Radfahrer links, Fußgänger rechts – oder doch anders herum?

Wilhelm Schöbel, Geschäftsführer der örtlichen Verkehrswacht, und seine Beobachtungen auf dem „Drahtesel“

Seesen. Die Braunschweiger Straße in Seesen: Sie übernimmt am Ortseingang aus Richtung der Autobahnanschlussstelle die B 248, führt sie mitten durch Seesen und entlässt sie am Ortsausgang in Richtung Goslar. Eine Durchgangsstraße für den Harzreiseverkehr und für den Berufsverkehr, gleichermaßen stark frequentiert und belastet. Dank gelungener, bereits Jahre zurück liegender Umbaumaßnahmen – sieht man von kleinen Schwächen im Bereich der Anschlüsse zu Einzelhandel und Tankstellen im östlichen Teil ab – ist eine Häufung spektakulärer Verkehrsunfälle in diesem Bereich seit geraumer Zeit nicht mehr zu verzeichnen. Fußgängerüberwege und Fußgängerfurte bieten sichere Überquerung an, Fahrbahnteiler trennen den Begegnungsverkehr und Abbiegespuren erhöhen Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrsflusses.

Also alles bestens? Nun, grundsätzlich schon, wenn da nicht diese dann und wann Meinungsverschiedenheiten zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern die Harmonie trüben würden. Sich dieses Spannungsverhältnisses bewusst, hatten sich seinerzeit die Entscheidungsträger für „Verkehrsbehördliche Anordnungen“ von Seesener Stadtverwaltung und eventuell auch Landkreis sichtlich Mühe gegeben, Konfrontationen und Kollisionen zwischen diesen beiden Gruppen von Verkehrsteilnehmern soweit wie möglich durch entsprechende straßenbauliche Maßnahmen und Regelungen mittels Verkehrszeichen bereits im Vorfeld zu vermeiden.

Auf den ersten Blick mit Erfolg. Ein entsprechend geräumiger Gehweg links und rechts der Fahrbahn wurde durch rote und graue Pflasterung optisch für Radler und Fußgänger getrennt. Abgerundet wurde diese Maßnahme noch durch die Aufstellung der Verkehrszeichen 241, dem Rundschild mit Fahrradsymbol auf der einen und Fußgängersymbol auf der anderen Seite auf blauem Grund (der senkrechte Trennstrich bedeutet in diesem Fall, dass Radfahrer und Fußgänger den Weg getrennt nutzen müssen, Anm. d. Red.).

Wilhelm Schöbel, seines Zeichens Geschäftsführer der hiesigen Verkehrswacht, hat sich vor dem Hintergrund telefonischer und persönlicher Hinweise und Anfragen von Benutzern dieses Verkehrsbereiches die Mühe gemacht, die in Rede stehende Strecke des Geh- und Radweges an der Braunschweiger Straße in Richtung Ortsausgang BAB-Anschlussstelle näher in Augenschein zu nehmen.

Schöbel startete mit dem Fahrrad an der Einmündung Hodagswinkel wie mit Verkehrszeichen 241 vorgegeben im Bereich der linken Hälfte des Geh-/Radweges und folgte dieser Regelung beim Überqueren der Fritz-Züchner-Straße, die hier ebenfalls optisch und durch Zeichen bestätigt wird.

Nach Überquerung der Einmündung „Vor der Kirche“ jedoch schreibt jetzt das geänderte Verkehrszeichen 241 einen Seitenwechsel von Radlern nach rechts und Fußgängern nach links auf der Wegstrecke vor, offensichtlich um den Wartebereich in der linken Hälfte für Fußgänger an der Verkehrssignalanlage Wilhelmsplatz frei zu halten. „Das ist durchaus sinnvoll und dient der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer“, macht Schöbel deutlich.

Erreicht der Biker nun die Zufahrt zum Minigolfplatz beziehungsweise Städtischen Museum, weist ihm die rote Wegpflasterung ohne irgendwelche Ankündigung beziehungsweise Beschilderung mit einem Schwenk wiederum den Bereich der linken Hälfte des gemeinsamen Weges zu. Verkehrsteilnehmer, für die Regelungen und Vorschriften keine Empfehlungen, sondern bindend sind, geraten nun in einen Gewissenskonflikt. Folgen sie der Pflasterung, steht eine Ordnungswidrigkeit wegen Nichtbeachtung des Verkehrszeichens 241 „Vor der Kirche“ im Raum, respektive auf der Straße. Beachten sie die Regelung des Zeichens, ist im günstigsten Fall „nur“ eine Diskussion mit Fußgängern vorprogrammiert. Diese Verunsicherung verstärkt sich dadurch, dass auf der Brücke in Höhe des Schützenplatzes die linksseitige Rotmarkierung besonders deutlich und damit unübersehbar wird. Damit nicht genug, führt diese Pflasterung geradewegs in den Bereich der Fußgängerampel an der Kreuzung des  Schützenplatzes und lässt einen markierten Wartebereich für Fußgänger wie an der Ampel Wilhelmsplatz nicht erkennen. „Was vielversprechend begann, endet in einer für den Laien nicht ganz begreifbaren und nachvollziehbaren Verkehrsführung und Situation“, fasst Wilhelm Schöbel zusammen.

