Steht die Reha-Klinik in Seesen vor dem Aus?

Geschäftsführung wirft ver.di vor, der Klinik den Todesstoß zu versetzen / Neue Eskalationsstufe erreicht

Laut Geschäftsführung sorgt der jüngste Streik, der in der dritten Woche ist, dafür, dass es der Reha-Klinik schlecht geht. Mehr noch, Asklepios wirft sogar vor, dass so der Reha-Klinik der Todesstoß versetzt wird.

Seesen. Große Aufregung am Dienstag in Seesen: Während die Streikenden eine kleine Kundgebung auf dem Jacobson-Platz abhalten, samt anschließender Beratung der ver.di-Teamdelegierten im Bürgersaal, brodelt in der Klinik heftig die Gerüchteküche. Plötzlich heißt es sogar, die Reha-Klinik schließt. Auch Massenentlassungen der Therapeuten soll gefallen sein. Die Geschäftsführung verschickte unterdessen am späten Nachmittag eine Pressemitteilung unter der Überschrift: „Asklepios: Rehaklinik in Seesen droht das Aus“. Dem nicht genug heißt es weiter: „Gewerkschaft ver.di torpediert Entgeltverhandlungen mit dem Betriebsrat und versetzt der Rehaklinik mitten in der Corona-Pandemie den Todesstoß“. „Ver.di-Maximalforderungen bringen die Klinik dauerhaft in die Verlustzone“ und „Die Asklepios Akutklinik in Seesen ist vorerst nicht betroffen“.

Fakt ist: Entschieden ist in dieser Sache noch gar nichts. Am Dienstag gab es ein Gespräch zwischen Gechäftsführung und Vertretern des Wirtschaftsausschusses. Inhalt des Gespräches war nach „Beobachter“-Information die Zukunft der Seesener Reha-Klinik. Genannt wurde, dass es der Reha-Klinik schlecht ginge, weil die Deutsche Rentenversicherung aktuell keine Patienten nach Seesen zur Rehabehandlung schickt. Grund dafür sei laut Asklepios der Dauerstreik der Beschäftigten. Darüber hinaus wurde der Betriebsrat zur Aufnahme von Interessensausgleichs- und Sozialplanverhandlungen für die Belegschaft aufgefordert. Auch in der Leitungsebene wurde das Ganze kommuniziert, somit auch unter der Ärzteschaft.

Aber auch ein Stück weit baute die Geschäftsführung eine Drohkulisse auf. Ein Umstand, den die Aussagen vom Prokuristen der Reha-Investmentgesellschaft mbH belegen. „Wir bedauern diese Entwicklung sehr, denn wir wollen wirklich alles versuchen, den Standort zu erhalten und wir sind auch sofort bereit, in weitere Verhandlungen mit dem Betriebsrat einzutreten. Aber die Gewerkschaft ver.di hat die Verhandlungen zwischen der Geschäftsleitung und den lokalen Betriebsräten seit Monaten torpediert und beharrt offensichtlich auf ihren Maximalforderungen“, sagt Felix Sasse. Weiter führt er dazu an: „Anstatt den Gesprächen zwischen der Arbeitgeberseite und dem Betriebsrat eine Chance zu geben, ruft sie die Belegschaft aus ideologischen Gründen zu einem völlig unangemessenen und dazu noch unbefristeten Streik auf. Damit verschärft sich die durch die Corona-Pandemie bedingte ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage unserer Klinik in Seesen noch weiter. Und eine dauerhaft defizitär arbeitende Klinik hat keine Überlebenschance“.

