Zum letzten Mal per Zug auf Erkundungstour

Günter Voß nimmt seit gestern das Netz der Deutschen Bahn unter die Lupe / Zwei Dinge treiben ihn an

Am Montag startete Günter Voß um 9.15 Uhr seinen Test am Seesener Bahnhof. Der Zug nach Braunschweig hatte zwei Minuten Verspätung, auch das wird er in seinem Notizbuch vermerken. Der Seesener reist mit leichtem Gepäck.

Seesen. Für sein Abenteuer braucht der 79-jährige Günter Voß nicht viel: Seine handliche, schwarze Umhängetasche, darin als Proviant eine 1-Liter-Flasche Wasser und zwei Bananen. Dazu sein Lederkäppi mit goldenem ICE-Anstecker, Armbanduhr, ein Notizbuch – zum Aufschreiben der Erkenntnisse – Handy und natürlich sein Portemonnaie. Im Letzteren ist das wichtigste Utensil für seine dreimonatige Bahntestfahrt quer durchs Land enthalten – die Probebahncard 100.

Genau diese Flatrate für Vielfahrer, drei Monate lang für 1.275 Euro bundesweit zu reisen, reizte den Seesener, ein letztes Mal diesen großen Bahntest durchzuführen. Immerhin ist genau das für ihn seit 1985 eine Passion. Zudem wollte er sich das Ganze quasi als Vorgeschenk zum 80. Geburtstag selbst gönnen. Bis zum 16. Oktober ist Günter Voß nun selten zu Hause anzutreffen.

Auszeiten nimmt er sich, nur alle zwei Tage wird er sich seine Utensilien schnappen und zum Seesener Bahnhof gehen. Alle Abfahrtszeiten hat er im Kopf. Hetzen lässt er sich nicht, dass er immer zu einer bestimmten Uhrzeit starten muss. „Ich wache auf, frühstücke und werde dann so langsam losgehen“, sagt er im Gespräch am Montagmorgen um 9 Uhr am Bahnhof, Gleis 2. Gegessen hat er zuvor Müsli, das sättigt am längsten. Bei Bedarf holt er sich am Bahnhof eine Kleinigkeit. „Ich brauche da nicht viel“, so der Seesener.

Bereits zum Auftakt wird er gleich mehrere Bundesländer durchqueren. Von Seesen geht es nach Braunschweig, von dort per IC nach Leipzig, weiter mit dem ICE über Erfurt bis nach Nürnberg. So der Plan. „Sauberkeit und Pünktlichkeit erwarte ich“, sagt der Seesener im Gespräch. Mit Letzterer hat es zum Start nicht so ganz hingehauen: Statt 9.13 Uhr rollt der Zug erst 9.15 Uhr an diesem Montagmorgen am Bahnhof Seesen ein, notiert wird das sofort. Wenn alles klappt, will er an diesem Tag gegen 20 Uhr wieder in Seesen sein.

Seine Heimatstadt ist Dreh- und Angelpunkt seiner Erkundungstour. „Ich habe noch Freunde in Leipzig, vielleicht starte ich auch einmal von da“, so Günter Voß an diesem Morgen. Ohnehin ist der Seesener in Sachen Reisestrecke sehr flexibel. Damit der Test auch Wert hat, hat er an den Knotenpunkten ab sofort immer die blaue Anzeigetafel in der Bahnhofshalle im Blick, und hört bei den Durchsagen genau hin. Will er an diesem Tag beispielsweise nach Hamburg reisen und er hört, dass der ICE nach Dresden 30 Minuten Verspätung hat, entscheidet er sich um. „Ich möchte auch sehen, wie das Personal reagiert und wie viel von der Zeit vielleicht sogar aufgeholt werden kann“, so der Bahntester.

Am Ausruhtag beschäftigt ihn natürlich auch das Projekt, dann werden die Erkenntnisse niedergeschrieben, seinen Bericht stellt er später der Deutschen Bahn zur Verfügung. Übrigens ist er weder für das Unternehmen noch für irgendeinen Fahrgastverband im Einsatz, die Bahncard hat er aus eigener Tasche bezahlt. Andere sammeln Briefmarken, Günter Voß fährt eben leidenschaftlich gerne Zug. Besonders intensiv seit 1991, als der ICE auf die Strecke ging.

Gesehen hat er schon eine ganze Menge, auf die Frage ob er sich bei seinem jetzigen Test auf eine bestimmte Strecke freut, die er genauer unter die Lupe nehmen will, antwortet er mit einem klaren „Nein“. Er kennt sie halt alle.

Eine Sache hat er sich vorgenommen, ein intensiver Test des Pendelverkehrs zwischen Köln und dem Frankfurter Flughafen. Mit dem ICE von der Station Köln Messe/Deutz bis Frankfurt Flughafen Fernbahnhof sind es jeweils 53 Minuten. Spannend. Sein leichtes Gepäck macht sich bezahlbar, „damit kann ich auch ohne Problem im Zug stehen“, sagt Günter Voß. Vielleicht testet er bei seinem letzten großen Test auch im Ausland. Der tgv wäre eine Option. Wer weiß, wo ihn die Reise bis zum 16. Oktober überall hinführt.syg