Von Tanja Wöhle

Timo Wopps Suche nach dem verlorenen Witz

Ein Abend mit dem jonglierenden Wortakrobaten beim Seesener Kulturforum

Timo Wopp jonglierte beim Seesener Kulturforum nicht nur allein mit Worten. Sein Auftritt sorgte für Begeisterung.

Seesen. Ausnahmsweise an einem Freitag lädt das Seesener Kulturforum in die Aula am Schulzentrum. Leider ist das Haus nicht ausverkauft, was sicherlich nicht an der Qualität des Showacts liegt, sondern an der scheuen Zurückhaltung der Seesener, wie auch das Publikum gerade am Anfang verdeutlicht.

Timo Wopps Seesen Premiere an diesem Freitag ist überaus witzig, gerade, wenn er am Anfang mit Blick ins Publikum über das „zahlreiche Erscheinen“ spricht, denn für ihn brauchen gute Gags keine Zuschauer.

Der Traum des Timo Wopp ist es, harmonisch zu sein. Im Bereich Kabarett fällt das allerdings schwer, denn Witze neigen dazu, das Publikum zu spalten. Gern nimmt der gebürtige Oldenburger Bezug auf seine ländliche Herkunft und untermauert dies mit humorigen Sprüchen wie „Hinter jeder Idylle lauert die Gülle.“

Langsam erwärmt sich auch das Publikum für die geistreichen, zum Teil zotigen und auch pubertären Witze, die alles andere als Konsenskabarett sind. Beispielsweise wenn Wopp klärt, dass Betteln gar nicht geht, auch nicht für die Reichen.

Sprachlich auf verschiedenen Leveln, in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit rattert Timo Wopp die Gags und Kalauer runter und empfindet von Zeit zu Zeit etwas Irritation, denn das Publikum kommt manchmal so schnell nicht hinterher.

Den eigenen Wortschwall erklärt er mit dem Ziel, wenn der Abend nicht so läuft, dann könne das Publikum auch sagen, er habe wenigstens nicht so viel CO2 verbraucht und er habe dann auch nicht „Greta an der Backe“.

Wopp sieht sich als privilegierter, weißer, heterosexueller Mann, der keine Opferrolle hat, obgleich dies für seinen Job von Vorteil wäre. Keine „Verbal-Diarrhoe“ soll den politisch einwandfreien Abend stören.

Es fallen keine Späße über Minderheiten, so seien Tätowierte auch keine Minderheit, sondern vielmehr eine selbstgewählte Leidensgemeinschaft, vergleichbar den Fußballfans von Hannover 96 oder auch Eltern, deren Lernkurve einer Geraden entspricht.

Opfergruppen werden hier neu definiert. Neben den Archgeweihträgern mutmaßt der BWLer Wopp, dass das dritte Kind langfristig zum gesellschaftlichen Arschgeweih werden könnte. Launig und immer schneller sprechend führt der Kabarettist durch den Abend (Greta sitzt ihm wohl deutlich im Nacken!).

Für die ausgedachten Geschichten des Abends würde der Künstler seinen Hund ins Feuer legen! „Ehrlich lügen“, „Paradoxe Interventionen“ und Trump als „orange is the new black“, die pubertierende „gehirnentkernte“ Nichte und Wopps mögliches Leben als Escobar der Uckermark führen zur Jonglagekunst mit Keulen und direkt ins Herz des Seesener Publikums.

Nach der Pause jongliert Wopp erst mit Worten auf dem „Niveau des Marianengrabens“, „durch das Tal der Lächerlichkeit“ zum Verfall in die „Niveaulosigkeit“. Er redet langsamer, nachdenklicher und erwischt das Publikum beim Lachen genau darüber!

Das Spielen mit Worten gelingt Wopp auf ganz besonders anschauliche Art, wenn er von den „schlichten Menschen mit Hang zur Polonaisebildung“ spricht. Jetzt sind die anfangs sehr zurückhaltenden Seesener dabei.

Als er dann die Jonglierbälle holt und während des Jonglierens inhaltsvoll spricht, das Gesprochene grandios zum Wurf passt, wird Wopp mehr als zum „Dienstleister in Humor“.

Ein Abend mit dem jonglierenden Wortakrobaten Timo Wopp darf man sich nicht entgehen lassen. Schön, wenn Wopp wieder beim Seesener Kulturforum jonglierendes Konsenskabarett zeigt.red