„Operation Legendär” führt in die erste Reformsynagoge der Welt

Schülerstreich als Extended Reality App spielt in Seesen / Eine neue Perspektiven auf die deutsch-jüdische Geschichte

Im Stil einer interaktiven Graphic Novel wird mithilfe modernster Technologie ein wichtiger Aspekt der deutsch-jüdischen Geschichte wiederentdeckt. Der Reformer und Rabbiner Israel Jacobson gründete in Seesen eine bedeutende Reformschule für jüdische und christliche Schüler und die erste Reformsynagoge der Welt; ein Ursprungsort des modernen Judentums. Doch bisher ist die Bedeutung dieser „jüdischen Renaissance von welthistorischem Ausmaß“ nahezu unbekannt. Das will ein Projekt des Israel Jacobson Netzwerks ändern. Durch die Anwendung von Extended Reality wird diese Geschichte in neuer Form per App auf dem Smartphone oder Tablet auf spielerische Weise erlebbar - nicht nur für Kinder und Jugendliche.

Seesen. Schüler der Jacobsonschule Seesen am Harz hecken einen Streich aus, der die Schule auf der ganzen Welt bekannt machen soll: Die „Operation Legendär”. Ihr Abenteuer führt sie quer durch die Schule über das Dach der Synagoge in die Höhle des Löwen, das Haus des Direktors!

Mit der neuen App „Operation Legendär” wollen jüdische Initiatoren einen bislang wenig bekannten Aspekt der deutsch-jüdischen Geschichte sichtbar machen. Sie führt ihre Nutzer an die Wiege des Reformjudentums direkt nach Seesen, wie das „Israel Jacobson Netzwerk” in Berlin erläuterte. Hier in Seesen gründete der Bankier und Rabbiner Israel Jacobson (1768 bis 1828) im Jahr 1801 bekanntlich eine bedeutende Reformschule für jüdische und christliche Schüler und später die erste Reformsynagoge der Welt. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, lobte das Projekt als „etwas ganz Besonderes, weil es Spaß an der Technologie mit Erinnerungskultur verbindet”.

Mittels der App im Stil einer interaktiven „Graphic Novel” kann die von den Nationalsozialisten komplett zerstörte Synagoge virtuell wieder betreten werden. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Schüler und eine Schülerin, die an der Seesener Jacobson-Schule einen Streich planen, der sie über Nacht weltweit bekanntmachen soll. Die Charaktere seien zwar fiktiv, sagte die Judaistin Rebekka Denz bei der Online-Präsentation der App in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin. „Aber hinter jeder Person steht eine lang recherchierte Geschichte.”

Kreativ-Direktor Bernard Bettenhäuser erläuterte, für die App seien mit einer komplexen Technologie die historischen Gebäude nachgebildet worden. Sie solle künftig auf jedem Smartphone und jedem Tablet laufen. Nun ist die „Operation Legendär” kostenlos in allen App-Stores verfügbar. Projektleiter Jörg Munzel betonte, dass jüdisches Leben vor rund 200 Jahren überwiegend auf dem Land stattfand. Insofern sei Seesen der passende Ort. Die App könne zwar überall auf der Welt abgerufen werden, es gebe aber „Bonusmaterial, das nur dann funktioniert, wenn man die App in Seesen nutzt”.

Der Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Berend Lindner, hofft deshalb auch auf Impulse für den Tourismus: „Vielen ist nicht bewusst, dass der Ursprung des liberalen Judentums in Niedersachsen liegt." Die App könne neue Zielgruppen aus den USA und Israel erschließen.uk