„Wir werden viele Sachen mitnehmen“

MTV-Geschäftsstellenmitarbeiter Peter Betker spricht über Veränderungen im Vereinswesen im Sport-Lockdown

Peter Betker vor der Alten Schreibschule, der derzeitigen MTV-Geschäftsstelle

Seesen. Wie nahezu alle Vereine muss sich auch der MTV Seesen derzeit gewaltig umstellen. Zum zweiten Mal ist der Vereinssport nahezu eingestellt. Oder doch nicht? Viele Vereine werden kreativ, um ihren Mitgliedern auch weiterhin etwas anbieten zu können. Was das beim MTV Seesen ist, wie es mit den Mitgliederzahlen aussieht und wie es mit dem geplanten Anbau am MTV-Treff auf der Harzkampfbahn aussieht, darüber tauschte sich „Beobachter“-Redakteur Daniel Hinz mit dem neuen MTV-Geschäftsstellenmitarbeiter Peter Betker aus.

Herr Betker, Sie haben im September 2020 ihre Arbeit in der Geschäftsstelle des MTV Seesen aufgenommen. Wie fällt ein erstes persönliches Fazit nach fünf Monaten, davon drei im „Sport-Lockdown“, aus?

Peter Betker: Trotz allen von außen auferlegten Widrigkeiten doch positiv. Der MTV Seesen, also der Vorstand, das Geschäftsstellen-Team, die Abteilungsleiter, Übungsleiter und die Mitglieder haben mich mit offenen Armen empfangen und bei dem täglichen Weg zur Geschäftsstelle begleitet mich ein Lächeln“.

Wie sieht die aktuelle Situation beim MTV Seesen aus?

Die Situation, ausgelöst durch die stetig veränderten Rahmenbedingungen, war und ist leider keine einfache, für niemanden. Der September und der Oktober waren die Monate, in denen wir Hygienekonzepte erarbeitet haben, wir haben wieder Sportangebote realisieren können. Doch alles schien vage und konnte gefühlt jeden Tag anders sein. Welche Vorgaben kommen von der Bundesregierung, welche vom Land, welche vom Landkreis, welche von der Stadt, welche kommen von den Sportverbänden und, und, und. Dazu die Verunsicherung der Mitglieder und der Übungsleiter. Als man dann das Gefühl hatte, es läuft wieder ganz gut an, war es auch schon wieder vorbei. Stellvertretend für diese Phase kann ich mich daran erinnern, wie wir an der Umsetzung des Hygienekonzepts von der „sehusa wasserwelt“ gearbeitet haben, um unsere Schwimmkurse, Aquafitness und das Wasserballtraining wieder anbieten zu können. Eine Woche konnten diese Angebote unter strengen Auflagen stattfinden, bevor der nächste Lockdown alles wieder zunichte machte. Ein Kinder-Yoga-Kurs sollte starten, das Trampolintraining mit einem neuen Übungsleiter beginnen und viele weitere tolle Angebote standen in den Startlöchern. Alles auf unbestimmte Zeit abgesagt.

Seitdem haben sich die Schwerpunkte unserer täglichen Arbeit klar verschoben. Wir schaffen neue Strukturen, die über den Lockdown Bestand haben werden. Deshalb und weil ich ein positiver Mensch bin, sehe ich die Pandemie tatsächlich auch als Chance nicht nur für unseren Verein. Ich schaue durchaus optimistisch auf die Zukunft, Dinge verändern sich aber das ist ja auch gut so. Mit viel Engagement, Kreativität und Offenheit können wir die Herausforderungen bewältigen. Dabei habe ich größten Respekt vor allen Ehrenamtlichen, die in ihrer Freizeit all das noch zusätzlich leisten.

Bei der Jahreshauptversammlung im September 2020 sagte der Vorsitzende Jürgen Alms, dass es im Verlauf des Frühjahres, während des ersten Lockdowns, kaum Vereinsaustritte gab. Die Mitglieder seien dem Verein während der Zeit treu geblieben. Wie fällt die Bilanz am Ende des Jahres aus? Hat die zweite Lockdown-Phase dem Mitgliederbestand mehr geschadet?

