Zehn Fragen und zehn Antworten

Bürgermeister Erik Homann bezieht zu den umfangreichen Fragen der SPD in der Causa Wendt Stellung

Erik Homann zum Fall Sabine Wendt: „Ich werde auch in Zukunft nicht bei unvollständig ermittelten Sachverhalten und ohne drohende Gefahr für die Rechtsgüter der Stadt, Personen leichtfertig anzeigen oder mit Mutmaßungen und Halbwissen Gremien informieren oder gar an die Öffentlichkeit gehen. Denn bereits durch solche Handlungen schädigt man irreversibel und vielleicht zu Unrecht den Ruf einer Person.”

Seesen. Mit Spannung war sie erwartet worden, die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause. Allein das große Interesse im Zuhörerbereich ließ berereits zu Beginn erahnen, dass es am Mittwochabend emotional werden könnte. Dennoch, und das bleibt am Ende positiv festzustellen, blieb es trotz der vielen Unstimmigkeiten im Vorfeld und der Auseinandersetzungen rund um die Geschehnisse im DRK-Kindergarten Münchehof und deren Leiterin Sabine Wendt weitestgehend sachlich. Alle Ratsmitglieder waren sichtlich bemüht, nicht noch weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Stoff gab es dennoch genug, denn im Vorfeld der Sitzung hatte die SPD-Fraktion in der Causa Wendt weitere Fragen vorbereitet. Diese wurden vom Verwaltungschef allesamt beantwortet.

Die meisten Tagesordnungspunkte wurden zuvor – mit Ausnahme der Frage um die Einrichtung einer Hortgruppe (siehe nächste Lokalseite) – schnell und problemlos abgewickelt. Beschlossen wurde da die 82. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Seesen im Bereich Nordberg bei Bornhausen (Müllumschlagstation), die Einziehung der Verbindungsstraße Mühlenkampstraße – Junkernfeld in Seesen und die Städtebauliche Sanierungsmaßnahme Stadtzentrum mit einem Kostenrahmen von nunmehr 9.156.000 Euro (der „Beobachter“ wird darüber noch berichten). Bemerkenswert ist vielleicht, wie wenig Gespächsraum die eigentlich doch wichtigen Themen wie zum Beispiel die Finanzierung bei der Stadtsanierungsmaßnahme in Anspruch nahmen, vielleicht aber auch, weil hier ja wiederum Einmütigkeit bestand.

Nachdem Ratsvorsitzender Uwe Klöppner zu Beginn und nach einer Schweigeminute für den verstorbenen ehemaligen Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe Seesen, Peter Riehm, Gratulationen an den neuen und alten Bürgermeister Erik Homann und die knapp unterlegene Andrea Melone übergeben hatte, wurde die Tagesordnung Punkt für Punkt abgearbeitet.

Interessant wurde es dann, als der Tagesordnungspunkt Anfragen und Anträge erreicht war. Hier hatte die SPD dem Bürgermeister gleich drei Anfragen gestellt. Homann erklärte, dass er alle drei mündlich beantworten werde.

Gleich zehn neue Fragen hatte die SPD vorbereitet in der Causa Wendt, vier hatte der Bürgermeister bereits vor der Bürgermeisterwahl öffentlich beantwortet. Diese Antworten wiederholte er noch einmal, auch die zehn weiteren Fragen in der dritten Anfrage beantwortete er allesamt. Eine weitere Anfrage beschäftigte sich zusätzlich mit der Frage der Vertretung des Bürgermeisters durch seine Stellvertreter. Hierüber wird der „Beobachter“ an anderer Stelle noch berichten.

Im folgenden gibt der „Beobachter“ die von der SPD gestellten Fragen und die Antworten des Bürgermeisters zur Causa Wendt im kompletten Wortlaut wieder.

Wann genau wurde der Bürgermeister informiert und welcher Personenkreis erhielt Kenntnis über den Sachverhalt (gemeint sind die Vorwürfe gegen Sabine Wendt / Anmerkung der Redaktion)?

Homann: Die Information erfolgte durch den Prüfbericht vom 1. April, der durch die hausinterne Post per Umlaufmappen, die auf den Bürgermeister (Kenntnisnahme am 2. April), den Fachbereich III und mit einer zweiten Umlaufmappe mit weiterer Ausfertigung auf die Abteilung I.2 ausgezeichnet waren. Diese Umlaufmappen wurden am selben Tag in das Verteilfach der Poststelle gelegt.

Wann fanden Gespräche mit der DRK-Kindergartenleitung statt und wer waren die Teilnehmer dieser Gespräche?

