Praktischer Prüfungsteil nun an der Puppe statt am Patienten

Landesschulbehörde hat entschieden / Für Seesens Physiotherapeuten wird es keine Prüfung wie sonst

An der Puppe, die eine halbseitige Lähmung simuliert, wurde im Unterricht das Aufstehen vom Bett geübt. Genau diese Puppe kommt bei der praktischen Prüfung zum Einsatz. Dabei geht es um den Bereich funktionelle Bewegungslehre.

Seesen. Jetzt haben die 23 angehenden Physiotherapeuten des Abschlussjahrganges Ph 21 der Medischulen Seesen Gewissheit. Ihre Abschlussprüfung wird vollkommen anders werden. Schulleiterin Andrea Birkner hat die Anweisungen aus Hannover der Landesschulbehörde erhalten. Vor allem für die Schüler her­ausfordernd.

Die Ausbildung soll entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs insbesondere dazu befähigen, durch Anwenden geeigneter Verfahren der Physiotherapie in Prävention, kurativer Medizin, Rehabilitation und im Kurwesen Hilfen zur Entwicklung, zum Erhalt oder zur Wiederherstellung aller Funktionen im somatischen und psychischen Bereich zu geben und bei nicht rückbildungsfähigen Körperbehinderungen Ersatzfunktionen zu schulen, heißt es zum Ausbildungsziel für Physiotherapie auf der Internetseite der Landesschulbehörde Niedersachsen. Inwieweit die Schüler das in den vergangenen drei Jahren verinnerlicht und welches Fachwissen sie erlangt haben, wird bekanntlich im Rahmen der Abschlussprüfungen erörtert. In diesem Jahr im Zeitraum vom 6. bis zum 28. Juli.

Schon mit Blick auf die Anzahl der Prüfungen wird mehr als deutlich: Vieles ist anders. In den vier Prüfungswochen müssen die angehenden Physiotherapeuten bisher weit über 20 Prüfungen absolvieren. Aufgrund der Corona-Krise wurde der Plan auf 14 zu erbringende Leistungen zusammengestrichen. „Es gibt so viele Dinge zu beachten und gewohnte Prüfungsabläufe fallen komplett weg“, fasst Andrea Birkner auf Anfrage die Bestimmungen ein Stück weit zusammen. Beispiele gibt es dafür einige.

So ist die beliebte Rundreise mit den Prüflingen zu den einzelnen Klinken und Standorten, wie zur Lebenshilfe in Seesen, gestrichen. In Bad Salzdetfurth werden die Seesener für gewöhnlich im Fach Orthopädie geprüft, in den Asklepios Kliniken Schildautal in Seesen geht es um den Bereich Elektrotherapie. Beides fällt nun weg. „Für die Bildung der Endnote sind nun die Vornoten in diesen Fächern entscheidend“, erläutert Andrea Birkner.

Die einschneidendste Veränderung betrifft ohne Zweifel den praktischen Prüfungsteil. Dafür zeigen die Schüler ihr Fachwissen am Patienten. Auch das ist gestrichen. Stattdessen greifen sie auf die Übungspuppen zurück, die in den letzten Wochen schon im Unterricht zum Einsatz kamen, der „Beobachter“ berichtete. Wie Annalena Kuhr, eine der 23 angehenden Physiotherapeuten, im Gespräch mitteilt, wird hier die sogenannten funktionelle Bewegungslehre geprüft. Dabei geht es beispielsweise darum, das Schulterblatt wieder zu mobilisieren oder um Übungen mit oder ohne Gymnastikball. „Da das mit der Puppe sehr schwer wird, müssen wir die Bewegungen mit oder ohne Ball selber vorführen“, nennt sie eine der Neuerung, worauf sich der Kurs im Juli einstellen muss. „Herausfordernd“, unterstreicht Annalena Kuhr.

Sämtliche Prüfungen werden in diesem Jahr in den Räumlichkeiten der Medischulen abgelegt. Das gab es bisher so auch nicht. Weitere Vorkehrungen müssen in diesem Zusammenhang getroffen werden. Bisher war es immer üblich, dass die Medischüler zu zweit vor die Prüfer zur mündlichen Prüfung treten. „Damit sie sich gegenseitig Mut machen können“, erläutert Andrea Birkner den Hintergrund der Maßnahme. Jeder absolvierte dann nacheinander seinen jeweils halbstündigen Prüfungsteil. In diesem Jahr wird jeder alleine zu den zwei bis drei Prüfern gehen. Nicht die einzige Veränderung, statt bisher mit sechs Schüler aus dem unteren Jahrgang wird nun ein Gruppenkurs mit nur noch zwei Schülern simuliert. Diese agieren nach Anleitung der Prüflinge.

Für die schriftliche Prüfung bereitet die Schulleiterin zwei Räume vor, um den vorgeschriebenen Mindestabstand von anderthalb Metern zu gewährleisten. Heißt, eine doppelte Aufsicht muss sie obendrein organisieren.

Heute werden die Schüler des Kurses Ph21 letztmalig in der Schule in Seesen sein und erst wieder am 6. Juli zum Prüfungsstart zurückkehren. „Eigentlich hätten wir in der Zeit unser letztes Praktikum, wo viele die Chance genutzt hätten, in dem Betrieb zu arbeiten, in dem sie ab September oder Oktober fest angefangen hätten“, erzählt Annalena Kuhr. Dies wurde bereits gestrichen. Einen positiven Nebeneffekt gibt es dadurch vielleicht, so können sich die 23 angehende Physiotherapeuten intensiv auf ihre besondere Abschlussprüfung unter speziellen Umständen vorbereiten.syg