Ganz klar nein, wir haben tolle Mitglieder, die uns in der schwierigen Zeit treu verbunden sind. Die Zahl der Vereinsaustritte ist im Vergleich zur Vor-Lockdownzeit recht konstant geblieben. Die Gründe für den Austritt haben sich dabei leicht verschoben, dass merkt man schon. Es kündigen weniger junge Menschen, die in andere Städte ziehen, um dort zu studieren oder eine Ausbildung anzufangen. Sie bleiben erstmal zu Hause wohnen. Was fehlt sind Vereinseintritte, da geht es uns nicht anders als zum Beispiel Fitnessstudios. Wer wird schon Mitglied in einem Sportstudio, wenn man es nicht wie gewohnt nutzen kann?

Welche Sparten beziehungsweise Sportangebote haben im vergangenen Jahr besonders stark unter den Einschränkungen gelitten?

Da kann man keine Sparte herausstellen. Alle Abteilungen hatten ihre Herausforderungen zu lösen und haben das gut gemacht, zumindest so lange es ging. Trainingsgruppen, die normalerweise in der Halle stattfinden, sind nach draußen ausgewichen und konnten dort recht lange aktiv sein. Wettkampfsport als solches gab es nicht wirklich, bei niemanden. Ich finde das nicht optimal aber auch kein Beinbruch. Beim Sport geht es erst einmal nur um den Spaß an der Bewegung als solches. Dann im zweiten Schritt um den Wettkampf mit sich selbst, sich verbessern zu wollen und danach erst um den Wettkampf mit anderen, um zu sehen, wo steht man selber mit seiner Leistung.

Den Mitgliedern und Bürgern der Stadt Angebote zu schaffen, mit denen wir die ersten beiden Bereiche abdecken, hat höchste Priorität. Man muss versuchen, für jede Herausforderung eine Lösung zu finden. Im Gesundheitssport war das allerdings irgendwann nicht mehr möglich. Ich kann keinen Rehabilitationssport anbieten für eine Personengruppe, die wegen ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen zur Risikogruppe gehört, obwohl sie es aus therapeutischer Sicht wirklich sehr gut gebrauchen könnte.

Was kann der MTV Seesen in der derzeitigen Zeit, in der fast der komplette organisierte Vereinssport lahmgelegt ist, seinen Mitgliedern anbieten?
Tatsächlich noch einiges. Nicht im klassischen Sinne, wie vor den Lockdowns, aber halt anders. Wir haben einige Trainingsvideos gedreht, die man sich auf unserem MTV-Seesen-YouTube-Channel ansehen kann und dann wird von zu Hause aus trainiert. Es werden in verschiedenen Abteilungen Live-Trainings per Videoschaltung angeboten. Außerdem am Wochenende Schatzsuchen für Familien realisiert. Jede Familie bekommt ihre Schatzkarte per Mail zugeschickt und ist dann in den Wäldern rund um Seesen unterwegs. Aber auch ganz einfach über WhatsApp. Ich habe es in der ersten Frage bereits angesprochen, neue Strukturen schaffen und digitaler werden. Diese Sachen werden wir sicher mitnehmen. Mal einen Blick in die Zukunft: 20 Mitglieder sind beim Sport in der Halle und zehn sind zusätzlich per Livevideo von zu Hause oder dem Büro dabei. Ich finde das Klasse.

Wie hält der Verein aktuell den Kontakt zu seinen Mitgliedern?

Das ist ganz vielfältig, je nachdem welche Kontaktdaten wir von ihnen haben und um was geht. Die Übungsleiter nutzen sicher vermehrt ihre WhatsApp-Gruppen. Die Abteilungsleiter ebenso, als auch unsere neue, moderne Homepage um Beiträge zu erstellen. E-Mail geht natürlich immer nur dann, wenn wir eine gültige E-Mail-Adresse unserer Mitglieder haben. Facebook und den dazugehörigen Messenger, Instagram und Telefon – dank Rufumleitung werden Anrufer direkt ins Homeoffice weitergeleitet.