Homann: „Dazu hat unser Rechnungsprüfer Herr Schulz erklärt: Die Prüfungsunterlagen wurden Jahrgangsweise mit zeitlich größerem Abstand zwischen den Jahrgängen 2014 bis 2017 von der Kindergartenleiterin dem Rechnungsprüfungsamt zur Verfügung gestellt. Die ersten Buchungsdateien für 2014 und 2015 sowie die dazugehörigen Unterlagen in Form von Kontoauszügen und Belegordnern wurden am 22. Januar 2018 übergeben. Bei der Durchsicht ergaben sich zunächst drei Auffälligkeiten bezogen auf die Jahresabrechnung 2014.

Das führte dazu, dass im Beisein des Fachbereichsleiters I, Herrn Jakobi, Herr Dieter Kolle als Kassenführer und Vorstandsmitglied des DRK-Ortsvereins Münchehof am Donnerstag den 15. März gegen 17 Uhr zur Hilfe und Information bei der Aufklärung dieser Auffälligkeiten in das Rathaus zu einem Gespräch mit dem Rechnungsprüfer gebeten wurde.“ Am Folgetag, Freitag, 16. März 2018, fand dann gegen 10 Uhr im Kindergarten Münchehof ein Aufklärungsgespräch zu den Auffälligkeiten und zu weiteren Fragen (fehlende Belege usw.) in Form eines Fragenkataloges im Beisein der Leiterin und des Kassenführers des DRK-Ortsvereins statt. Dabei wurde der Leiterin mit Fristsetzung Gelegenheit gegeben, zu dem Fragenkatalog Stellung zu nehmen.

In der Folge gab es dann mehrere Termine im Kindergarten im Beisein der Leiterin und des Kassenführers zur Klärung des Fragenkataloges zu den jeweiligen Abrechnungsjahren. Die letzte Zusammenkunft fand anlässlich der Abrechnung des Jahres 2016 mit beiden Personen am Mittwoch, 29. August 2018, in den Räumen des Kindergartens statt. Am 30. August erhielt ich per Mail die Excel-Dateien zum Abrechnungsjahr 2017. Abschließende Fragen zu den Jahresergebnissen wurden erst mit der Übersendung von spezifischen Kontoauszügen per Mail am 27. März 2019 geklärt. In der Zwischenzeit erfolgte meinerseits die Aufbereitung des Zahlenwerks zum Vergleich der Kindergarteneinrichtung des DRK Münchehof mit den städtischen Einrichtungen.

Wann wurde mit Vertretern des DRK-Münchehof gesprochen und wer waren die Teilnehmer dieser Gespräche?

Homann: Anlassbezogene Gespräche fanden laufend während der Prüfungsphase wie vorstehend beschrieben im Beisein der Leiterin und des Kassenführers statt.

Wurde Stillschweigen über diese Gespräche vereinbart und wenn ja, warum?

Homann: Es wurde zu keiner Zeit Stillschweigen vereinbart. Wir wurden allerdings, wie bereits erwähnt, am 7. Mai von der Polizei Goslar zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Wann wurden die fehlenden Gelder wieder zurücküberwiesen?

Homann: Mit Mail vom 5. Juni 2018 wurde abschließend bestätigt, dass alle nicht dem Kindergarten zuzuordnenden Beträge oder Beträge, deren Zuordnung mangels Belegen nicht möglich war, auf das Kindergartenkonto zurückgezahlt worden sind.

Wie kommt der Bürgermeister zu der Einschätzung, dass der Stadt Seesen durch das Fehlverhalten kein Schaden entstanden sei?

Homann: Da alle strittigen Beträge wieder erstattet worden sind, ist der Stadt Seesen kein Schaden entstanden. Darüber hinausgehende Beträge, die nach Feststellungen des Rechnungsprüfungsamtes nicht von der Stadt Seesen zu tragen sind (zum Beispiel Mahngebühren und Säumniszuschläge oder aufgrund von anderen Prüfungsbemerkungen) müssen noch durch Rückforderung eingezogen werden. Dabei kann eine Verrechnung mit den laufenden Zuschüssen erfolgen.

Inwieweit führten Verzugszinsen oder Säumniszuschläge zu einer Erhöhung des Fehlbetrages im Haushalt des Kindergartens?

Homann: Verzugszinsen und Säumniszuschläge haben tatsächlich temporär zu einer Erhöhung des Fehlbetrages geführt. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen können sie jedoch wie vorstehend beschrieben wieder ausgeglichen werden.

Soweit sich der Fehlbetrag dadurch erhöhte, inwieweit wurde dieser Anteil durch die Stadt Seesen getragen beziehungsweise inwieweit wäre er durch die Stadt Seesen zu tragen gewesen?

