„Wir sehen den Betriebsrat als unseren Verhandlungspartner!”

Asklepios-Geschäfstführung Adelheid May und Sebastian von der Haar im Beobachter-Interview

Der neue Asklepios-Klinik-Geschäftsführer Sebastian von der Haar und Regionalgeschäftsführerin Adelheid May stellten sich den Fragen der „Beobachter”-Redaktion mit Ulrich Kiehne sowie Karsten Knoblich und Sylvia Gebauer (im Uhrzeigersinn).

Seesen. Der Streit um höhere Löhne und Gehälter für die Mitarbeiter der Asklepios-Kliniken spitzt sich weiter zu. Inzwischen sieht sich die Leitung mit Regionalgeschäftsführerin Adelheid May und dem neuen Geschäftsführer in Seesen, Sebastian von der Haar, veranlasst, ihre Sicht der Dinge darzustellen. In einem Gespräch mit dem „Beobachter” haben May und von der Haar außerdem darauf hingewiesen, dass sie auch weiterhin nicht mit der Gewerkschaft verhandeln wollen. In einem Gespräch mit den drei „Beobachter”-Redakteuren Sylvia Gebauer, Karsten Knoblich und Ulrich Kiehne machten die beiden Geschäftsführer deutlich, dass man von der Haltung auch nicht abrücken werde.

Beobachter: Frau May, Herr von der Haar, der Streit ufert immer weiter aus. Warum wollen Sie eigentlich partout nicht mit ver.di verhandeln?

Lange haben wir uns mit öffentlichen Statements zurückgehalten. Wir möchten aber auch einiges klarstellen. In unserer Demokratie besteht Koalitionsfreiheit, ein in unserem Grundgesetz garantiertes Recht mit Verfassungsrang. Wir sehen den Betriebsrat als unseren Verhandlungspartner auf diesem verfassungskonformen Weg an, weil er die Mehrheit unserer Mitarbeiter vertritt. Mit dem Betriebsrat verhandeln wir seit Jahren und entwickeln unsere bestehende Arbeits- und Sozialordnung (hiernach: ASO, Anm. d. Red.) durch eine Vielzahl von Betriebsvereinbarungen weiter. Diese Gespräche werden wir weiter einfordern und stehen diesen jederzeit offen gegenüber.

Beobachter: Asklepios-Krankenhäuser wie in Göttingen und Goslar haben Tarifverträge, warum zieht Seesen nicht nach?

Der Hintergrund ist etwas differenzierter: Zwar wenden auch einige Asklepios-Kliniken in der Region den TVöD an, dabei handelt es sich aber um Verpflichtungen aus den Kaufverträgen dieser Häuser, als sie einst von Asklepios aus kommunaler Trägerschaft erworben beziehungsweise von den Kommunen veräußert wurden. An diese sind wir folglich rechtlich gebunden, was ver.di in den Erklärungen gerne unter den Tisch fallen lässt.
Bei der aktuellen Situation der immer schlechter werdenden Krankenhausfinanzierung ist dies unverständlich, hier scheint ver.di kurzsichtig zu agieren und die aktuelle Lage der Krankenhausfinanzierung komplett zu ignorieren.

Die letzten Ankündigungen aus Bundesrat und Bundestag sowie die ersten angekündigten Einschränkungen der „Vollfinanzierung von Pflegekräften“ aus den letzten Wochen auf Bundesebene sehen wir beispielweise mit Besorgnis und diese Entwicklung hat nicht unerhebliche Auswirkungen auch auf den Standort Seesen.

Lokal machen (drohende) Insolvenzen wie zuletzt die Meldungen eines ganzen Verbundes aus einer Hansestadt, auch die Insolvenzen einiger Träger wie zum Beispiel Paracelsus Ende 2017, deutlich, dass hier ein immer rauerer Ton in der Finanzierung zu hören ist.

Der Blick auf unsere niedersächsische Nachbarschaft, konkret in die Landeshauptstadt Hannover, zeigt eindrucksvoll, dass dies keine Einzelfälle sind, sondern trägerübergreifend rote Zahlen für 2019 erwartet werden.

In diese Schieflage wollen wir die Schildautal-Kliniken Seesen erst gar nicht kommen lassen. Für den Standort Seesen sind wir nicht zuletzt der größte Arbeitgeber vor Ort und tragen damit die unternehmerische Verantwortung für die Patientenversorgung in Seesen und darüber hinaus sowie für die Erhaltung der Arbeitsplätze für mehr als 1.000 Beschäftigte!


Beobachter: Hat Asklepios denn nicht genug Geld verdient, als dass man die Mitarbeiter nicht nach Tarif bezahlen kann?

Unser gemeinsames Ziel war und ist es immer, Mitarbeitende weiterhin marktgerecht und branchenüblich zu bezahlen, dies unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen. Ver.di wirft uns „Profitsucht“ vor, diese Kritik ist inhaltslos und trifft auf ein Familienunternehmen wie unseres überhaupt nicht zu: Asklepios ist mit seinen 160 Einrichtungen und 46.000 Mitarbeitern einer der größten Klinikbetreiber und Gesundheitsversorger Deutschlands.