Übrigens über die 0176-20842754 kann man mich immer erreichen, telefonisch als auch über WhatsApp. Tatsächlich versenden wir auch nicht wenige Briefe. Aber auch über Zoom-Meeting und Videos.

Thema Finanzen: Wenige Veranstaltungen und damit geringere Einnahmen stehen höheren Kosten zum Beispiel für Hygienemaßnahmen gegenüber. Hat der MTV Seesen das vergangene Jahr finanziell trotzdem gut überstanden? Konnten Unterstützungsleistungen von Seiten des Staates oder der Verbände in Anspruch genommen werden?

In den letzten Jahren hat der MTV Seesen sehr gut gewirtschaftet, die Treue unserer Mitglieder haben dazu geführt, dass wir keine Hilfen in Anspruch nehmen mussten. Die finanziellen Hilfeleistungen sollen wirklich von denen in Anspruch genommen werden, die sie tatsächlich benötigen. Ein ganz klares Zeichen der Solidarität in dieser Situation. Unsere Mitglieder sind solidarisch uns gegenüber und der MTV Seesen gegenüber Unternehmungen aller Art, die jetzt Hilfe brauchen.

Die Mitgliederversammlung stimmte bei der Jahreshauptversammlung 2020 für den Anbau am MTV-Treff auf der Harzkampfbahn. Verzögert die Corona-Pandemie das Vorhaben oder läuft alles nach Plan?

Genau, am 18. September 2020 stimmten unsere Mitglieder für den Anbau. Die Freude darüber ist riesig. Schließlich ist es dem MTV Seesen so möglich, in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft zu blicken. Wir schaffen damit einen zentralen Ort der Begegnung und Gemeinschaft für uns in Seesen und können unser Angebot zeitgemäß ausbauen. Es wird der Anlaufpunkt für Sport, Freizeit und Gesundheit in Seesen. Ein Ort für Jung und Alt gleichermaßen.
Bei diesem Projekt merkt man zum Glück keinerlei coronabedingte Verzögerung. Alles läuft gut und wir erwarten, mit großer Vorfreude, den ersten Spatenstich.

Welcher Schritt läuft bei dem Vorhaben gerade und für wann ist der erste Spatenstich geplant?

Momentan suchen wir ein geeignetes Bauunternehmen, welches den gesamten Anbau übernimmt, beziehungsweise Unternehmen, die einzelne Gewerke anbieten.

Dabei ist es uns wichtig Firmen aus unserer Region zu engagieren und so zu unterstützen. Es werden Angebote angefordert und genau verglichen. Hierzu muss man allerdings sagen, dass keiner der Unternehmen auf uns gewartet hat. Manchmal muss man sich an dieser Stelle in Geduld üben, die haben alle ganz gut zu tun. Das hat wahrscheinlich schon jeder so oder so ähnlich erlebt. Wir hoffen bald den oder die Richtigen gefunden zu haben, um dieses Jahr noch loslegen zu können.

Auf was freuen Sie sich am meisten, nachdem die Beschränkungen wieder aufgehoben wurden?

Ganz klar auf die Menschen, in all ihren Facetten. Auf Kindergruppen, die lachend und voller Freude ihren natürlichen Drang nach Bewegung nachgehen, ob beim Turnen, Handball oder auf dem Spielplatz. Auf nette Gespräche mit Mitgliedern oder Interessenten in der Geschäftsstelle des MTV. Kaffee haben wir immer da.

Ich denke, ich werde von Angebot zu Angebot hoppen und alle sehen und sprechen wollen. Gerade hier auch das Gespräch mit den Senioren zu führen, um zu erfahren, dass es ihnen hoffentlich gut geht.red