Überraschende Asklepios-Mitteilung: Reha schließt schon zum Jahresende

Adelheid May, Regionalgeschäftsführerin: „Wir haben wirklich alles versucht, den Standort zu erhalten!”

Seesen. Wie Geschäftsführung und Betriebsrat den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilt haben, sind die Verhandlungen über den Interessenausgleich und den Soziaplan für die Asklepios-Reha-Klinik abgeschlossen. Die überraschende Nachricht: Die Reha-Klinik wird bereits zum Jahresende, also zum 31. Dezember 2020 geschlossen. Die Ergebnisse des Sozialplanes sollten bereits gestern in der Klinikkonferenz der Reha-Klinik bekannt gemacht werden.

Da aufgrund der Corona-Pandemie eine ordentliche Mitgliederversammlung nicht möglich sei, sollen die Inhalte am morgigen Donnerstag in einem Newsletter den Mitarbeitenden der Reha-Klinik zur Kenntnis gebracht werden. Ab dann können die Mitarbeiter der Reha-Kliniken auch ihre Anfragen an die Personalabteilung und den Betriebsrat richten, heißt es dazu weiter.

Überraschend ist der Schritt angesichts der bisherigen Äußerungen seitens Asklepios nicht, jedoch sind viele angesichts des Zeitpunktes sprachlos.
Asklepios teilt selbst am Dienstag mit, dass wirtschaftliche Zwänge nunmehr keine andere Möglichkeit offen ließen. „Die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan wurden mit dem Betriebsrat erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jetzt vorgestellt, teilten Geschäftsführung und Betriebsrat mit”, heißt es in einer Mitteilung.

Adelheid May, Asklepios Regionalgeschäftsführerin Harz, sagte: „Wir bedauern diese Entwicklung sehr, wir haben wirklich alles versucht, den Standort zu erhalten. Hintergrund der Entscheidung ist die schlechte wirtschaftliche Gesamtsituation der Klinik. Diese hat sich im laufenden Jahr, neben den scharfen wirtschaftlichen Einschnitten infolge der Covid-19 Pandemie, durch einen schweren Wasserschaden und die unerbittlichen Streikmaßnahmen, zu denen die Gewerkschaft ver.di in voller Kenntnis der schwierigen wirtschaftlichen Verfassung des Unternehmens ohne Unterlass aufgerufen hat, in einer Weise zusätzlich verschärft, die nun keine andere Option mehr zuließ, dass wir den Betrieb in der Reha-Klinik in Seesen wirtschaftlich nicht mehr aufrechterhalten können. Die Leidtragenden sind vor allem die Patienten, ist die Region.“ Die Rehaklinik Seesen hat 140 Betten, rund 100 Arbeitsplätze sind von der Schließung betroffen.
Wie es seitens Asklepios weiter heißt, befänden sich die Reha-Kliniken in Deutschland durch den deutlichen Rückgang der Behandlungen im Zuge der Pandemie aktuell in einer wirtschaftlich schwierigen Lage – Seesen bilde da keine Ausnahme! Die Asklepios Reha-Klinik in Seesen geriet angesichts der sich nun erneut verschärfenden Corona-Pandemie weiter in Schieflage. Das Thema „Reha-Kliniken“ werde von außen stark emotional aufgeladen, sei aber wesentlich vielschichtiger und komplizierter als für Außenstehende auf den ersten Blick ersichtlich. „Denn Tatsache ist, dass wir uns lediglich im Rahmen der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen bewegen können”, wiederholte Asklepios auch jetzt wieder.