Der wartende Fußgänger steht auf dem Radweg, der irritierte Radler wird – wie Schöbel mehrmals beobachten konnte – rechts über den Fußweg ausweichen. Dies sicherlich ohne Unrechtsbewusstsein und in Unkenntnis der Tatsache,  dass im vorliegenden Fall die Ampelanlage aufgrund ihres Standortes rechts vom Radweg gleichermaßen den Radverkehr wie den Fahrverkehr erfasst und regelt. Im Gegensatz zum Wilhelmsplatz, hier steht der Ampelmast links vom Radweg. Ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied, der in der Praxis dem „Otto Normalradfahrer“ nicht zuletzt aufgrund seiner wenigen Anwendung sicherlich nicht immer bewusst ist.

Klar überspitzt jedoch nicht auszuschließen wäre jetzt, einen Rollstuhl oder Kinderwagen mit anzuführen. Oder gar einen der Radler, die jegliche Beschilderung ignorieren und nach Gutdünken aus purem Egoismus oder Gleichgültigkeit die Radwege in der für sie vorteilhaften, jedoch unerlaubten Richtung benutzen.

Auch hinsichtlich der Sichtbarkeit und Erkennbarkeit des vorgesehenen Radweges musste Schöbel feststellen, dass je nach Witterungsverhältnissen und insbesondere bei Gegenlicht durch Sonneneinstrahlung eine farbliche Unterscheidung streckenweise so gut wie unmöglich ist.

Das Aufbringen eines Fahrradpiktogramms, wie im Verlauf der Jacobsonstraße geschehen, könnte hier möglicherweise Abhilfe schaffen. Gleichzeitig würde dies eine Erleichterung insbesondere für Radler darstellen, deren Aufmerksamkeit und Konzentration sich dann intensiver auf den Fußgängerverkehr und ständig verändernde Situationen als auf wechselnde Regelungen fokussieren könnte.

Wie bereits erwähnt, hatte alles begonnen mit der Zielrichtung einer Besichtigung, um auf die berechtigten Fragen und Hinweise von Benutzern dieses Streckenabschnittes reagieren und informieren zu können. Auch im Hinblick auf Verkehrssituation und Verhalten an den durch Ampel geregelten Fußgängerüberwegen. 

„Mit den dargelegten – teilweise unerwarteten – Erkenntnissen erhoffe ich mir eine Sensibilisierung aller Benutzer der Geh-/Radwege, durchaus verbunden mit sachlichen Gesprächen.

Zudem wollte ich die eine oder andere Unsicherheit klären und beseitigen.

Keinesfalls hatte ich die Absicht, vermeintliche Missstände anzuprangern geschweige denn schulmeisterlich den Zeigefinger zu heben“, zog der Geschäftsführer unserer Verkehrswacht ein abschließendes Fazit. „Ganz umsonst wird meine Tour wohl hoffentlich nicht gewesen sein!“.

Nein, war sie nicht, denn die wechselnde Linienführung des Rad- und Fußweges ist auch im Rathaus bekannt. „Grundsätzlich wird der Radverkehr an der Fahrbahn zugewandten Seite geführt, um ihn – besonders an den Einmündungen – im direkten Blickfeld des Autofahrers zu haben“, erklärt Uwe Zimmermann, Leiter des zuständigen Fachbereichs. Bei Bushaltestellen beispielsweise werde davon abgewichen, um den Radfahrenden quasi hinter dem Wartebereich der Halterstelle zu führen. Die Gründe für die wechselnde Führung an der B 248 seien so heute nicht mehr nachvollziehbar. Allerdings seien diesbezügliche Hinweise oder gar Beschwerden – bis auf eine kritische Nachfrage eines Radlers in jüngster Zeit – der Verwaltung bislang auch nicht mitgeteilt worden. Insofern scheinen sich konkrete „Konflikte“ im Rahmen zu halten.

Gleichwohl kündigte Uwe Zimmermann an: „Da die rote Pflasterung im Lauf der Jahre sehr stark verblasst ist und insofern nur dem sehr aufmerksamen Radler der Farbunterschied zwischen Fuß- und Radweg auffällt; darüber hinaus die aktuellen Mindestbreiten für die getrennte Führung von Fußgängern und Radfahrenden nicht mehr gegeben sind, ist beabsichtigt, die Beschilderung entsprechend den aktuellen Vorgaben der Straßenverkehrsordnung zu verändern – beispielsweise durch eine gemeinsame Führung beziehungsweise einem Fußweg mit Zusatz ‘Radfahrer frei’.“ Damit würden dann die geschilderten Unsicherheiten ausgeräumt.kno/schö