Wir haben keine Aktionäre, die ihren Gewinn aus dem Unternehmen ziehen würden. Wir haben einen Eigentümer, Asklepios investiert als Familienunternehmen seine Gewinne überwiegend wieder ins Unternehmen. Das geschieht zum Wohl der Patienten und zur Sicherung der Arbeitsplätze, dies ist die im Sozialgesetzbuch im „Wirtschaftlichkeitsprinzip“ verankerte Pflicht von Unternehmen.
Durch diese Re-Investitionen aus den erwirtschafteten Gewinnen kompensieren wir nun seit Jahrzehnten die Verweigerung der Bundesländer, ihrer gesetzlich verankerten Pflicht zur Deckung der Investitionskosten zu 100 Prozent nachzukommen. Hier wäre ein Eingreifen der Politik geboten!

Beobachter: Warum sind Sie nach wie vor für die Arbeits- und Sozialordnung, die Sie mit dem Betriebsrat aushandeln wollen?

Ein absoluter Vergleich belegt, dass für unterschiedliche Mitarbeiter der Schildautal-Kliniken die Arbeits- und Sozialordnung, in der die Vergütung der Mitarbeiter geregelt ist, durchaus attraktiver ist als der TVöD: Geboten werden nach der ASO bisher schon neben den Tabellenentgelten Zulagen und Sonderzahlungen, die der Tarifvertrag längst aufgegeben hat, beispielsweise ein Urlaubsgeld, ein volles 13. Monatsgehalt oder eine Qualifikationszulage für besondere Fortbildungen, diese Vorzüge sind aber nicht immer gleich auf den ersten Blick bei den detailreichen Gehaltsmitteilungen ersichtlich. Zudem haben wir veranlasst, das examinierte Pflegekräfte beim Berufseinstieg ab sofort zwei Gehaltsstufen höher als bisher erhalten.

Beobachter: Der Betriebsrat hat aber genauso deutlich gemacht, dass er ausschließlich Verhandlungen mit ver.di fordert. Wie soll der Streit denn da ein Ende finden?

Die Gespräche gestalten sich insofern kompliziert, als der Tarifvertrag und die Arbeits- und Sozialordnung grundsätzlich unterschiedlich und schwer vergleichbar sind. So kennt der Tarifvertrag das Grundgehalt.

Die ASO hingegen hat neben dem Grundgehalt verschiedenste Zulagen, die mit dem Betriebsrat vereinbart und im TVöD nicht vorhanden sind. Ein Vergleich nur der Tabellen hinkt also gewaltig. Aus diesem Grund haben sich Betriebsrat und Geschäftsführung Anfang diesen Jahres gemeinsam dahingehend geeinigt, die Tabellenstruktur der ASO an die Struktur des TVöD anzupassen.

Auch hier hat die Geschäftsführung ein Angebot vorgelegt. Anschließend hat der Betriebsrat im Juni 2019 klar artikuliert, dass er nicht einigungswillig ist. Wir sind der Meinung, dass sich der Betriebsrat mit diesem Verhalten auf dem Holzweg befindet.

Beobachter: Also sind Sie derzeit mit dem Betriebsrat überhaupt nicht im Gespräch?

Die Gespräche laufen weiterhin, zumal ja die Arbeit in den Ausschüssen, bei denen einer der Geschäftsführer dabei ist, weiter geht. (Zwecks) Was das Thema Verhandlungen betrifft, sieht es so aus, dass das Betriebsverfassungsgesetz, das für Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung den Rahmen vorgibt, das weitere Vorgehen regelt. In diesem Fall die Anrufung einer Einigungsstelle unter dem Vorsitz eines unabhängigen Arbeitsrichters.
In dieser Phase befinden wir uns derzeit. Wann es so weit ist, können wir noch nicht sagen. Fakt ist: Nach dem letzten Angebot an den Betriebsrat haben wir nichts gehört, zwischen den Streiktagen gab es hierzu keinen Austausch und keine einzige Verhandlungsrunde.

Beobachter: Von allen Seiten erhalten die Streikenden Zuspruch, wann knicken Sie ein?

Wie gesagt, wir können, so garantiert es das Grundgesetz, im Rahmen der Koalitionsfreiheit selbst entscheiden, mit wem wir verhandeln, und wir sagen, wir verhandeln mit unserem Betriebsrat.

Dass Politiker, hier vor allem demokratisch gewählte Volksvertretungen wie der Kreistag in Goslar oder der Stadtrat in Seesen, uns nun mittelbar in einer Resolution auffordern, mit ver.di zu verhandeln, ist für sich allein genommen schon ein befremdliches Vorgehen.

Dass Politiker derart in die Koalitionsfreiheit eingreifen wollen und auf diese Art einseitigen öffentlichen Druck auf einen Arbeitgeber dieser Region ausüben ist überdies ein einmaliger Vorgang. Wenn die Politik die Tarifpflicht will, dann muss die entsprechende Stelle das ganz klar in den entsprechenden Gesetzen regeln.

Beobachter: Wurden Sie von Politikseite auch einmal nach ihrer Sicht der Dinge gefragt?

Nein. Es ist weiterhin für uns nicht nachvollziehbar, dass ver.di in den Sitzungen aktiv angehört wird, wir jedoch nicht einmal darüber offiziell informiert, geschweige denn eingeladen wurden. Nur über direkte Ansprache an einzelne Politiker, die sich hierfür noch Kritik in ihren Parteien einhandeln, wurde uns Gehör ermöglicht.

Dies entspricht nicht unseren Erwartungen an das demokratische Grundverständnis! Dieses verlangt, dass man bei zwei Interessenslagen auch beide Seiten anhört, um sich anschließend kritisch eine eigene Meinung zu bilden.beo