„Sie können doch die Quadriga nicht von der Villa trennen”

Die letzten Besitzer der Villa aus der Familie Züchner haben sich gemeldet / Vom Aufruf der Seesener gerührt

Von 1923 bis zum 24. März 2018 thronte die Seesener Quadriga auf der Züchner-Villa in Seesen, an jenem Märztag wurde sie abgebaut.

Seesen. Wenn der Blick von der Lautenthaler Straße hinüber zur ehemaligen Züchner-Villa schweift, schwingt eine große Portion Wehmut mit, denn der Stadt fehlt seit dem 24. März eines ihrer Wahrzeichen – die Seesener Quadriga. Damals wurde das historische Kleinod abgebaut und nach Braunschweig geschafft. Die Villa hat mittlerweile den Besitzer gewechselt, doch das Schicksal der Quadriga bewegt die Seesener und die letzten Bewohner der Villa, nämlich Kriemhild und Manfred Züchner.

Mittlerweile ist die Seesener Quadriga nicht mehr öffentlich zu sehen, sie lagert an einem geheimen Ort. In dieser Woche hat der Bornhäuser Michael Neufeld einen Leserbrief an den „Beobachter” geschickt, unterschrieben von insgesamt 260 Seesenern. Die zentrale Botschaft an den künftigen Bürgermeister der Stadt Seesen, denn im kommmenden Jahr sind Bürgermeisterwahlen: „Holen Sie bitte die Quadriga zurück nach Seesen!“

Diese Zeilen haben Kriemhild und Manfred Züchner erreicht. Manfred Züchners Großvater, Fritz Züchner sen., hatte bekanntlich die Quadriga erworben und schließlich diese seinem Sohn Fritz Züchner jun. und seiner Frau Irma zur Hochzeit geschenkt. Aus der Ehe stammt unter anderem Manfred.

Er und seine Frau haben einen Leserbrief verfasst, den ihr Sohn, Fritz Andreas Züchner, am gestrigen Freitag an den „Beobachter” schickte.

Der Brief im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Neufeld, liebe Seesener,

Ihr Aufruf (im „Beobachter” vom 13. November), die Quadriga bitte wieder nach Seesen zurückzuholen, der von 260 Personen mit unterschrieben wurde, hat uns tief berührt und so möchten wir, mein Mann und ich, – also die Züchner-Familie, doch auch dazu Stellung nehmen.

Wir verließen am 1. September 2007 Seesen. Die Firma war verkauft! Erzwungen unter dem Preisdruck des französischen Wettbewerbs, und die Villa kaufte der beste Freund unseres Sohnes. So wähnten wir die Arbeitsplätze in der Firma als gesichert und die Villa in besten Händen! Nun, es kam ganz anders!

Die Villa stand plötzlich bei Engel und Völkers zum Verkauf, großes Entsetzen bei uns, keiner hatte uns unterrichtet. So riefen wir bei Engel und Völkers an, was denn mit der Quadriga wäre? „Nun, die wäre im Kaufpreis nicht eingeschlossen!“ Keine Auskunft, was das bedeuten sollte. – „Sie können doch die Quadriga nicht von der Villa trennen“, sagten wir. Man hielt keine Antwort an uns für nötig! – Dann hieß es, „die Quadriga ist bei Nacht und Nebel verschwunden“. Wir fahndeten und gelangten in Braunschweig an die Richard-Borek-Stiftung.

Das Gespräch war kurz und bündig: „Sie haben doch mit der Quadriga gar nichts mehr zu tun!“- „Irrtum, meinten wir, denn der Großvater Fritz Züchner sen. wollte diese Quadriga, die 1873 in Amerika zur Weltausstellung war und die er dann erworben hatte, in der Hoffnung, dass der Krieg 1914 bis 1918 gewonnen würde, der Stadt Seesen mit einem Siegestor spenden.“– Der Krieg wurde leider verloren und so ließ er das Prachtstück seinem Sohn 1923 als Hochzeitsgeschenk auf die Villa in der Dehnestraße setzen. Wir hatten uns sehr bemüht, die Stadt Seesen möge die Villa mit der Quadriga unter Denkmalschutz setzen lassen. Leider sah man keine Möglichkeit.

Ja und nun, wie geht es weiter?

Wir erkundigten uns nach dem Preis der Restaurierung für die Quadriga – keine Antwort! Wir hatten diese selber 1992 restaurieren lassen, der Beobachter berichtete damals (mit Bildern). Wir zogen nach dem Tod von Irma Züchner in die Villa, wo wir von 1993 bis 2007 lebten. Aber im Alter und zu zweit, die Kinder leben weit entfernt, entschlossen wir uns dann doch, uns zu verkleinern.

Ja, wer stellt nun fest, ob man die Quadriga beim Verkauf von der Villa trennen durfte und wenn sie wieder erworben würde, was kostet diese dann? Wir spendeten für die neuen Kirchenglocken, die damals Fritz Züchner sen. alle vier spendete. Natürlich würden auch wir für die Quadriga spenden, sind wir doch Seesen noch immer mit dem Herzen sehr verbunden. Aber wer übernimmt die weitere Abwicklung, die Quadriga wieder in ihren alten Heimatort Seesen zurückzuholen? Leider können wir, mit unseren 82 und 90 Jahren, diese Aufgabe nicht mehr erfüllen.

Ihre Kriemhild und Manfred Züchner

Fakt ist

Das Schicksal der Quadriga ist nach wie vor nicht geklärt. „Die Seesener Quadriga braucht dringend Hilfe“, verdeutlichte Dr. Ulrike Sbresny, Geschäftsführerin der Stiftung Residenzschloss Braunschweig und Leiterin des Schlossmuseums, Anfang August beim Pressetermin im Rahmen der Ausstellungseröffnung.

Ob es zu einer Restaurierung kommt und wie es weiter geht, liegt auch in der Hand der Richard-Borek-Stiftung. Diese hatte damals mit der Besitzerin eine Übereinkunft getroffen. Was vereinbart wurde, ist nicht bekannt.syg