In der Mitteilung weist Asklepios auf das Finanzierungsmodell hin: Rehakliniken, wie die in Seesen, unterliegen ganz anderen Finanzierungsgrundsätzen, da hier die Investitionen zu 100 Prozent selbst erwirtschaftet werden müssen. Auch deshalb gibt es in Deutschland nur eine verschwindend geringe Anzahl an Reha-Einrichtungen, die den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) anwenden, und diese sind dann auch meist in öffentlicher Trägerschaft der Rentenversicherung oder des Landes – mit deutlich höheren Pflegesätzen, die Asklepios nie erreichen kann. Und weiter heißt es: „Im Gegensatz zum öffentlichen Dienst bekommt Asklepios zudem keine hochsubventionierten Verlustausgleiche. Krankenhäuser in privater Trägerschaft müssen wirtschaftlich seriös handeln und sich nachhaltig aufstellen – das ignoriert ver.di konsequent. Öffentliche Kliniken gehen auch dann nicht pleite, wenn sie durch die TVöD-Regelungen tiefrote Zahlen schreiben. Ein Privatunternehmen kann im äußersten Fall hingegen sehr wohl insolvent gehen“.

Fakt ist, der aktuelle Dauerstreik der Gewerkschaft ver.di, der sich derzeit in der dritten Woche befindet, wird nur bis diesen Sonnabend, 24. Oktober, geführt, dann setzen sie aus. So lautete das Ergebnis der jüngsten Streikkonferenz vom vergangenen Donnerstag in der Seesener Aula, der „Beobachter“ berichtete. Am kommenden Montag, 26. Oktober, stehen die Verhandlungen über das Angebot an die Beschäftigten des Akuthauses an. Der Betriebsrat hat nach „Beobachter“-Information Gegenforderungen aufgestellt. Zudem gibt es für die Beschäftigten der Reha-Klinik ein Angebot. Darüber wird am Donnerstag, 19. November, im Rahmen der ersten Gesprächsrunde diskutiert, bestätigt Michael Wollenweber , der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, auf Anfrage des „Beobachter“.

Martin Kupferschmidt von der ver.di-Streikleitung sieht das klare Fehlverhalten auf Seiten des Arbeitgebers. Seiner Meinung nach ist der Niedergang und die Situation in der mangelnden Gesprächsbereitschaft des Konzerns auf Augenhöhe begründet. Zumal die Geschäftsführung laut dem ver.di-Fachsekretär Patrick von Brandt selbst die Maximalbelegung in der Rehaabteilung weit unterschritten hatte. Ver.di hatte für die verbleibenden, zwei Stationen der Reha-Klinik insgesamt 48 Patienten während des aktuellen Streiks dem Arbeitgeber zugestanden. Dieser hatte die Zahl selbst deutlich reduziert. 20 Patienten waren es nur noch am vergangenen Montag in Seesen. Viele wurden gar nicht mehr angenommen und in andere Kliniken untergebracht. Nach „Beobachter“-Information muss einer sogar bis nach Schwerin.

Zwei der vier Stationen der Rehaklinik sind aktuell geschlossen. Asklepios begründete den Schritt zum einen mit Corona und zum anderen mit dem Starkregenereignis. Brisant ist unterdessen, wenn man sich in diesem Zusammenhang die Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung auf die „Kleine Anfrage“ der beiden SPD-Landtagsabgeordneten Petra Emmerich-Kopatsch und Dr. Alexander Saipa anschaut. Beide wollten wissen, inwieweit die Landesregierung über die Stilllegung der zwei Reha-Abteilungen informiert wurde. „Auf Nachfrage der Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen (GKV) teilte der Träger im Juni 2020 mit, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie das Antragsverfahren in den Hintergrund gerückt sei. Offenbar beabsichtigte Asklepios eine Bettenreduzierung in der Reha-Klinik jedoch schon viel eher. Im Februar diesen Jahres hatte die GKV Asklepios eingeräumt, „dass ein schriftlicher Antrag auf Bettenreduzierung gestellt werden könne“, heißt es in der Antwort der Landesregierung. Die GKV hat im Übrigen auch keine rechtliche Handhabe, eine Reduzierung der Kapazitäten durch Asklepios in Seesen abzulehnen.syg