Schreck in der Morgenstunde: Die Quadriga der „Züchner Villa” wird abgebaut

Ein echtes Wahrzeichen Seesens „verschwindet” klammheimlich/ Villa wird am Montag zwangsversteigert / Eigentümerin will sich äußern

Seesen. Was passiert denn da mit der Quadriga auf der Züchner-Villa? Helle Aufruhr am Samstagvormittag in der Dehnestraße in Seesen. Und nicht nur dort. Per Lastenkran wird dort seit den Morgenstunden die altehrwürdige Quadriga abgebaut. Warum denn das? Der „Beobachter” war vor Ort und hat auch mit den Eigentümern gesprochen, die vor Jahren die Villa erworben hatte. Mitgeteilt wurde lediglich, dass die kupferne Quadriga in jedem Fall restauriert werden müssen. Dass der Abbau zwei Tage vor dem Versteigerungstermin der Züchner-Villa beim Amtsgericht Seesen vollzogen wird, lässt indes Raum für Spekulationen. Soll hier versucht werden, das Viergespann noch schnell in Sicherheit zu bringen? Alles Spekulation. Weitergehend Informationen wurden für Montag versprochen. In der Tat fiel bei näherer Betrachtung auf (Fotografieren war auf dem Grundstück leider nicht gestattet), dass die Quadriga in der Vergangenheit sehr gelitten hat. Risse und Beschädigungen haften an dem Kunstwerk.

Die Quadriga, eine Art Wahrzeichen Seesen, ist die verkleinerte Version der im Jahre 1868 geschaffenen Quadriga auf dem Braunschweiger Schloss.

Diese wiederum krönte 76 Jahre den Mittelteil des Schlosses und brach nach der Bombardierung Braunschweigs bis zur Zwischendecke ein. Buntmetalldiebe plünderten der Historie nach die Quadriga kurz nach Ende des Krieges. Der Rest wurde 1960 verschrottet.

Damit ist die Seesener Quadriga auf der Villa Züchner nicht irgendein bedeutungsloser Nachbau, sondern in der Tat von kulturhistorischer Bedeutung.

Die Geschichte dieser Quadriga ist ebenso spannend. Sie wurde im 19. Jahrhundert nach einem Modell Prof. Ernst Rieschels in der Carlshütte Delligsen für die damalige Weltausstellung im Jahr 1893 in Chicago angefertigt und soll in den Vereinigten Staaten durchaus für Furore gesorgt haben. Später wurde es dann vom Seesener Fabrikanten Fritz Züchner in der Blütezeit der Konservenindustrie erworben. Und das aus einem besonderen Grund. Züchner glaubte, wie viele andere in dieser Zeit an einen Sieg Deutschlands im Ersten Weltkrieg und so hatte er vor, die Quadriga als Zeichen des Triumphes der Heimatstadt Seesen zu stiften.

Ein Siegestor sollte hier erbaut werden. Die Geschichte wurde indes anders weitergeschrieben. Deutschland streckte im Jahr 1918 die Waffen und der Krieg war verloren. So wurden die Pläne geändert, Züchner schenkte die Quadriga seinem Sohn zur Hochzeit und ließ sie – angeblich während der Hochzeitsreise – heimlich auf der Villa errichten.

Die Freude über dieses Geschenk soll sich im Übrigen in Grenzen gehalten haben, aber sie stand nun dort. Und blieb dort stehen bis zum 24. März des Jahres 2018.

 uk