Seesens berühmteste Ausreißer-Kuh bringt gesundes Kälbchen zur Welt

Der „Beobachter“ hat „Funny“ und ihren Nachwuchs einmal im Stall in Bredelem besucht

Landwirt Daniel Morick, Tierärztin Johanna Geng (Mitte) und „Patentante“ Sabine Rieckhoff freuen sich über „Funnys“ gesunden Nachwuchs. „Ursela“ erblickte am 1. Juli das Licht der Welt.

Seesen/Bredelem. Mit hochgestellten Ohren hat „Funny“ alles im Blick. Sie zaubert ein Lächeln ins Gesicht der Besucher. Sie alle sind an diesem Tag gekommen, um zu schauen, wie es ihr und dem neuen Kälbchen geht. An sich auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches, doch die Mutter des Kälbchens ist „Funny“, die wohl berühmteste Ausreißer-Kuh des „Harz Vorland Hofes Bock“, die sich vier Monate lang im Wald zwischen Seesen und Lautenthal versteckt hielt und für Furore sorgte. Der „Beobachter“ hat „Funny“ und ihren Nachwuchs einmal im Stall besucht.

Wenn die Tiere nicht auf der Sommerweide bei Lautenthal und Bredelem stehen, sind sie auf dem „Harz Vorland Hof Bock“ im Langelsheimer Stadtteil Bredelem zu Hause. Gezüchtet wird hier die vom Aussterben bedrohte Nutztierrasse „Harzer Rotes Höhenvieh“, der auch „Funny“ natürlich angehört. Landwirt Daniel Morick ist glücklich, Anfang des Monats konnte er dem „Beobachter“ diese frohe Botschaft mitteilen:  Am 1. Juli um 3 Uhr morgens hat „Funny“ ein gesundes Kälbchen geboren. Getauft wurde es auf den Namen „Ursela“. Es musste einer mit dem Anfangsbuchstaben U sein, denn der Vater heißt Ursus. In der Rinderviehhaltung gibt der Bulle den Nachnamen vor. Die finale Auswahl oblag „Patentante“ Sabine Rieckhoff, die regelmäßig vorbeischaut und einen Bund Möhren dabei hat.

Zur Erinnerung: Vor drei Jahren hat „Funny“ selbst das Licht der Welt erblickt. Handzahm war sie und hatte keine Angst vor Menschen. Doch das hatte sich gewandelt. Unbekannte hatten 2019 an der Sommerweide bei Lautenthal erst die Zäune beschädigt und das „Rotes Höhenvieh“ vom Hund jagen lassen. Doch das für „Funny“ einschneidendste Erlebnis passierte am 14. Oktober 2019. „Am Teufelsberg“, wo die Weide liegt, hatten Unbekannte damals illegal Gartenabfälle entsorgt, darunter befanden sich hochgiftige Eibenzweige. Dann nahm das Drama seinen Lauf, denn vier Tiere verendeten innerhalb von drei Tagen, darunter auch die Mutter von „Funny“, erzählt der Landwirt. Sie stand neben ihren toten Artgenossen und musste zudem ihr Leiden mit ansehen. Das traumatisierte das Tier. Erst schien alles gut, doch die Kuh nahm immer mehr Abstand zum Menschen. Schließlich ergriff sie im Dezember 2019 voller Panik die Flucht, „Funny“ sprang über den Zaun und verschwand in den Seesener Wald.

Laut Daniel Morick haben unterm Strich 20 Personen geholfen, dass „Funny“ zurückkehrt. Erfolgreich waren sie nach erneuten Hinweisen auf den Aufenthaltsort Mitte April. Nach einer vierstündigen Verfolgung zu Fuß konnte Tierärztin Johanna Geng noch zwei weitere Pfeile antragen, so dass es ihrem Freund Timo Ziechmann schließlich gelang, „Funny“ ein Halfter anzulegen. Danach schlief sie etwa eine halbe Stunde durch die Betäubung. Das Tier wurde verladen und nach Bredelem gebracht.  Die Tierärztin stellte damals fest, das „Funny“ noch trächtig war. Die Geburt ist normal verlaufen, was Johanna Geng besonders freut. Dass eine Kuh monatelang im Wald ausharrt, hat sie in ihrer bisherigen Laufbahn als Tierärztin auch noch nicht erlebt. „Durch den milden Winter hat sie ja auch immer ausreichend Futter finden können“, erzählt Johanna Geng. Glücklich sind alle über das gute Ende.

Jedes einzelne Tier zählt auf dem Bredelemer Hof wie ein Familienmitglied, berichtet Daniel Morick, daher war es für ihn auch eine Herzensangelegenheit, „Funny“ wohlbehalten zurückzubringen. Sie hat sich bis heute gut erholt und super in die Herde eingefügt. Bewusst hat Daniel Morick eine gewählt, in welcher die Rangordnung noch nicht so ausgeprägt ist. Sie und ihr Kälbchen wurden wunderbar aufgenommen. Geblieben ist aber bis heute „Funnys“ aufmerksamer und neugieriger Blick nach oben. Sie beobachtet alles, heißt es aus der Runde im Stall.

Falls „Funny“ erneut Fluchtgedanken hegen sollte, hat sie es jetzt weit bis nach Seesen. Denn auf die Wiese „Am Teufelsberg“, zwischen den Landesstraßen 515 und 516 bei Lautenthal gelegen, wird sie laut Daniel Morick nicht zurückkehren. „Da kennt sie sich zu gut aus“, sagt er und muss lachen. Stattdessen grast sie ab dieser Woche mit ihrem Kälbchen „Ursela“ auf der Bredelemer Sommerweide.

Übrigens, für alle Helfer plant der Hof, wenn es die aktuelle Situation zulässt, ein Dankesfest. Urselas Geburt nehmen sie dafür zum Anlass. Ende gut, alles gut.syg