Staatsanwaltschaft bestätigt: Gegen Propst Gleicher i.R. wird ermittelt

Strafanzeige gestellt / Polizei Seesen führt Untersuchungen durch / Braunschweig prüft Unterschlagung

Im Fokus der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stehen die Impfvorgänge im Altenzentrum St. Vitus am 9. und 30. Januar. Bei der Polizei Seesen war eine Strafanzeige eingegangen.

Seesen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig führt derzeit Ermittlungen gegen den ehemaligen Seesener Propst Thomas Gleicher durch. Demnach ist bereits am 3. März eine Anzeige wegen Vorteilsnahme beim Polizeikommissariat Seesen eingegangen, wie Erster Staatsanwalt Hans Christian Wolters am Montag gegenüber dem „Beobachter“ bestätigte.

Es ging bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zunächst um die Frage der Vorteilsannahme, eine nach deutschem Strafrecht strafbare Handlung. Kern der „Korruption“ ist dabei die Verknüpfung von Dienstausübung und Vorteilszuwendung. Zeitgleich erklärte Wolters, dass unter Umständen und nach einer ersten juristischen Bewertung in Braunschweig statt einer „Vorteilsnahme“ im juristischen Sinne wohl eher der Strafbestand der „Unterschlagung“ vorliegen könnte, in dem Fall eben der Unterschlagung von Impfdosen, die bekanntlich ein rares Gut waren beziehungsweise immer noch sind.

In ähnlichen Fällen von Impfdrängelei, so die Staatsanwaltschaft, würde dahingehend ermittelt. Die Ermittlungen sollen nun ergeben, ob sich der ehemalige Propst strafbar gemacht haben könnte oder nicht.

Beamte des Polizeikommissariats Seesen rollen den ganzen Fall nun also auch noch einmal auf und müssen die Vorgänge im Seniorenzentrum St. Vitus eben auch noch einmal genauestens prüfen. Hierbei wird beispielsweise die Frage gestellt, ob die Impfreihenfolge eingehalten wurde und welcher Personenkreis geimpft werden sollte.

Wie der „Beobachter“ berichtet hatte, waren neben dem ehemaligen Propst und seiner Ehefrau auch die Heimleiterin nebst Ehemann und die Aufsichtsratsmitglieder geimpt worden. Zwei der Aufsichtsratsmitglieder waren in der Folge zurückgetreten. Auch Propst Gleicher hatte auf Druck der Landeskirche all seine Ämter niedergelegt. Landrat Thomas Brych hatte das Verhalten des Propstes scharf kritisiert.

Der Fall war überhaupt erst ans Tageslicht gekommen, weil einer der beiden erwähnten Aufsichtsratsmitglieder im Freundes- und Bekanntenkreis in Seesen sich offen damit gerühmt hatte, dass er bereits geimpft sei.  Das wiederum sorgte für große Empörung, da die erwähnten Aufsichtsratsmitglieder auch auf Nachfrage nur unzureichend erklären konnten, in welcher Form sie mit den Heimbewohnern überhaupt in Kontakt standen oder stehen. Ihre Impfung hingegen empfanden sie auf mehrmalige Nachfrage als richtig. Von Bedauern keine Spur. Im Gegenteil! Auch Propst Gleicher ging immer von der Richtigkeit der Impfvorgänge aus.

Compliance-Untersuchung „entlastet“ die Verantwortlichen

Erst am Wochenende hatte der „Beobachter“ dann über die Ergebnisse der vom St. Vitus selbst in Auftrag gegebenen Compliance-Untersuchung veröffentlicht. Beauftragt worden war die BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Fachbereich Forensic, Risk & Compliance, Hamburg mit einer unabhängigen Sachverhaltsermittlung beauftragt worden. Der Sachverhalt wurde anschließend einer rechtlichen Begutachtung durch die BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Practice Group Wirtschaftsstrafrecht & Compliance, München unterzogen. Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dass „die Verantwortlichen davon ausgehen mussten, dass auch ehrenamtlich Beschäftigte der St. Vitus gGmbH zum impfberechtigten Personenkreis gehören und diese bei Erstellung der Impfliste zwingend zu berücksichtigen waren.

Die rechtliche Bewertung wiederum kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Verhalten der an den Vorgängen beteiligten Personen nicht ersichtlich sind“.

Nun wird der Fall also auch noch von Polizei und Staatsanwaltschaft untersucht.

Auch die Landeskirche wollte die Vorgänge prüfen. Sie verwendet dabei das in solchen Fällen übliche dienstrechtliche Verfahren für Beschäftigte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. In der Folge prüft das Landeskirchenamt den Sachverhalt und setzt die Kirchenregierung instand, eine dienstrechtliche Beurteilung vorzunehmen. Ein Ergebnis dieser Prüfung liegt noch nicht vor.uk