten Dinge zu holen, die es in der Stadt gibt, bringt dieser ihm das bleierne Herz und den toten Vogel. Gott will die beiden in seinem Garten haben – die Schwalbe sollte singen und der Prinz Gott preisen.

Die zweite Geschichte trug den Titel: „Ein Seerosenmärchen“. Eine Seejungfrau tauchte an sonnigen Tagen an die Oberfläche, wo sich stets eine Libelle einfand, die ihr von der weiten Welt erzählte. Manchmal brachte sie eine Blume mit, die jedoch schnell verwelkte. Daher wünschte sich die Seejungfrau nichts sehnlicher als einen Garten voller Blumen. Eines Tages aber blieb die Libelle fort. Sie hatte auf ihrem Flug eine Elfenprinzessin getroffen, deren Flügel zerrissen waren. Da hatte sie die Idee, zu ihrer Großmutter zu fliegen, die ihre Libellenflügel schon lange nicht mehr brauchte, bekam die Flügel auch geschenkt und überreichte diese der Prinzessin. Die war so glücklich, dass sie der Libelle den Wunsch gewährte, als Lohn eine von den weißen Seerosen aus dem Elfenteich zu bekommen. Sie brachte daraufhin die Blume, die niemals welkte, der Nixe. Schon bald trieb die Blume tausende von Blüten bis der See einem Blumengarten glich. Der Wunsch der Nixe war in Erfüllung gegangen.

In der Pause wurde Holunderpunsch kredenzt und „Nervenkekse“ als Gebäck gereicht, das Marianne Wadsack gebacken hatte.

Der zweite Teil des Abends begann mit einem religiösen Märchen aus Uruguay. Ein Pilger, es war der heilige Petrus, bekam von einem armen Ehepaar ein Nachtlager. Dafür übernahm er die Kosten für die Taufe ihres Neugeborenen. Der Teufel ärgerte sich, dass das Kind getauft worden war und schadete dem Mann so, dass seine gesamte Ernte zugrunde ging. Daraufhin lieh er der Familie für ein Jahr einen Sack mit Getreide, der sich niemals leerte, egal wieviel man ihm entnahm. Die Bedingung des Teufels war, dass der Mann 12 Fragen beantwortete, sonst gehöre die Familie ihm. Vor Ablauf der Frist erschien wieder Petrus, um sich nach seinem Patenkind zu erkundigen. Der Mann erzählte ihm, was inzwischen geschehen war. Um Mitternacht hörte man von draußen die Stimme des Teufels, der die Antworten auf seine Fragen hören wollte. An Stelle des Mannes beantwortete Petrus alle Fragen. Das hatte der Teufel nicht erwartet und verschwand.

Die letzte Geschichte war ein Märchen aus Irland, in dem der Jäger Dermot auf seltsame Weise zu seiner unglaublichen Wirkung auf Frauen kam. Vier Männer gingen auf die Jagd. Als die Nacht einbrach, entdeckten sie eine Hütte, in der sie nächtigen durften. Dort wohnten ein alter Mann und ein junges, wunderschönes Mädchen. Außerdem hausten in der Hütte noch eine Katze und ein Hammel. Doch die Bewohner waren keine normalen Menschen und Tiere, wie die Männer bald erfahren mussten. Der Hammel, er symbolisiert die Welt, malträtierte die Jäger derart, dass sie verletzt wurden.

Die Katze, sie ist der Tod, bekommt daraufhin vom alten Mann den Auftrag, den Hammel wieder anzubinden, was ihr auch gelang. Die Männer fühlten sich erniedrigt und wollten fluchtartig die Hütte verlassen. Der alte Mann machte ihnen klar, dass sie gegen die Welt und den Tod nichts ausrichten könnten und bat sie zu bleiben. Den Männern wurde ein Nachtlager in dem Raum zugewiesen, in dem auch das Mädchen schlief. Im Laufe der Nacht versuchte jeder der Jäger ins Bett des Mädchens zu gelangen, aber alle wurden von der Schönen, die die Jugend verkörperte, abgewiesen. Als Ausdruck ihrer Gunst erhielt Dermot als einziger ein Zeichen auf die Stirn. Deswegen heißt er fortan: „Der mit dem Liebesfleck“, dem alle Frauen zu Füßen lagen.WDT