Seesener, die in Auschwitz starben

Stolpersteine erinnern an das Schicksal der Juden aus der Vorharzstadt / Heute Gedenkveranstaltung

Marvin Hanelt, Xenia-Leony Sydekum und Vincent Tauchert beim Reinigen der Stolperstein im Bereich der mittleren Jacobsonstraße.

Seesen. Der Begriff „Auschwitz“ ist Symbol geworden für die bis heute unfassbare fabrikmäßige Ermordung von Menschen. Von 1940 an bauten die Nationalsozialisten vor den Toren der Stadt Oswiecim ein riesiges Konzentrationslager. Dieses KZ wurde alsbald Schauplatz des organisierten Massenmordes an den europäischen Juden. Nur wenige der in Auschwitz Inhaftierten haben überlebt. Schon seit mehreren Jahren gibt es in der Oberschule Seesen das „Gedenkstättenprojekt Auschwitz“ mit Schülerinnen und Schülern der 10. Klassen, die sich mit dem Holocaust beschäftigen und die auch im kommenden Jahr wieder das ehemalige Konzentrationslager und die heutige Gedenkstätte besuchen.

Zu dem Projekt gehört auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Juden, die zu Zeiten des Nationalsozialismusses in Seesen lebten und die in Auschwitz ermordet wurden. An sie erinnern seit einigen Jahren die Stolpersteine in Seesen und in Rhüden. In dieser Woche haben die Schülerinnen und Schüler der Oberschule diese Steine gereinigt. Beispielsweise die fünf Steine der jüdischen Familie Hamm aus Seesen, die in Auschwitz getötet wurde. Heute nehmen die Schülerinnen und Schüler zudem am Gedenken an die Novemberpogrome im Jahr 1938 teil.

Die Gedenkveranstaltung beginnt am heutigen Sonnabend um 11 Uhr auf dem Jacobsonplatz. Es werden unter anderem Bürgermeister Erik Homann, Propst Thomas Gleicher, der Leiter des Jacobson-Gymnasiums, Stefan Bungert sowie SPD-Ortsvereinsvorsitzender Patrick Kriener sprechen.
Bereits seit Schuljahresbeginn haben sich die Oberschüler mit dem Nationalsozialismus in Deutschland, der Entrechtung und Verfolgung der Juden auseinandergesetzt.

Neben einem Besuch im Städtischen Museum Seesen steht in den kommenden Tagen auch der Besuch des jüdischen Friedhofes sowie eine Analyse des Totenbuches der Jacobsonschule.

Anfang des neuen Jahres bereiten die Schülerinnen und Schüler dann die Auschwitz-Fahrt intensiv vor, bevor sie am 15. Februar von Seesen aus nach Polen reisen werden, wo sie in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz untergebracht sind. Ein Besuch führt die Seesener auch nach Krakau.

Ein Blick zurück ins Grauen: Die Unterkünfte der Juden in Auschwitz Anfang der 40er-Jahre waren Baracken und ehemalige Pferdeställe, in die Menschen zu Tausenden gepfercht wurden. Die Enge, fehlende Hygiene, Hunger und Kälte führten zu Krankheiten und Epidemien. Täglich starben Menschen in den Häftlingsunterkünften. Die Überlebenden waren umgeben von Sterbenden und Leichen. Wer Schwäche zeigte, wurde schikaniert. Wenn er nicht von allein starb, wurde er zum Sterben aussortiert. All das wird den Seesener Schülern vor Ort noch einmal nahe gebracht.

Am 11. April des kommenden Jahres nehmen die Schülerinnen und Schüler zudem an der Gedenkfeier zur Befreiung des Lagers Mittelbau-Dora teil. Im Anschluss an die Nachbereitung steht dann am 20. April des kommenden Jahres eine öffentliche Präsentation des Projektes bevor.

Auschwitz ist der deutsche Name der polnischen Kleinstadt Oswiecim, die zwischen Kattowitz und Krakau liegt. Die Stadt gehörte mal zu Deutschland, mal zu Österreich, mal zu Polen. Juden siedelten schon früh in Oswiecim. Die jüdische Gemeinde prägte über lange Zeit das Leben in der Stadt mit. Diese Welt ist mit den unfassbaren Morden der Nationalsozialisten für immer verloren gegangen. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie groß die Zahl der ermordeten Juden allein in Auschwitz war, hatte Dr. Droste während der Reinigung der Stolpersteine ein Beispiel parat: „An nur einem einzigen Tag wurden in Auschwitz so viele Menschen ins Gas geschickt, wie heute in der Seesen leben! Also rund 12.000!“ Unfassbar!

Etwa 80 Prozent der aus ganz Europa nach Auschwitz deportierten Menschen wurden direkt in die Gaskammern geschickt. Nur diejenigen, die noch „verwertet“ werden können, wurden aussortiert: Wer noch arbeiten konnte, wurde zur Arbeit gezwungen. Beim Bau neuer Straßen, Krematorien oder Siedlungen starben die meisten der Arbeiter innerhalb weniger Monate unter den katastrophalen Arbeitsbedingungen. Ein Teil deutscher Geschichte, die nie in Vergessenheit geraten darf.uk