Homann: Wenn der DRK-Ortsverein den Beweis antreten kann, dass die Säumniszuschläge und Mahngebühren bei einer ordnungsgemäßen Buchführung unvermeidbar gewesen sind, dann wären sie von der Stadt Seesen ebenfalls als zum Betrieb des Kindergartens notwendige Ausgaben mitzutragen gewesen. Während der Prüfung ergaben sich keine Hinweise darauf. Der Ortsverein kann diesen Beweis möglicherweise aber noch im Zuge des Verfahrens zum Rückforderungsbescheid antreten. Um das an dieser Stelle nochmal ganz deutlich zu sagen: Mahngebühren und Säumniszuschläge belasten den Haushalt des DRK-Kindergartens, nicht den der Stadt Seesen. Wir erstatten nur, wenn Mahngebühren und Säumniszuschläge unvermeidbar waren. Das ist genau das, was es jetzt noch zu prüfen gilt.

Welche rechtliche Beratung/Einschätzung hat dazu geführt, dass die Verwaltung ihrerseits den Vorgang nicht an die Ermittlungsbehörden weitergegeben hat?

Homann: Das Rechnungsprüfungsamt hat keine rechtliche Beratung eingeholt. Da die Prüfungsfeststellungen des Rechnungsprüfungsamtes vom zuständigen Fachbereich III noch abzuarbeiten sind, hat die Verwaltung zu dieser Frage keine rechtliche Beratung oder Einschätzung eingeholt beziehungsweise abgegeben.

Warum hat das Rechnungsprüfungsamt nach Fertigstellung des Prüfberichts nicht den Rat der Stadt informiert?

Homann: Es gab aus der Sicht des Rechnungsprüfungsamtes keine Veranlassung für eine unmittelbare Übersendung des Prüfberichts an den Rat der Stadt Seesen. Erst wenn nach Übersendung des Berichts an die Verwaltung zu erkennen gewesen wäre, dass die Verwaltung die Prüfungsfeststellungen nicht oder in nicht ausreichender Form abarbeitet, entsteht meines Erachtens eine unmittelbare Berichtspflicht an den Rat.

Lassen Sie mich noch abschließend hinzufügen, dass ich im Verhalten des Rechnungsprüfungsamtes und in meinem Verhalten keinerlei Pflichtverletzungen sehe. Vielmehr haben wir stets so gehandelt, dass das korrekte Verwaltungsverfahren durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung eingehalten werden konnte.

Ich werde auch in Zukunft nicht bei unvollständig ermittelten Sachverhalten und ohne drohende Gefahr für die Rechtsgüter der Stadt, Personen leichtfertig anzeigen oder mit Mutmaßungen und Halbwissen Gremien informieren oder gar an die Öffentlichkeit gehen. Denn bereits durch solche Handlungen schädigt man irreversibel und vielleicht zu Unrecht den Ruf einer Person. Ich halte es daher für meine Pflicht, in vergleichbaren Fällen alle Konsequenzen meines Handelns ruhig und verantwortungsbewusst abzuwägen und erst nach der abschließenden Ermittlung eines Sachverhalts Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Bitte bedenken Sie in diesem Zusammenhang auch, dass aus dem Rechungsprüfungsbericht hervorgeht, dass beim DRK Münchehof bereits im Jahr 2018 die Kindergartenleitung von der Aufgabe der Kontenführung entbunden wurde. Es bestand also keine Wiederholungsgefahr.

Vielleicht wird Ihnen durch einen Vergleich mit der Wohngeldabteilung unseres Hauses deutlich, dass wir auch in anderen Fällen so vorgehen. Bei der Bewilligung von Wohngeld gibt es hin und wieder Fälle, die eine Strafanzeige erfordern. In diese Verwaltungsverfahren mische ich mich vor Abschluss der Prüfungen ebenfalls nicht ein, indem ich zum Beispiel voreilig Strafanzeige erstatte. Erst nach Abschluss der Ermittlungen, übrigens durch den gleichen Fachbereich wie hier im Fall des Kindergartens, wird mir dann der vollständig ermittelte Sachverhalt zur Unterschrift vorgelegt und damit Strafanzeige erstattet.

Im Übrigen stelle ich fest, dass die Unterstellungen der vergangenen Tage meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber und auch mir gegenüber einen erheblichen Schaden anrichten. Die Glaubwürdigkeit der Verwaltung und der Ruf der Stadt Seesen leiden unter dieser Vorgehensweise. Lassen Sie uns doch endlich wieder gemeinsam für unsere Stadt Politik machen. Die entstandene Atmosphäre ist für niemanden gut und bereitet sicherlich niemandem Freude. Ich biete an, dass wir uns nach der Sommerpause mit den Fraktionsspitzen an einen Tisch setzen und gemeinsam versuchen, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

Seitens der CDU-Fraktion und insbesondere aus dem Zuhörerbereich im Saal gab es für das Statement des Bürgermeister Zustimmung und lautstarken Applaus.uk