Mit den Beatles ein Bier getrunken

Mehr als 50 Jahre nach der Auflösung gab es ein Wiedersehen mit der Seesener Beat-Band „the cheerios“

Günter Kandel, Meinhard Loss, Michael Knönagel und Burghard Hübner (von links): Für die „Cheerios“ und ihre Fans gab es im Städtischen Museum ein Wiedersehen.

Seesen. Als hätte sich trotz der mehr als 50 Jahre, die dazwischen liegen, nichts geändert: Die einstige Seesener Beatband „the cheerios“ konnte nicht nur in den Sechzigern die Tanzsäle „voll machen“, sie kann es tatsächlich auch heute noch. Zugegeben: Direkt musikalisch in Aktion trat die Band am vergangenen Sonntag nicht, schon gar nicht in einer Konzerthalle; aber allein die Anwesenheit der vier ehemaligen Bandmitglieder reichte vollkommen aus, um das Städtische Museum aus allen Nähten platzen zu lassen. Weit mehr als 100 Besucher hatten sich dort eingefunden, um ihre Lokal-Idole von damals noch einmal hochleben zu lassen oder sich einfach an die „gute alte Zeit“ zu erinnern. Dass diese „Wiedervereinigung“ im Steinway-Raum über die Bühne ging, kam nicht von ungefähr. „Schließlich gehören nicht nur Steinway, Spohr und Fitzenhagen, sondern auch Beatbands wie die ‘Cheerios’, die ‘Strangers’, ‘Dukes’ oder ‘Jailors’ zur Musikstadt Seesen“, sagte Museumsleiter Dirk Stroschein in seiner Begrüßung. Stroschein war an diesem Tag gleich in einer Doppelfunktion unterwegs – zum einen als Moderator, zum anderen als Diskjockey, der zwischendurch Live-Mitschnitte von einem Auftritt der „Cheerios“ in Bad Gandersheim aus dem Jahr 1966 einspielte. Da wippten zu „Wild Thing“ schon mal die Füße und wurde zu „Pretty Flamingo“ schon mal leise mitgesungen. Manch einer wurde sich da wieder des „sehr guten und melodischen Sounds“ der „Cheerios“ bewusst, wie es ein Fan beschrieb.

Zunächst gab es eine Vorstellungsrunde der einstigen Beatband-Mitstreiter. Den Anfang machte Schlagzeuger und Steuerexperte Günter Kandel, der Seesen bis heute treu geblieben ist; dann folgte mit Leadgitarrist Meinhard Loss, das älteste Mitglieder der „Cheerios“. Er bekannte, seine Gitarre jahrzehntelang nicht angefasst zu haben, nun dann und wann aber doch mal wieder in die Saiten zu greifen. Dritter im Bunde war Sänger Michael Knönagel, der einst an Rhythmusgitarre und Orgel brillierte und den es als studierten Chemiker in den Süden der Republik, nach Bad Tölz, verschlug. Bleibt last but not least noch Band-„Küken“ Burghard Hübner, der Mann am Bass. Auch den gelernten Dekorateur zog es kurze Zeit nach Auflösung der „Cheerios“ beruflich nach Bayern.

Der Musik ist er bis heute treu geblieben, wenngleich er seine ganz eigene Begründung dafür hat, das Hobby nicht zum Beruf gemacht zu haben: „Wenn Musik zur Arbeit wird, dann macht’s keinen Spaß mehr.“ Früher wie heute abseits vom Rampenlicht und eher hinter den Kulissen aktiv war Band-„Manager“ Ulrich Liebich, der maßgeblich am Zustandekommen sowohl der Ausstellung als auch der „Meet-and-Greet“-Veranstaltung beteiligt war.

In einer lockeren Frage-Antwort- beziehungsweise „Ich hätte da auch noch eine Anekdote“-Runde ging es dann auf eine Reise in die „wilden“ Sechziger. Da wurde erinnert an die Jazz- und Skifflezeiten, bevor sich die Gruppe im Jahr 1962 zusammenfand, an die Probenabende im kleinen Saal bei „Eberhagen“, an Auftritte nicht nur in Seesen, sondern auch in Rhüden „Zur Tanne“, in Bad Gandersheim, Lamspringe, Einbeck und Osterode, ja sogar 1965 und 1966 beim Pfingstjugendtreffen in der neu errichteten Braunschweiger Stadthalle sowie in Kassel. Außerdem boten die vier Musiker Einblicke, wie sie sich ihr Repertoire mit Songs von den Beach Boys, den Beatles, den Kinks und den Animals „erarbeiteten“. „Von Noten hatten wir keine Ahnung; wir haben alles nach Gehör gespielt“, blickte Michael Knönagel zurück. Und so habe man versucht, die entsprechenden Stücke vom Radio auf Tonband aufzunehmen oder sie sich wieder und wieder auf dem kleinen Schallplattenspieler von Meinhard Loss anzuhören. „Unseren ganzen Verdienst haben wir in die Anlage und die Instrumente gesteckt“, so Knönagel weiter. Und die „Cheerios“ müssen ganz gut verdient haben, denn da wurde mal eben von Dynacord- auf die teureren und qualitativ viel besseren Vox-Verstärker umgestellt und sich eine maßgeschneiderte Gesangsanlage gegönnt, ganz zu schweigen vom Profi-Schlagzeug aus dem Traditionshaus „Ludwig“. Sogar einen eigenen Tour-Bus konnten die Jungs sich leisten. Mit dem ging es dann auch schon mal direkt vors Spielcasino nach Monte Carlo.

Besonders gern erinnerten sich die „Cheerios“ an eine Begegnung in Braunschweig mit Tony Sheridan. Der Solosänger wurde damals von einer noch relativ wenig bekannten Band namens „The Beatles“ mit einem gewissen Paul McCartney und einem Pete Best begleitet. Man habe sich bestens verstanden und gern das ein oder andere Bierchen miteinander getrunken. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass aus den Liverpooler Jungs einmal die erfolgreichste Band der Musikgeschichte werden würde im Anschluss nutzten viele Fans und Gäste die Möglichkeit, sich Autogramme von den „Cheerios“ auf Originalkarten geben zu lassen. Teilweise hatten die Besucher sogar selbst persönliche Erinnerungsstücke oder Zeitungsausschnitte mitgebracht. Und das bei einem kleinen Snack und Getränken dann noch im „privaten“ Kreis weiter in der Beatmusik-Fundkiste gestöbert wurde, versteht sich wohl von selbst. Und es zeigte sich, dass Musik tatsächlich verbindet. Die Veranstaltung am Sonntag war nämlich keine Zwangs-Wiedervereinigung, sondern Ausdruck einer echten Freundschaft, die mittlerweile seit weit mehr als fünf Jahrzehnten währt.

Wer bis jetzt noch nicht die Gelegenheit hatte: Die Sonderausstellung „Die Cheerios – Eine Seesener Beatband“ ist im Städtischen Museum noch bis zum 8. April zu sehen.kno