Mit einem Wort: Bezaubernd!

Elfjähriges „Wunderkind“ Alexandra Dovgan begeistert Konzertbesucher in St.-Andreas-Kirche

Die elfjährige Solistin Alexandra Dovgan hatte sich in St. Andreas schnell in die Herzen der Besucher gespielt.

Seesen. Großartig, magisch, bezaubernd, brillant, meisterhaft... – um zu beschreiben, was sich da am späten Sonntagnachmittag bei dem außergewöhnlichen Konzert in der ehrwürdigen St.-Andreas-Kirche zu Seesen ereignete, könnte diese Liste von Attributen im gleichen Tenor endlos fortgesetzt werden. Der überwiegende Teil des Publikums – die Bänke im Parterre und die Plätze auf der Empore hatten nicht mehr allzu viele freie Kapazitäten – wird wohl mit dem Gefühl den Nachhauseweg angetreten haben, etwas Einmaliges erlebt zu haben.

Die elfjährige Pianistin Alexandra Dovgan aus Moskau, die vor gerade einmal sechs Jahren mit dem Klavierspiel begann, gab hier ihre musikalische Visitenkarte ab. Schon allein die Tatsache, dass das als „Wunderkind des Jahres“ gefeierte Ausnahmetalent überhaupt in der Sehusastadt konzertierte, darf schon als Sensation gelten. Mit berühmten Dirigenten und Orchestern hat sie bereits zusammen gespielt; sie füllte und füllt die großen und bekannten Konzertsäle, hat zahlreiche nationale und internationale Wettbewerbe gewonnen und eine persönliche Einladung von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron erhalten.

Seesens Propst Thomas Gleicher ließ die Seesener bei der Begrüßung denn auch wissen, wem sie dieses Gastspiel verdankten: Gerhard Hummer. Er und Gleicher waren vor vielen Jahren als Kantor und Pfarrer ein Team. Vor nunmehr 25 Jahren rief Gerhard Hummer in Soßmar seinen „Kultursalon“ ins Leben. Seither zieht er Musiker aus der ganzen Welt auf den Boden seines Fachwerkhauses. Zum Jubiläum war Alexandra Dovgan zu Gast, und in diesem Zuge gelang es glücklicherweise, sie beziehungsweise ihre sie stets begleitende und behütende Mutter auch für ein Konzert im nur knapp 60 Kilometer entfernten Seesen zu gewinnen.

Was die Solistin zu leisten imstande ist, wurde schon bei den ersten Stücken deutlich. Bei François Couperins „Hammers“ oder auch bei Jean Philippe Rameaus „Birds Call“ und „L'Egyptienne“, dann auch nochmal ganz zum Schluss des Abends, glitten die geübten Finger abschnittsweise in einem atemberaubenden Tempo über die Klaviatur des Steinway-Flügels. Gleichzeitig wirkte das alles erstaunlich mühelos, unangestrengt und äußerst präzise. Um das zu erkennen, musste man kein ausgewiesener Experte der Klaviermusik sein. Was aber noch viel mehr beeindruckte, war das für eine elfjährige Pianistin unglaubliche Musikverständnis und        -gedächtnis. Als Beispiel sei hier nur das ursprünglich als Kantate konzipierte „Jesus bleibet meine Freude“ aus der Feder von Johann Sebastian Bach genannt. Die Melodie dürfte wohl jedem Konzertbesucher grundsätzlich bekannt gewesen sein, und doch erhielt das Stück durch die ganz eigene Interpretation der jungen Künstlerin eine besondere Aura und sorgte streckenweise für „Gänsehautmomente“. Ebenfalls ganz souverän servierte Alexandra Dovgan dem anerkennend lauschenden Publikum Chopins „Fantasie Impromptu in Cis-Moll“ und einen Walzer sowie „Children's Corner“ von Claude Debussy. Von Noten war übrigens bei sämtlichen Stücken weit und breit keine Spur, so sehr sind sie verinnerlicht.

Dass das Konzertrepertoire mit diesem „Pflichtprogramm“ längst noch nicht erschöpft war, versteht sich angesichts des Dargebotenen wohl von selbst. Die Seesener entließen die Pianistin erst nach mehreren Zugaben – und mit stürmischem Applaus. Wer gerade diese „Kür“ am Konzertende aufmerksam beobachtete, dem wird nicht entgangen sein, dass das Klavier auf die junge Künstlerin eine magische Anziehungskraft auszuüben scheint. Es wirkte, als spiele sie sich mehr und mehr in einen „Flow“, in einen mentalen Zustand völliger Vertiefung also, gepaart mit ganz großer, ja, ansteckender Spielfreude. Das Sahnehäubchen zum Schluss war dabei Chopins Minutenwalzer, dessen Ausführung ebenfalls über jeden Zweifel erhaben war.

Propst Thomas Gleicher bedankte sich bei dem jungen Gast mit einem Präsent und mit einer Rose bei der Mutter. Wie es angesichts dieses Talents mit der Karriere von Alexandra Dovgan wohl weiter geht? Diese Frage stellten sich viele Konzertbesucher und werden ihren weiteren Weg nun interessiert mitverfolgen.kno