Riesenwirbel um die blauen Wildwarnreflektoren

Plötzlich soll die Jägerschaft Seesen eine Nutzungsvereinbarung unterschreiben

Im Jahr 2016 brachte die Jägerschaft Seesen, hier der 1. Vorsitzende Achim Engel und Schatzmeisterin Eleonore Rambow-Kirsche, insgesamt 500 blaue Wildwarnreflektoren an den Leitpfosten an. 174 Stück im Bereich Lutter, 100 im Bereich Langelsheim und 226 im Bereich Seesen, wie hier beispielseise an der B 248 auf Höhe der Schießanlage Schweinsrücken bei Hahausen.

Seesen. Für einen schlechten Scherz könnte man das Schreiben des Goslarer Geschäftsbereichs der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vielleicht halten. Doch Achim Engel, 1. Vorsitzender der Jägerschaft Seesen, blieb das Lachen im Hals stecken, als er es genauer las. Denn plötzlich wird er darin aufgefordert für die Anbringung der blauen Wildwarnreflektoren an den Bundesstraßen 243, 82 und 64 eine Nutzungsvereinbarung zu unterschreiben. Die hätte für ihn sogar Folgen, geschockt ist die Jägerschaft, denn das Projekt wird bereits seit 2016 umgesetzt und dafür ernten die Seesener viel Lob.

Bis heute wurden 7.000 Euro investiert

Zur Erinnerung: 500 Reflektoren, finanziert damals mit einer Spende von der Volksbank, hatte die Jägerschaft Ende 2016 installiert. Unterstützt wurden sie dabei vom Straßenverkehrsamt Goslar und von Sigurd Breustedt, Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizeiinspektion Goslar und Geschäftsführer der Verkehrsunfall-Kommission. Damit sich bei den Wildtieren kein Gewöhnungseffekt einstellt, wurden Reflektoren mit verschiedenen blauen Farbtönen verwendet, die Tiere sollen durch die Reflexion des Scheinwerferlichtes vom Straßenrand vertrieben werden. Ausgestattet wurden die Wildwarnreflektoren auch mit einen mit Duftmitteln getränkten Schwamm. Wie Michael Schwerdtfeger von der Jägerschaft Seesen auf Anfrage mitteilt, brachten sie 174 Stück im Bereich Lutter, 100 im Bereich Langelsheim und 226 im Bereich Seesen an. Bis heute beträgt das investierte Projektvolumen rund 7.000 Euro, denn die Reflektoren müssen auch gewartet werden.

Mit ihrem Projekt hat die Jägerschaft Seesen bestimmt schon den einen oder anderen Wildunfall auf den Straßen rund um Seesen verhindert.  Das lässt sich auch mit Blick in die Statistik belegen, die Zahl der Wildunfälle ist zurückgegangen, als das Projekt 2016 gestartet ist, wurden 133 Wildunfälle registriert, ein Jahr später sank die Zahl auf 90 und im vergangenen Jahr gingen 63 Wildunfälle in dem Bereich in die Statistik ein. „Mir wurde schon von Autofahrern berichtet, dass sie nach Erkennen der Reflektoren aufmerksamer wurden und ihre Geschwindigkeit verminderten. Das Herabsetzen der Geschwindigkeit kann Unfälle verhindern oder die Folgen reduzieren“, teilt Polizeihauptkommissar Sigurd Breustedt, Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizeiinspektion Goslar, auf Anfrage mit. Wie viele Unfälle es sind, lässt sich nicht sagen, jedoch zeigt die Maßnahme Wirkung. Vor allem die Kombination aus Reflektor und Duftstoff, auf die die Seesener setzen. „Die Wirksamkeit von Duftstoffen ist nachgewiesen. Die Wirksamkeit von Reflektoren auf das Wild ist in der Fachwelt umstritten. Meines Erachtens wirken sie aufgrund ihrer guten Erkennbarkeit jedenfalls auf den Kfz-Verkehr“, fügt Breustedt dazu an.

1. Vorsitzender würde privat haftbar sein

„Ich habe nichts gegen Regeln, doch es muss verhältnismäßig sein“, begründete Achim Engel, 1. Vorsitzender der Jägerschaft Seesen im Gespräch mit dem „Beobachter“. Am 17. Januar 2017 hat er die Nutzungsvereinbarung für die B 248 noch unterschrieben.  Auch im guten Glauben, wie er versicherte. Doch mittlerweile wurde ihm die Tragweite seines Handelns bewusst und diese im Gespräch mit dem Behördenmitarbeiter noch einmal verdeutlicht, wie er auf der jüngsten Jahreshauptversammlung der Jägerschaft Seesen erläutertete. Krux an der Sache ist, dass bei einem Unfall Achim Engel privat und vor allem finanziell für die Kosten haftbar gemacht werden kann. Wenn dieser in Folge der blauen Warnreflektoren passiert. Während der Versammlung nannte Achim Engel zwei Beispiele: Wenn beispielsweise ein Kind am Reflektor spielt und dann in der Folge von einem Auto erfasst wird. Oder – Fall 2 – ein Radfahrer bleibt am Reflektor hängen und stürzt daraufhin schwer. Auch wenn er nur Löcher in seinen Sachen haben würde, könnte er den Ersatz bei Achim Engel einfordern.

Die Landesbehörden samt Straßenmeisterein als ausführende vor Ort sind nach „Beobachter“-Information verpflichtet, nur Dinge auf den öffentlichen Straßen zu verbauen und zu genehmigen, die vom Bundesamt für Straßenwesen geprüft und gestattet sind. Aktuell gehören die blauen Wildwarnreflektoren nicht dazu. Daher die Nutzungsvereinbarung, um die Haftungsfrage zu regeln.

Behörde vereist auf Regelung im Bundesgesetz

Fakt ist, genau diese Forderung nach einem Nutzungsvertrag kommen vom Bund und vom Land Niedersachsen. Letzteres durch eine Rundschreiben des Verkehrsministers. Die Goslarer Behörde ist nur die ausführende in dem Fall. In dem Schreiben an die Jägerschaft, das dem „Beobachter“ vorliegt, wird auf das Bundesfernstraßengesetz (FStrG) verwiesen, speziell auf § 8, indem die Sondernutzungen geregelt sind. Darin heißt es unter anderem: „Wird eine Bundesfernstraße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen“. Und genau das wird in dem Schreiben angeordnet, wird der Nutzungvertrag nicht unterschrieben, müssen bis zum 15. April sämtliche Wildwarnreflektoren an der B 243, an der B 82 und an der B 64 entfernt werden.

Mittlerweile ist Bewegung in die ganze Sache gekommen, der Goslarer Geschäftsbereich hat die Frist ausgesetzt, teilt Michael Schwerdtfeger mit. Doch die Sache ist für die Jägerschaft damit nicht vom Tisch. Eine Klärung muss es geben, darauf hoffen alle.syg