Seesener Marcel Jeninga kämpft gegen Kindesmissbrauch

Ein Handbuch der Perversion kursiert im Internet / Anleitung, Kinder zu missbrauchen

Der Seesener Marcel Jeninga führt seinen Kampf gegen das Handbuch und gegen Kindesmissbrauch weiter fort.

Seesen. Im Jahr 2009 ändert sich das Leben des Niederländers Marcel Jeninga schlagartig. Seine damals dreijährige Tochter wurde von seinem einschlägig vorbestraften Nachbarn sexuell missbraucht. Der Täter hatte bereits im Jahr 1991 ein achtjähriges Mädchen vergewaltigt und im Anschluss erwürgt. Nach dieser Tat bricht seine Familie zunächst auseinander. Jeninga verlässt die Niederlande, zieht nach Niedersachsen, nach Bad Bentheim, später weiter nach Seesen. „Ich habe damals privat viel erlitten und ich hatte einen Bekannten in Seesen“, erklärt Jeninga, weshalb er nach Seesen gezogen war.

Schon in Bad Bentheim beginnt er zu recherchieren und findet im Internet drei Webseiten, auf denen Teile und sogar ein ganzes Handbuch öffentlich als PDF-Dokument zum Download bereitsteht. Es ist ein Handbuch, wie es perfider nicht sein kann. Es beschreibt auf zirka 1000 Seiten in englischer Sprache detailliert in mehreren Stufen das Vorgehen, wie ein Täter, ohne Spuren zu hinterlassen, ein Kind sexuell missbrauchen kann.

In dem Handbuch werden mögliche Risiken, die Vorgehensweise, wie man das Vertrauen eines Kindes erlangen kann, sowie strategisch günstige Orte, an denen sich potentielle Opfer am besten überwältigen lassen, gezeigt. Es werden sogar die Vorgehensweisen für verscheidene Altersgruppen dargelegt.

Für jede eigene Gruppe gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Zur Erklärung wird dabei genau die Anatomie eines Kindes, sowohl Mädchen als auch Jungen, beschrieben. „Dazu gehört auch eine Zeichnung der kindlichen Hand“, so Jeninga. Dadurch sollen Verletzungen und damit Spuren vermieden werden.
Das Handbuch ist in einem geschützen Bereich des Internets, dem sogenannten Darknet, zu finden. „Dies stellt bei der Strafverfolgung ein großes Hindernis dar, da der Verfasser, der das Dokument, laut eigener Aussage, stetig aktualisiert, nicht nachverfolgt werden kann“, so der Seesener. Für Jeninga, der den Kampf gegen den Missbrauch von Kindern aufgenommen hat, einfach nur unfassbar.

Im Jahr 2010 erstattete Marcel Jeninga Anzeige gegen die Pädophilen-Vereinigung, von der sein ehemaliger Nachbar Tipps und Hinweise zum Kindesmissbrauch bekommen hatte. Schließlich hat er nach einem vier Jahre langem Rechtstreit endlich erreicht, dass am 18. April 2014 diese Pädophilen-Vereinigung in den Niederlanden verboten wurde. Später wurde im Jahr 2015 in Großbritannien ein Gesetz verabschiedet, mit dem das Verbot des Handbuchs festgehalten wurde.

Zur gleichen Zeit hat er seine Initiative „Strijd Tegen Misbruik“, zu deutsch „Kampf gegen Missbrauch“, ins Leben gerufen. Im Januar des vergangenen Jahres fuhr er nach Den Haag, um auf sein Anliegen, das Handbuch zu verbieten, aufmerksam zu machen. Das war der Anstoß für eine Debatte im niederländischen Parament. Schließlich erreichte Marcel Jeninga sein Ziel: Am 23. Januar 2020 wurde im Parlament ein Gesetz mit den Stimmen aller Abgeordneten verabschiedet.

Damit ist nun der Besitz, die Verbreitung sowie die Inanspruchnahme des Handbuches in den Niederlanden unter Strafe steht. Dies ist ihm gelungen, obwohl der niederländische Justizminister das Handbuch zunächst „heruntergespielt“ habe. So können bei diesem Vergehen in den Niederlanden vier Jahre Haft fällig werden. Zudem hat er landesweite mediale Aufmerksamkeit erzielt, da er unter anderem mit diesem Thema im Fernsehen aufgetreten ist.

Nächstes Ziel: Deutschland

Jeninga ist mit seiner Initiative in insgesamt acht Ländern aktiv. Nun will er vor allem die deutsche Bevölkerung wachrütteln. Dazu erstattete er im Juni bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anzeige gegen die Verbreitung des Handbuchs.

Im September 2019 war er sogar im Bundestag zu Gast und sprach mit Vertretern von CDU und CSU, da von Seiten der deutschen Regierung keine Aktionen erfolgten. Doch auch danach geschah erst einmal nichts. Dies macht Jeninga sowie seinem Bündispartner Carsten Stahl, der sein eigenes Projekt „Bündnis Kinderschutz“ gegründet hat, fassungslos.
Die Rechtslage ist eindeutigt. Deutschland ist Teilnehmer der sogenannten Lanzarote Konvention von 2009. Diese ist ein „Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“. Demnach verpflichten sich die Teilnehmer, Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch zu erarbeiten und umzusetzen.

Außerdem ist Deutschland Mit-Unterzeichner der UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989. Schon im Jahr 2014 stellte die UN in einem Bericht fest, dass die Maßnahmen seitens der deutschen Regierung nur unzureichend seien.
Auch deswegen kämpft Marcel Jeninga mit seiner Stiftung weiter für die Kinder. „Meine Stiftung hilft sowohl Betroffenen als auch deren Angehörigen und berät diese in Fällen von Kindesmissbrauch“, so Jeninga, der eine Selbsthilfegruppe für Betroffene in Bad Bentheim gegründet hat. Mit Carsten Stahl und seinem Bündnis, dem International-Children-Help e.V. (ICH) aus Stadthagen und seiner Organisation geht Marcel Jeninga weiter gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und das Handbuch vor, sowohl in Deutschland, als auch international.

Zur Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt weiter gegen Unbekannt. Jeninga hofft, dass nun bald der Verfasser des Handbuchs ermittelt werden kann und dass das Handbuch in Deutschland endlich verboten wird.