Patientengefährdung rückt plötzlich in den Fokus

ver.di wendet sich gegen Anschuldigungen der Asklepios-Geschäftsführung / Diese äußert sich ebenfalls

Am vergangenen Mittwoch zogen Asklepios-Mitarbeiter mit Schildern durch Seesen. Erstmals wurde im Vorfeld keine Notdienstvereinbarung zwischen Geschäftsführung und Streikleitung vereinbart. Im Zuge dessen wird von einer Patientengefährdung in Seesen gesprochen.

Seesen. Die Fronten scheinen immer mehr verhärtet. Vergangenen Woche gab es den nächsten Streik bei den Asklepios Kliniken Schildautal in Seesen, der „Beobachter“ berichtete. Im Vorfeld konnten sich Geschäftsführung und der Betriebsrat nicht auf eine Notdienstvereinbarung einigen. Eine Verpflichtung wurde angewandt. Der Ton wird rauer, denn mittlerweile steht plötzlich auch die Patientengefährdung im Raum.

Steht beispielsweise ein Streik in der Industrie an, ist häufiger davon zu hören, dass die Bänder still stehen und nicht mehr produziert wird. Doch im Gesundheitsbereich ist es nicht so einfach, denn die Fürsorgepflicht für die Patienten bleibt. Dennoch wollen ver.di und der Betriebsrat einen Wirkungstreffer erzielen. Deshalb wenden sie bei der sogenannten Notdienstvereinbarung den Sonntag als Maßstab an. In Verhandlungen mit der Geschäftsführung schließen sie im Idealfall eine Vereinbarung über die Besetzung der einzelnen Stationen und Bereiche. Bisher war das auch der Fall, doch vergangene Woche konnten sich beide Seiten nicht mehr einigen. Eine neue Eskalationsstufe ist nun ein Stück weit erreicht.

„Daher mussten wir eine Notdienstverpflichtung erlassen, um die Patientensicherheit weiter zu gewährleisten“, äußerte sich Geschäftsführer Sebastian von der Haar.  Die Notdienstverpflichtung liegt dem „Beobachter“ vor, darin heißt es unter anderem: „Wir müssen darauf hinweisen, dass es Ihre arbeitsvertragliche Pflicht ist, einer Notdienstverpflichtung Folge zu leisten. Eine Nichtteilnahme am Notdienst mündet unweigerlich in eine unmittelbare Patientengefährdung! Kommen Sie dieser Aufforderung nicht nach, müssen sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer – gegebenenfalls fristlosen – Kündigung rechnen“. Somit steht die Patientengefährdung im Raum. Dieser widerspricht ver.di-Sprecher Jens Havemann auf’s Entschiedenste: „Die Aussage von Herrn von der Haar ist falsch und das weiß er auch. Mit solchen Vorwürfen zu spielen ist unlauter. Patienten zu verunsichern, um sich wider besseren Wissens Vorteile zu versprechen, ist unanständig“. Dazu äußert sich der Asklepios-Geschäftsführer von der Haar: „Wir halten uns an das geltende Streikrecht und sehen den Streik als solchen, als legitimes und hohes Gut in unserem Land an. Die Signale der Mitarbeiter nehmen wir sehr wohl wahr und sind in vielen Gesprächen mit ihnen, um unsere Sicht zu erläutern. Aus den oben genannten Punkten haben wir zum Wohle der Patienten die Notdienstverpflichtung ausgesprochen“. Zudem weist er darauf hin, dass letztendlich die Geschäftsführung die Verantwortung für die Patientenversorgung trägt, nicht die Gewerkschaft. Zugleich spricht von der Haar eine Notdienstbesetzung an, die in Absprache zwischen therapeutischer, pflegerischer und ärztlicher Leitung erstellt und die entsprechende Verpflichtung erlassen wurden. „Einen Bruch durch Nichterscheinen sehen wir als Patientengefährdung an, dies müssen wir entsprechend ahnden“, heißt es in der Mitteilung.

Solch ein Abstimmungsgespräch gab es auch im Vorfeld durch die Streikleitung. Denn dem Betriebsrat liegt es fern, das Wohl der Patienten zu gefährden. Die ver.di-Streikleitung (im Wesentlichen bestehend aus langjährigem pflegerischen Fachpersonal aus der Klinik) hatte schon eine Woche zuvor an einem Tag mit ärztlich Verantwortlichen und den Therapieleitungen eine verantwortliche Besetzung für die Streiktage besprochen, abgestimmt und vereinbart. Diese wollte aber die Geschäftsführung nicht unterschreiben. Komisch findet es die Streikleitung obendrein, dass die Besetzung der Intensivstation von vier examinierten Pflegekräften in der Früh- und drei in der Spätschicht bei den anderen Vereinbarung zugestimmt wurde. Und plötzlich plädiert die Geschäftsführung auf vier Kräfte pro Schicht.

Dazu merkt Jens Havemann an:  „Diese Dreier-Besetzung wird von Asklepios in der täglichen Praxis regelmäßig praktiziert. Warum soll diese im Streikfall dann plötzlich gefährlich sein?“ Martin Kupferschmidt, von der ver.di-Streikleitung, hat eine Vermutung, was dahinter stehen könnten:  „Dass die Geschäftsführung die Personalausstattung des Notdienstes nun für nicht ausreichend betrachtet, ist nur damit zu erklären, dass die Kostenträger aufmerksam geworden sind und Asklepios wirtschaftliche Konsequenzen bevorstehen. Hier scheint Asklepios plötzlich trotz Streik eine bestmögliche Patientenversorgung zu verlangen, auch übrigens anders als im Normalfall, wenn der Geldfluss der Kostenträger sichergestellt ist“.
Fakt ist, der Ton wird schärfer. Die Asklepios-Geschäftsführung will einzig und allein mit dem Betriebsrat verhandeln, aber nur über die Arbeits- und Sozialordnung. Der Betriebsrat will mit ver.di für einen Tarifvertrag aller Mitarbeiter weiter kämpfen.
syg