Vernetzen, engagieren und vor allem nicht hadern

Kreisfrauenunion der CDU feierte in Seesen „100 Jahre Frauenwahlrecht“ mit einem mutmachenden Vortrag

Marlies Dornieden, Kommunalpolitikerin und Kreisrätin des Landkreises Göttingen, warb in ihrem Vortrag dafür, dass sich Frauen in politischen Gremien engagieren sollen.

Seesen. Ein politisches Gremium tritt zusammen, auf der Tagesordnung stehen verschiedene Themen, eine politische Debatte folgt. Ans Rednerpult treten Frauen, um ihren Standpunkt und den ihrer Partei darzulegen. Was heute selbstverständlich ist, war vor 100 Jahren eine Sensation. Für Deutschland war der 12. November 1918 historisch, eingeführt wurde an diesem Tag das Frauenwahlrecht, der gesellschaftliche Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg führte in Mitteleuropa zu einer Veränderung der politischen Landschaft, plötzlich waren in den Parlamenten nicht mehr nur Männer vertreten, sondern auch Frauen nahmen Platz, kämpften für die Sache. Bis heute ist das so. Nach Seesen lud die Kreisfrauenunion der  CDU ein, um das 100-jährige Bestehen des Frauenwahlrechts zu feiern. Im „Wilhelmsbad“ referierte Marlies Dornieden, Kommunalpolitikerin und Kreisrätin des Landkreises Göttingen. Sie zog in ihrem mutmachenden Vortrag ein Resümee und gab den Frauen Tipps mit auf den Weg.

Auf Landesebene trat damals die erst Frau ans Rednerpult. Marianne Weber (DDP), die Frau des Soziologen Max Weber, richtete bei am 15. Januar 1919 im Karlsruher Ständehaus das Wort an die männlichen Abgeordneten: „Wir Frauen können nur unserer hohen Freude und Befriedigung darüber Ausdruck geben, dass wir zu dieser Aufgabe mitberufen sind, und ich glaube, sagen zu dürfen, dass wir besser für sie vorbereitet sind, als vielleicht die meisten von Ihnen glauben.“

Viel hat sich seitdem getan, unvergessen bleibt der große Einsatz der Juristin Elisabeth Selbert, eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“,  sie kämpfte dafür, dass im Artikel drei, Absatz zwei des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ als Verfassungsgrundsatz aufgenommen wurde.
Die Referentin erinnerte an weitere Meilensteine, so unter anderem daran, dass Frauen ein eigenes Bankkonto haben dürfen (bis 1962 nicht gestattet) und sie geschäftsfähig (bis 1969 durften die Männer nur Verträge abschließen).  All zu weit brauchte Marlies Dornieden gar nicht zurückblicken, denn anhand verschiedener Zahlen untermauerte sie ihre These „Frauen dürfen wählen, aber am  politischen Alltag nicht teilhaben“. Die versierte Kommunalpolitikerin blickte dabei auf verschiedene Ebenen: „Im Landkreis Göttingen gibt es heute nur noch männliche Bürgermeister, zu meiner Zeit waren wir vier Frauen“, sagt sie. Bei den Staatssekretären in den Bundesministerien sind 18 Frauen und 45 Männer. Gleich drei Ministerien sind komplett in Männerhand.

Obwohl in Niedersachsen mehr Frauen als Männer wahlberechtigt sind, spiegelt sich das im Alltag, wenn es an die Besetzung geht, nicht wider. Ein Problem hat die Referentin mit ausgemacht, die Frauen hadern erst. Werden Männer gefragt, ob sie eine Aufgabe übernehmen, sagen sie sofort zu, erst im zweiten Schritt fragen sie, was da zu tun ist und noch einen weiter, ob sie es auch können. Kann ich das überhaupt? Schon mit dieser Frage befassen sich die Frauen als erstes. „Mischen Sie sich ein, trauen Sie sich etwas zu und hadern Sie nicht“, formulierte die Referentin. Denn es braucht alle Schichten, um etwas zu bewegen. Zu tun gibt es vieles, sei es die drohende Altersarmut für Frauen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Pflege von Angehörigen oder die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit.

Engagieren, nicht hadern und vernetzen – diese Schlagworte fassen unterm Strich ihren Wunsch an die Frauen zusammen. Vor allem in Sachen Netzwerken sieht sie bei ihren Kolleginnen noch Nachholbedarf. Sie sollen bei Veranstaltungen ihre Komfortzone verlassen, statt das Gespräch immer nur mit bekannten Personen zu suchen, lieber neue Kontakte knüpfen. „Wir Frauen können das doch eigentlich ganz gut“, wirbt sie. Niemand ist perfekt, auch Niederlagen gehören dazu, doch es lohnt sich und zeigt Größe. „Neid muss man sich auch erst einmal verdienen“, sagt Marlies Dornieden. Es gibt viel zu tun. Gleichberechtigt sind die Frauen, aber noch lange nicht gleichgestellt.syg