Weiter teilt der Konzert mit: „Die Zahl der in Deutschlands Reha-Einrichtungen versorgten Patientinnen und Patienten ist im April und Mai dieses Jahres pandemiebedingt um bis zu 70 Prozent zurückgegangen. Im Juni und Juli wurden im Vergleich zum Vorjahr rund 30 Prozent weniger Reha-Maßnahmen durchgeführt, melden die Verbände. Einen vergleichbaren Rettungsschirm wie für die Akutkliniken gibt es nicht. Hinzu kommt: Reha-Kliniken wie die in Seesen unterliegen ganz anderen Finanzierungsgrundsätzen, werden nicht refinanziert, die Investitionen müssen hier zu 100 Prozent selbst erwirtschaftet werden. Auch deshalb gibt es in Deutschland nur eine verschwindend geringe Anzahl an Reha-Einrichtungen, die den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVöD) anwenden, und diese sind dann auch meist in öffentlicher Trägerschaft der Rentenversicherung oder des Landes – mit deutlich höheren Pflegesätzen, die Asklepios nie erreichen kann.”

Zur Erinnerung: Nachdem Betriebsrat und Geschäftsführung am 16. November zusammensaßen, um über die Reha-Klinik zu sprechen, wurde den Mitarbeitern der Reha vom Betriebsrat das Ergebnis der Verhandlungen mitgeteilt, dass die Schließung vom Arbeitgeber zum 28. Februar angestrebt wird. Nun also zwei Monate eher, eine Nachricht, die auch Goslars Landrat Thomas Brych klare Worte finden lässt. „Diese Nachricht macht mich fassungslos. Ein wertschätzender Umgang mit langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sieht definitiv anders aus. Das Unternehmen sollte sich ob dieser Vorgehensweise schämen“, äußert sich Brych auf Anfrage.

Der ausgehandelte Sozialplan samt Interessenausgleich greift nur für die 83 Beschäftigten der Reha-Klinik, für die der Betriebsrat um den Vorsitzenden Oliver Kmiec die Verhandlungen führen kann.  Für die anderen ist er, aufgrund der Konzernstruktur mit der Ausgliederung der verschiedenen Gesellschaften, darunter die Therapie GmbH, schlichtweg nicht zuständig. Für diese muss dann der jeweilige Betriebsrat die Verhandlungen führen. Legt man die von Asklepios kommunizierten 100 wegfallenden Arbeitsplätze zu Grund, ergeben sich 17 weitere Arbeitsplätze, die wegfallen. In welchen Bereichen diese liegen, ist derzeit vollkommen offen. Wie Martin Hennseler, Vorsitzender des Betriebsrates der Therapie GmbH, auf Anfrage mittteilt, liegt dem Gremium aktuell nichts vor, welche Auswirkungen die Reha-Schließung für die Therapeuten hat. Die GmbH bietet ja Reha und Akuthaus ihre Dienste an.

Laut Oliver Kmiec hat der Betriebsrat am Mittwoch vergangener Woche für die 83 Rehakollegen eine fünfstündige Sprechstunde angeboten. 50 Beschäftigte nutzen das Angebot, weitere wählten die telefonische Beratung. Der Betriebsrat hat hier zusammen mit den Kollegen und dem Anwalt viele Dinge rund um die Schließung, Kündigung, Abfindung, Interessensausgleich und Sozialplan besprochen. Und abgefragt, wer eher zu einer Abfindung beziehungweise Weiterbeschäftigung tendiert, zugleich wollten sie so die Verhandlungsvollmacht bekommen. „Uns war wichtig, dass wir nicht so verhandeln wie wir das als Betriebsrat für richtig halten, sondern so wie es die Kollegen wollten“, betont Kmiec. Wozu sie tendieren, ließ er offen.

Fassungslos angesichts der Entwicklung ist auch Martin Simon Schwärzel, Vorsitzender des Konzernbetriebsrates der Asklepios Kliniken GmbH & Co.KGaA. „Wenn die Corona-Krise der Schließgrund ist, müssten im Konzern ja alle Reha-Kliniken dicht machen, das ist ja nicht der Fall“, äußert er sich auf Anfrage. Er sieht in dem Aus einen Zusammenhang mit dem jüngsten Streik der Beschäftigten, dass der Konzern ein Exempel statuieren will. „So kann man mit systemrelevanten Menschen einfach nicht umgehen“, betont Schwärzel.syg/uk