„Wir sind es wert!”

ver.di veranstaltete Aktionstag / Streik bei Asklepios wird vorbereitet / Klinik-Beschäftigte zusätzlich sauer: „Wurden überhaupt nicht über Wulff-Besuch informiert” / Erster Streiktag am 16. Juli

Aktionstag am Kurpark: rund 150 Beschäftigte folgten dem ver.di-Aufruf. Am 16. Juli soll nun gestreikt werden.

Seesen. Ursprünglich sollte am Sonnabend der 65. Geburtstag der Asklepios Kliniken mit einem großen Tag der offenen Tür in Seesen gefeiert werden. Der Tag der offenen Tür fiel aus. Gründe wurden offiziell kaum genannt. Wie am Sonnabend während des ver.di-Aktionstages am Kurpark von Mitarbeitern aber gemutmaßt wurde, hat die Absage durchaus stichhaltige Gründe. „Nach dem Abgang unseres Chefs Herrn Lorch war keiner mehr da, der den Tag organisieren wollte oder konnte. Außerdem wussten die ja, dass wir für heute auch was planen. Bestimmt wurde daher alles verschoben”, so ein Mitarbeiter der Klinik, der sich gemeinsam mit rund 150 Kolleginnen und Kollegen am Samstagmittag an dem Aktionstag beteiligt hatte, aber namentlich nicht genannt werden wollte.

Dass Alt-Bundespräsident Christian Wulff am Freitag in der Klinik zugegen war, hatte sich zudem schnell rumgesprochen. Allerdings inoffiziell! „Wir wussten offiziell von nichts, ist das die Wertschätzung, von der immer die Rede sein soll?”, fragte eine andere Beschäftigte, die sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen solidarisch zeigte.

Bundespräsident a.D. Christian Wulff hatte am Freitag die Asklepios Schildautal Kliniken besucht und sich mit Bürgern getroffen, die an Multiple Sklerose (MS) erkrankt sind. Anlass für die Visite waren gleich zwei „Geburtstage“, denn seit nunmehr 45 Jahren gibt es die Neurologie in den Kliniken Schildautal, wenig später kam die Neurochirurgie dazu, und seit 65 Jahren existiert das Krankenhaus in Seesen.

Der Alt-Bundespräsident ist Schirmherr der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft. Nach einem Gespräch und einem Klinikrundgang, bei dem Wulff auch mit Ärzten und laut Klinikführung auch mit Pflegekräften sprach, eröffnete er am Abend in der Klinik anlässlich der Feierlichkeiten eine Fachveranstaltung für geladene Gäste, Ärzte, ehemalige und derzeitige Mitarbeiter.

Sauer und betroffen zeigten sich viele Mitarbeiter am Sonnabend beim Aktionstag, der unter dem Motto stand „Wir sind es wert”: „Ist ja schön, dass der Herr Wulff da war. Frau May hat dabei höchstpersönlich unsere Plakate in der Klinik abgehängt, damit der Herr Wulff bloß nicht sieht, was wirklich los ist”, berichtete ein Mitglied des Betriebsrates über eine Vorgehensweise der obersten Klinikleitung.

Gesprächsstoff gab es also genug, als sich am Sonnabend von 12 bis 15 Uhr am „Kiosk am Kurpark“ Beschäftigte und auch für Bürgerinnen und Bürger bei Bratwurst und kühlen Getränken über die aktuelle Situation in den Asklepios Kliniken Schildautal austauschten.

Statt Tag der offenen Tür und guter Laune standen die Zeichen also auf Protest!  „Wir wollen die Gelegenheit nutzen, um ins Gespräch zu kommen und um über unsere Beweggründe zu informieren. Für die gesamte Region ist es wichtig, dass die Klinik eine gute Zukunft hat“, erklärte da beispielsweise Martin Kupferschmidt, Mitglied der Tarifkommission und Streikleitung gegenüber dem „Beobachter”.

Demnächst soll in der Klinik die Arbeit niedergelegt werden, dann soll ein Notfallplan die Versorgung der Patienten sichern. Der Rest soll die Arbeit niederlegen, hieß es am Sonnabend dazu. ver.di hat Asklepios dazu Verhandlungen zu einer Notdienstvereinbarung angeboten.

Die Streiks der Beschäftigten der Asklepios Schildautal Kliniken beginnen mit einem ersten ganztätigen Streiktag am Dienstag, 16. Juli. Die Beschäftigten reagieren damit nach eigener Aussage „auf die beharrliche Weigerung von Asklepios, Tarifverhandlungen mit ver.di aufzunehmen, um den Anschluss an das Tarifniveau des Öffentlichen Dienstes herzustellen.”

Dass es Streiks noch im Juli geben wird, hatten Betriebsrat und ver.di bereits angekündigt.„Es bleibt uns leider keine andere Wahl. Das bisherige Vergütungsniveau in den Schildautal Kliniken führt dazu, dass Asklepios massive Probleme hat, Personal für die Klinik zu gewinnen. Die Arbeitsbedingungen müssen endlich konkurrenzfähig sein. Alles andere schadet den Patienten, den Beschäftigten und der Klinik!“, so ver.di-Verhandlungsführer Jens Havemann, Vorsitzender und Mitglied der ver.di-Streikleitung. „Unsere gesamte Streikplanung ist darauf ausgerichtet, Wirkung auf Asklepios zu erzielen und damit zum Einlenken zu bewegen und nicht die Patienten zu treffen. Leider werden sich Auswirkungen des Streiks auf die Patienten aber nicht komplett vermeiden lassen.”

Der Besuch des Alt-Bundespräsidenten war während des Aktionstages immer wieder Thema. Warum hat niemand darüber informiert? Warum werden die Mitarbeiter außen vor gelassen? Über den Besuch Wulffs selbst berichtet der „Beobachter” ausführlich auf der nächsten Seite.uk