Pädophilen-Handbuch verboten: Endlich ein Erfolgserlebnis für Marcel Jeninga

Entwurf zu Gesetzesänderung: Seesener zufrieden, dass sich im Bundesjustizministerium endlich etwas getan hat

Sein Einsatz hat sich nunmehr ausgezahlt: Der Seesener Marcel Jeninga setzt sich seit Jahren für ein Verbot von Missbrauchsanleitungen aus. Nun gibt es einen Entwurf für eine Gesetzesänderung im Strafgesetzbuch.

Seesen. Sexuell missbrauchte Kinder müssen unvorstellbares Leid ertragen. Das Ausmaß dieser Gräueltaten ist erschreckend: Fast 16.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland wurden 2019 Opfer sexueller Übergriffe. Die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher. Der Bundestag hat dem sexuellen Missbrauch der Schwächsten unserer Gesellschaft den Kampf angesagt und jetzt ein ganzes Paket an Maßnahmen beschlossen. Das Ziel: Täter entdecken, hart bestrafen und künftige Taten verhindern. Der Seesener Marcel Jeninga feiert dabei auch einen großen Erfolg. Das sogenannte Pädophilen-Handbuch wird nun unter Strafe gestellt.

Ein Blick zurück: Im Jahr 2009 ändert sich das Leben des Niederländers Marcel Jeninga schlagartig. Seine damals dreijährige Tochter wird von seinem einschlägig vorbestraften Nachbarn sexuell missbraucht.

Der Täter hatte bereits im Jahr 1991 ein achtjähriges Mädchen vergewaltigt und im Anschluss erwürgt. Nach dieser Tat bricht seine Familie zunächst auseinander. Jeninga verlässt die Niederlande, zieht nach Niedersachsen, nach Bad Bentheim, später weiter nach Seesen. „Ich habe damals privat viel erlitten und ich hatte einen Bekannten in Seesen“, erklärt Jeninga, weshalb er nach Seesen gezogen war.

Schon in Bad Bentheim beginnt er zu recherchieren und findet im Internet drei Webseiten, auf denen Teile und sogar ein ganzes Handbuch öffentlich als PDF-Dokument zum Download bereit steht.

Es ist ein Handbuch, wie es perfider nicht sein kann. Es beschreibt auf zirka 1.000 Seiten in englischer Sprache detailliert in mehreren Stufen das Vorgehen, wie ein Täter, ohne Spuren zu hinterlassen, ein Kind sexuell missbrauchen kann (der „Beobachter“ hatte darüber bereits berichtet).

In dem Handbuch werden mögliche Risiken, die Vorgehensweise, wie man das Vertrauen eines Kindes erlangen kann sowie strategisch günstige Orte, an denen sich potentielle Opfer am besten überwältigen lassen, gezeigt. Es werden sogar die Vorgehensweisen für verschiedene Altersgruppen dargelegt.

Für jede eigene Gruppe gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Zur Erklärung wird dabei genau die Anatomie eines Kindes, sowohl Mädchen als auch Jungen, beschrieben. „Dazu gehört auch eine Zeichnung der kindlichen Hand“, so Jeninga. Dadurch sollen Verletzungen und damit Spuren vermieden werden.
Das Handbuch ist in einem geschützen Bereich des Internets, dem sogenannten Dark­net, zu finden. „Dies stellt bei der Strafverfolgung ein großes Hindernis dar, da der Verfasser, der das Dokument, laut eigener Aussage, stetig aktualisiert, nicht nachverfolgt werden kann“, so der Seesener. Für Jeninga, der den Kampf gegen den Missbrauch von Kindern aufgenommen hat, einfach nur unfassbar.

Im Jahr 2010 erstattete Marcel Jeninga Anzeige gegen die Pädophilen-Vereinigung, von der sein ehemaliger Nachbar Tipps und Hinweise zum Kindesmissbrauch bekommen hatte. Schließlich hat er nach einem vier Jahre langem Rechtsstreit endlich erreicht, dass am 18. April 2014 diese Pädophilen-Vereinigung in den Niederlanden verboten wurde. Später wurde im Jahr 2015 in Großbritannien ein Gesetz verabschiedet, mit dem das Verbot des Handbuchs festgehalten wurde.
Zur gleichen Zeit hat er seine Initiative „Strijd Tegen Misbruik“, zu deutsch „Kampf gegen Missbrauch“, ins Leben gerufen.

Im Januar 2019 fuhr er nach Den Haag, um auf sein Anliegen, das Handbuch zu verbieten, aufmerksam zu machen. Das war der Anstoß für eine Debatte im niederländischen Parament. Schließlich erreichte Marcel Jeninga sein Ziel: Am 23. Januar 2020 wurde im Parlament ein Gesetz mit den Stimmen aller Abgeordneten verabschiedet.

Damit war der Besitz, die Verbreitung sowie die Inanspruchnahme des Handbuches auch in den Niederlanden unter Strafe gestellt. Dies ist ihm gelungen, obwohl der niederländische Justizminister die Inhalte des Handbuchs zunächst „heruntergespielt“ habe. So können bei diesem Vergehen in den Niederlanden vier Jahre Haft fällig werden. Zudem hat Jeninga landesweite mediale Aufmerksamkeit erzielt, da er unter anderem mit diesem Thema im Fernsehen aufgetreten war.

Jeninga ist mit seiner Initiative in insgesamt acht Ländern aktiv. Auch die deutsche Bevölkerung versucht er seit Langem wachrütteln. Dazu erstattete er im Juni 2020 bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anzeige gegen die Verbreitung des Handbuchs.

Im September 2019 war er sogar im Bundestag zu Gast und sprach mit Vertretern von CDU und CSU. Doch auch danach geschah erst einmal nichts. Dies machte Jeninga sowie seinem Bündispartner Carsten Stahl, der sein eigenes Projekt „Bündnis Kinderschutz“ gegründet hat, fassungslos.

Nun aber hat sich endlich etwas getan. Im Internet (vor allem eben im sogenannten Dark­net) sind die Anleitungen abrufbar, die beschreiben, wie sexueller Missbrauch von Kindern vorbereitet, ermöglicht, durchgeführt oder verschleiert werden kann.

Solche „Missbrauchsanleitungen“ werden nicht selten bei Beschuldigten aufgefunden, die des sexuellen Missbrauchs verdächtigt werden. Solche „Missbrauchsanleitungen“ können die sexuelle Ausbeutung von Kindern fördern, indem sie eine allgemeine subjektive Geneigtheit fördern, rechtswidrige Taten nach den §§ 176 bis 176d des Strafgesetzbuches (StGB) zu begehen. Es besteht die Gefahr, dass der Umgang mit derartigen Anleitungen die Hemmschwelle absenkt und den Wunsch weckt beziehungsweise verstärkt, sexuellen Missbrauch von Kindern zu begehen.

Darüber hinaus verwenden solche „Missbrauchsanleitungen“ eine menschenverachtende Sprache, die Kinder auf Objekte sexuellen Missbrauchs reduziert und Missbrauchshandlungen an Kindern verharmlost. Solche Inhalte stellen daher eine Störung des öffentlichen Friedens dar, denn hierdurch wird der Schutz der Rechtsordnung und ihre Legitimität in Frage gestellt; auch deswegen sind sie strafwürdig.uk