Zwei Jahre und zehn Monate Haft für Seesens Ex-CDU-Chefin Sabine Wendt

415.000 Euro abgezweigt – Ehemalige Münchehöfer Kindergartenleiterin muss für ihre Taten ins Gefängnis / Angeklagte zeigt Reue: „Ich weiß, dass ich viele Menschen verletzt habe. Ich habe meine Familie enttäuscht.”

Sabine Wendt und ihr Verteidiger beim Betreten des Gerichtssaals im Landgericht Braunschweig. Am Mittwoch wurde hier am dritten Prozesstag das Urteil gefällt. Die Ex-CDU-Chefin muss für zwei Jahre und zehn Monate in Haft.

Das Urteil im Prozess um Veruntreuungen und Betrugsdelikte im Kindergarten Münchehof ist gefällt! Für zwei Jahre und zehn Monate muss Seesens Ex-CDU-Chefin Sabine Wendt ins Gefängnis. Für eine Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, sei das Gesamtbild der Taten der ehemaligen Kindergartenleiterin zu viel, begründete die Vorsitzende Richterin Gerstin Dreyer am Mittwoch das Urteil. Die Kosten des Verfahrens trägt die Angeklagte.

Braunschweig/Seesen/Münchehof. Letztlich kann Sabine Wendt aber durchaus froh sein über den Ausgang des Prozesses samt Urteil. Das Strafmaß hätte auch deutlich höher ausfallen können. Es gab eben auch einige Umstände, die für die Angeklagte sprachen, nämlich das Geständnis und den Willen zur Wiedergutmachung. Gleichzeitig habe sie ihren Arbeitsplatz in der Kita verloren und ihre soziale Stellung. Auch das wurde mit in Betracht gezogen, ebenso das mediale Interesse, das sicherlich zusätzlich belastend sei.

Staatsanwalt Fabian Londa hatte für eine Strafe von drei Jahren und zwei Monaten plädiert, dafür sprächen eben auch der lange Tatzeitraum, die hohe Schadenssumme und die hohe kriminelle Energie, mit der die Angeklagte die Taten vollzog.

Mit dem Urteil vor dem Landgericht Braunschweig ist nun der Schlussstrich unter den jahrelangen Betrugsfall gezogen worden. Insgesamt wurden Sabine Wendt 333 Fälle von Untreue sowie zehn Betrugsfälle vorgeworfen. Sie soll insgesamt 415.000 Euro erlangt haben, davon fielen 366.000 Euro in den Zeitraum von 2014 bis 2019, der noch nicht in die Verjährung fällt. Zurückzahlen muss sie indes alles.

Vor dem Urteilsspruch zeigte die Angeklagte Reue, sie hatte auch das letzte Wort: „Ich bereue meine Taten zutiefst. Ich weiß, dass ich viele Menschen verletzt habe. Ich habe meine Familie enttäuscht. Ich hoffe, ich kriege eine zweite Chance.” Nunmehr wolle sie Wiedergutmachung leisten. Das Haus in Münchehof habe sie verkauft und auch noch etwas Erspartes. 100.000 Euro könne sie so noch aufbringen, inklusive des Hausverkaufs.
Das Geld hatte sie vornehmlich zum Leben genutzt, aber auch Autos gekauft und Urlaube finanziert. Ihrem Sohn hatte sie 10.000 Euro gegeben, ihrer Tochter 4.000 Euro. Das Geld müssen die Kinder nunmehr auch zurückzahlen.

Sabine Wendt hatte ihre Position, soviel bleibt sicher festzuhalten, schamlos ausgenutzt. Als Kita-Leiterin konnte sie online und per EC-Karte auf die Konten zugreifen. Zur Verschleierung fingierte sie zudem Rechnungen.

Sabine Wendt hatte die Taten zunächst vehement bestritten

Im November des Jahres 2019 sorgte der spektakuläre Fall von Untreue in Seesen für mächtig Aufruhr und ungläubiges Staunen in Seesen und natürlich auch in Münchehof, nachdem es bereits im Mai 2019 mitten im Bürgermeister-Wahlkampf in Seesen zu Verdächtigungen und unschönen Begleiterscheinungen kam. Lange Zeit spielte die Kindergartenleiterin das „Unschuldslamm“, führte selbst enge Vertraute, die ihr zur Seite standen, an der Nase herum beziehungsweise in die Irre.

