Solly Ganor – Kindheit im Holocaust

Eindrucksvolles Live-Hörspiel zur Demokratieerziehung für Schüler des Jacobson-Gymnasiums und der Oberschule

Jazzmusiker Wolfgang Lackerschmid am Vibraphon und Schauspieler Thomas Darchinger.

Seesen. Der Zuschauerraum der Aula im Schulzentrum Seesen ist abgedunkelt, als sich am vergangenen Freitagmorgen zunächst die oberen Jahrgänge des Jacobson-Gymnasiums, später dann die der Oberschule dort versammeln. Ein Scheinwerfer erhellt nur die Bühne, auf der lediglich ein Tisch, ein Instrument und eine Leinwand zu sehen sind, auf welcher unter anderem die Worte „Erinnern, fühlen, verstehen, handeln” erscheinen.

Diese bilden das Motto der Demokratiekampagne „Das andere Leben. Eine Kindheit im Holocaust“, welche an diesem Tag in Seesen zu Gast ist. Dabei handelt es sich um ein Live-Hörspiel, bei dem der Schauspieler Thomas Darchinger aus der Autobiografie des Holocaust- Überlebenden Solly Ganor vorliest. Musikalisch begleitet wird er dabei von dem Jazzmusiker Wolfgang Lackerschmid am Vibraphon.

Nach einer Begrüßung durch die jeweilige Schulleitung erklärt Thomas Darchinger zunächst, wie aktuell die Frage nach einem Demokratieverständnis in heutigen Zeiten sei, in denen es durchaus Parallelen zu dunkleren Zeiten gebe. Als besonderes Problem erklärt er dabei den Umgang mit Feindbildern, die vor allem in Diktaturen zur Ausübung von Gewalt und Machterhalt dienen, dabei könne jeder zum Feindbild werden.

Im Dritten Reich waren es unter Hitler vor allem die Juden, von denen Solly Ganor zu einem der wenigen Überlebenden gehört. Nach einer kurzen Vorstellung Sollys, beginnt Darchinger aus der Biografie vorzulesen. Die Schüler erfahren, dass der Junge gerade einmal 13 Jahre alt war, als deutsche Truppen in seine Heimatstadt Kaunas in Litauen einfielen und ihn mit seiner Familie ins Ghetto Kaunas und anschließend nach Stutthof (Danzig) trieben.

Von dort wurde er anschließend mit seinem Vater 1944 ins Außenlager des KZs Dachau nach Kaufering/ Landsberg deportiert, wo er schließlich erfahren muss, was die Nationalsozialisten unter „Vernichtung durch Arbeit“ verstehen. Lebendig und unmittelbar ergreifend werden dabei seine Erlebnisse im Lager geschildert, was vor allem der Erzählweise Darchingers zu verdanken ist.

Einfühlsam untermalt von den musikalischen Beiträgen Lackerschmids liest er die Passagen äußerst emotional und intensiv. Die barschen Befehle und Anordnungen der SS-Leute zitiert er lautstark, sodass diese in der konzentrierten Atmosphäre der Aula unweigerlich in Mark und Bein fahren. Immer wieder kommt dabei das menschenverachtende und perfide System der Nationalsozialisten zum Ausdruck.

So muss ein Gefangener sein Leben lassen, weil er eine Schale Suppe erhalten hat oder Solly muss mit ansehen, wie sein ehemaliger Lehrer erschossen wird, weil dieser ihm ein Buch schenken wollte. Über allem stehen der ständige Hunger und die Angst vor der eigenen Vernichtung. Nach der eindringlichen Schilderung des Todesmarsches, bei dem der Junge seinen Vater verliert, steht am Ende die Befreiung Sollys durch die amerikanischen Alliierten, aber auch die Frage nach der unbekannten Zukunft.

Am Ende der Lesung macht Darchinger nochmals deutlich, welches Privileg es ist, heute in einer Demokratie leben zu können, ohne Angst, eine falsche Meinung zu haben. Aber er ermahnt die Schüler auch, dass es dabei wichtig sei, Demokratie nicht als selbstverständlich anzusehen und nicht nur zu konsumieren, sondern dass diese auch Arbeit macht und man einen aktiven Beitrag dafür leisten muss – ganz im Sinne des Mottos „Erinnern, fühlen, verstehen, handeln“.sl