Die 57-Jährige hatte dann zu Beginn des Prozesses eingeräumt, jahrelang Geld von den Konten der Kita genommen zu haben. „Jetzt bin ich froh, dass ich nicht mehr lügen muss”, sagte sie zum Auftakt des Prozesses unter Tränen vor dem Braunschweiger Landgericht. Irgendwann habe ihr eigenes Geld einfach nicht mehr ausgereicht, begründete sie den Griff in die Kita-Kasse. Zunächst habe sie nur private Einkäufe mit dem Geld bezahlt, später folgten auch Rechnungen für Autos und teure Urlaube.

Wendt hatte vom Konto des DRK-Kindergartens Geld auf ihr eigenes Konto überwiesen und Barabhebungen für private Zwecke getätigt. Auch private Einkäufe habe sie mit der EC-Karte des Kiga-Kontos bezahlt. Die Taten beziehen sich auf den Zeitraum vom Mai 2014 bis Ende September 2019. Einige Taten aus dem Jahr 2013 sind wohl mittlerweile verjährt.

Wendt hatte die Taten zunächst vehement bestritten, sprach von „Fehlbuchungen“ und „kleinen Irrtümern“. Auf Drängen des Fraktionsvorsitzenden Rudolf Götz war sie sogar von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen, um ihre Unschuld zu beteuern. So saß sie in der Redaktion des „Beobachter“ und berichtete, dass sie sich ganz und gar nicht erklären könne, was man von ihr wolle. Sie habe lediglich Buntstifte und Kleber bestellt, dass sie sich da mal beim Bezahlen vertan habe, könne doch passieren. Außerdem habe sie versehentlich Beerdigungskosten vom falschen Konto bezahlt. Ein Fehler, den sie schnell korrigieren wolle.

Auf diese Art und Weise hatte sie auch immer wieder und auf Nachfrage ihrer Parteikollegen versucht, die Taten, die hauptsächlich das DRK in Münchehof belasteten, zu vertuschen. Ihre Familie, die am Mittwoch dem letzten von insgesamt drei Prozesstagen in Braunschweig komplett beiwohnte, war offenbar die ganze Zeit nicht informiert, welche kriminelle Energie die Ehefrau und Mutter freizusetzen imstande war. Das beteuerte Wendt ebenfalls.

Erst als die Beweislast im Jahr 2019 zu groß wurde und das Kartenhaus aus Lügen und Verstrickungen nicht mehr zu halten war, knickte die ehemalige Kindergartenleiterin ein. Kurz danach war sie konsequenterweise alle Posten los, nicht mehr im Kindergarten tätig und auch aus der Partei ausgetreten.

Nach ersten Verdächtigungen sogar noch weitere Betrügereien

Dass sie auch nach den ersten öffentlich gemachten Verdächtigungen im Mai 2019 weitere Betrügereien und Untreuehandlungen nicht unterließ, wirft ein weiteres bizarres Licht auf den ohnehin schon unglaublichen Fall, der das DRK Münchehof und den gesamten Stadtrat in seinen Grundfesten erschütterte. Das DRK in Münchehof steht nach den ganzen Geschehnissen in keinem guten Licht. Warum die Kassen des Kindergartens nicht geprüft wurden, hatte der Kassenwart zwar erklärt, aber eine gute Figur gab er dabei sicherlich nicht ab. Hier hätte sicherlich genauer geschaut werden müssen. Auch der städtische Rechnungsprüfer gestand ein, offenbar zu viel Vertrauen gehabt zu haben.

Das Urteil ist nunmehr gesprochen. Das viele Geld muss Sabine Wendt zurückzahlen. Die Verteidigung kann noch in Revision gehen. Das Urteil ist mithin noch nicht rechtskräftig. Damit muss Sabine Wendt natürlich auch noch keine Haft antreten.uk